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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0262

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Rleine Mitteilungen.

Die indische Ausstellung im Nordböhmischen
Gewerbe-Museum in Reichenberg.')

Jm Nordböhmischen Gemerbemuseum in Reichen-
berg fand während des Monats Juli eine indische
Ausstellung als Wander-Ausstellung des zu einem
Handelsmuseum ausgestalteten orientalischen Museums
in Wien statt, welche in zwei spezifisch getrennte Teile
zerfiel, deren erster das Gebiet der original indischen
kunstindustriellen Produktion umfaßte, der zweite aber
den Export europäischer Jndustrieartiksl nach Jndien
enthielt Der Gedanke, die Sammlungen der Haupt-
stadt auch den Hauptstädten und Jndustriezentren der
Prooinz zugänglich zu machen, wurde von den Handels-
und Gewerbekainmern in Österreich mit lebhastem
Jnteresse aufgegriffen. Wählte man indessen früher
gewisse Spezialfächer zu den Ausstellungsn, so sollte
jetzt die Produktion und Konsumtion eines abgeschlos-
senen Gebietes, als welches zuerst Britisch - Jndisn ge-
wählt wurde und welchem andere Ländergebiete nach-
folgen werden, zur Darstellung kommen.

An die Ausstellung der Objekte schloß sich die
Auflage der gesamten einschlägigen Literatur über
Jndien; zur orientirenden Einführung des großen
Publikums wurden eine Anzahl Vorträge gehalten,
welche Jndien als Kolonie, als Produktions- und
Konsumtionsgebiet behandelten, die Absatzgebiete
daselbst und die kaufmännischen Verbindungen dahin
erläuterten und schließlich das indische Kunstgewerbe im
ganzen Umfange in großen Zügen beleuchteten.

Die indische Kultur unserer Tage ist nicht mehr
die der alten indischen Zeit, in welcher das Land
noch dem Jnder gehörte und in stiller Abgeschlossen-
heit rein und eigenartig blühte. Mannigfache Ein-
flüsse, hauptsächlich die mohamedanischen und eng-
lischen, haben der indischen Kultur einen neuen Boden
bereitet, auf dem sie wesentlich verschiedene Pflanzen
treibt. Den unstreitig Ledeutendsten Einfluß übten
die Engländer aus, sie brachten die abendländische
Kultur in jenes Land, welches bisher eine der ältesten
Kulturen bewahrte. Trotz großer Umivälzungen ist
aber heute noch in jedem Dorfe die alte Kultur, die
an den einfachen traditionellen Sitten zäh fssthält,
die dem Kunstobjekte jenen eigenen, frischen, unmittel-
baren Charakter verleiht, zu erkennen. Dieser alten
Kultur, oder wenn man will, der neuen Kultur im
alten Stile entspringt der wertvollere Teil der Aus-
stellungsobjekte.

Wir verftLtten dem Bericht an dieser Stelle mehr Ranm
als gcwöhnlich. da ähnliche segenSreiche Einrichtungen in Nord-
Deutschland recht sehr erwünscht wären, wo reiche Sammlungen
sclbst an Ort uud Stelle alS ungehobene Schätze todt liegen.

Die hervorragendste Stelle im indischen Kunst-
gewerbe nimmt unstreitig die Textilkunst ein. Vom
einfachsten Zeugdrucke, den vielfarbigen Kattunarten
bis zu den reichen farbenglühenden Shawls von
Kaschmir, von den schlechtesten Baumwollgeiveben
bis zu den herrlichsten golddurchwebten Luxusgeweben
durchläuft sie in der Baumwoll-, Seiden-, Musselin-
und Teppichweberei eine Reihe vor Herstellungsarten
und eine Mannigfaltigkeit, wie sie nur eine Jndustrie
erzeugen kann, welche unmittelbar aus der sie um-
gebenden herrlichen Natur schöpft. Dieser Charakter
der Mannigfaltigkeit überträgt sich auch auf die in-
dische Keramik, von welcher die Ausstellung ein über-
sichtliches Bild bot. Von den einsachsten roten,
unglasirten Thongefäßen aus Jeypore, Delhi, Lahore
und Bombay, den unglasirten Krügen aus grauem
Thon mit naturalistischem Reliefornament bis zu den
schwarzgelben Thongefäßen aus Tatta, den schwarzen
Gefäßen mit Silberstrichauftrag aus Azimghur und
den blauen Majoliken aus Delhi und Multan bleibt
die indische Keramik stets innerhalb der Grenzen
strenger Formen.

Die Glasindustrie ist nicht von der Bedeutung
der Thonindustrie, doch erzeugen Lahore und Patna
schöne opake und translucide Gläser mit blauer, weißer
oder gelber Färbung.

Jn reichem Schmuck prangen die indischen Lack-
arbeiten, die eingelegten Arbeiten und die Schnitze-
reien- Die ersteren, Arbeitskassetten und Schreibzeuge
aus Kaschmir und Amritsar, Büchsen aus Hoshyarpore,
zeigen bei der reichsten sarbig vegetabilischen Orna-
inentation eins feingestimmte Harmonie, welche durch
die reiche Verwendung des neutralen Goldes, welches
sich allen Farbentönen anschmiegt, hervorgerufen wird.

Mit zu dem Kostbarsten indischer Kunstindustrie
gehören die Jntarsia-Arbeiten und Schnitzereien in
Horn, Elsenbein und Stein. Die ersteren, aus Lahore
und Mainpury, sind in der Zusammenstellung der
einfachsten geometrischen Formen von ausgesuchter
Feinheit; die letzteren zeichnen sich besonders durch
die üppige Wucherung des plastischen, vegetabilischen
Ornaments mit freier Benutzung der Tierwelt aus.
Schnitzereien in Elfenbein und Horn werden übrigens
in nahezu allen Teilen Jndiens ausgeführt.

Hier lassen sich auch die Kleinskulpturen in Marmor
und Seifenstein aus Agra anreihen. Diese sind ent-
weder in Hochrelief geschnittene Schalen mit vege-
tabilischem Ornament oder Freiskulpturen von Tieren.

Jn schönen Objekten war die indische Metall-
industrie vertreten. Getriebene, ciselirte und emaillirte
Gefäße aus, Messing, Bronze, Kupfer und Glocken-
metall von Benares, Lahore, Beder bei Hyderabad,
 
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