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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1901)
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm: Goethe über Förderung der Kunst
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Zuschauerschmerzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0065

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„Wir Deutschen sind von gestern", klagte Goethe (827. „Wir
haben zwar seit einem Jahrhundert ganz tüchtig knltiviert; allein es
können noch ein paar Jahrhunderte hingehen, ehe bei unseren Lands-
leuten so viel Geist und höhere Kultur eindringen und allgemein werden,
das; sie gleich den Griechen der Schönheit huldigen, dah sie sich für cin
hübsches Lied begeistern, nnd dah man von ihncn wird sagen können,
es sei lange her, dah sie Barbaren gewesen." wilhelm Bodc.

^usckauersckrnerren.

Jn der Gcschichte der künstlerischen Regungen steht vor der That
des Dramatikers die dcs Schauspielers. Die Lust au der Verstelluilg,
am Mummenschanz ist vielleicht so alt wie die Menschheit selbst oder
doch wie der Götzendienst. Sie erst hat es dem Dichter eingegeben,
über sein Rhapsodenamt hinauszustreben, um in den Geschöpfen seiner
Phantasie, in Narren und Weisen, Starken und Schwachen, die höchsten
Wahrheiten des Lebens und des Herzens anschaulicher auszusprechen,
als seine einzelne schwache Stimme und der ärmliche Klang seines
Saiteninstruments es vermochten. An der Hand der Grohen von
Aischylos bis zur Gegenwart hat sich der unterstromige Theatertrieb des
Menschen zur lautereu Kunst hcrangebildet, hat er sich von einer all-
gemein völkischen Sache zum Virtuosentum des Einzelnen zugespitzt, das
heute abgelöst wird vom Zusammenspiele der Wenigen.

Seitdem aber der erste Dramatiker dcn Darstellern wirkliche
Ausgaben stellte, seitdem er also Höheres von ihnen vcrlangtc als bis
dahin der Stegreifsgewandtheit des Verkleideten möglich war, seit diesen
Tagen ist auch die Schauspielkunst in doppelter Hinsicht die Schuldnerin
der dramatischen: sie ist einmal schlechthin abhängig gcworden (und das
ist ein Segen für sie!) und zum andern im Rückstand geblieben. Die
Fülle der Aufgaben, die an sie herantraten, konnte sie nicht bewältigen,
nicht lösen. Man zeige mir ein Theatcr zu irgend einer Zeit auf, das
der „Orestie" des Aischplos, dem „Hamlet" Shakesperes, Goethes „Götz"
oder Kleists „Prinzcu von Homburg" vollaus gerecht geworden würe!
Ja, wir vcrfügcn beispielsweise heute nicht einmal über eine Bühne,
die Jbsens „Rosmersholm" so darstellte, daß der Kenner der Höhen
und Tiefen des Werkes von Vollendung reden dürfte. Und hierbei liegen
Menschen und Probleme mitten in unserer Zeit.

Wir wissen alle, was die Schuld daran trägt. Unsere schau-
spielerischcn Talente reichen nicht für die rasch gewachsene Anzahl der
Thcater aus, dic vom zahlungsfähigen Publikum gcsordert und erhalten
werden. Und zu Mustervorstellungen, in denen die Zersplitterten zu
kurzem aber erspriehlichem Thun vercinigt würden, habcn wir uns noch
nicht aufraffen können. Wir wissen aber auch, daß, wo Ernst und
Liebe walten, mit mittelmühigem Materinl Vortreffliches zu leisten ist,
daß es also an noch wem anderen liegen muh, wenn üsthctisch gebildete
Menschen der Vorstellung eines Klassikers odcr ciner Wagnerschen Öper nur
mit Mihbehagen anwohnen. Jch haüe schon wiederholt der einen grohen
Sehnsucht der Bühnenleute, die überall ohne weiteres Zustimmung
sindet, Ausdruck gegeben: der Sehnsucht nach tüchtigen Regisscurcn.
Jch habe auch klarzulegen vcrsucht, was cineu Rcgisseur nusmacht,
Aunstwart

so
 
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