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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1901)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Die Guntramlegende
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0110

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vie 6ur>1rarnlegenäe.

Die Zeiten sind längst vorüber, wo in der Oper der schnöde Grnnd-
satz galt, das singen zu lassen, was zu dumm und schaal gcwesen
wäre, um gesprochen zu werden. Aus einer bloß vergnügsamen Hof-
festlichkeit, die schließlich in allerhand Reverenzcn vor den anwesenden
Herrschasten auslief, hat sich die Oper allmählich zu einer Trägerin von
bewegenden sittlichen Jdeen der Zeit erhoben. Seit Wagners „Tristan"
und „Parsifal" gibt es eine ganze Reihe solcher philosophiercnder Musik-
dramen, worin Welträtsel gestellt und gelöst werden, worin die Tonkunst
den ausführlichen Erörterungen metaphysischer und ethischer Probleme
die tiefere Gemütsresonanz verleihen soll. Die Daseinsberechtigung solcher
Kunstwerke wird nur derjenige zu leugnen wagen, der das Neich der
ernsten Musik auf die Gemeinempfindungen der Erotik beschränken und
ihr daneben höchstens noch religiöse oder patriotische Stimmungen,
Racheschreie um ermordete Väter und dgl. gestattcn möchte. Mit solchen
Philistern wollen wir nicht streiten, räumcn jedoch unserseits der Kunst
das ganze weite Feld seelischen Lebens und dcm Künstler das Recht
ein, Jdeen, die seinen Geist und seine Phantasie erregen, darzustellen
und zu verbreiten. Nur hüte man sich davor, die Jdee an sich für das
Ausschlaggebende zu halten, vielmehr bestimmt sich der Wert der Jdee
in der Kunst durch den Grad der Lebendigkeit, die ihr der Künstler
verleiht. Leider wird dieser fast triviale Grundsatz so häußg außer-
acht gelassen! Auch Wagner gegenüber. Wir habcn so zahlreiche
Schriften über den philosophischcn Gehalt und die sagenwissenschaftlichen
Grundlagen seiner Werke, aber wie wenige, die uns aufzeigen, daß dic
Genialität des Meisters nicht in den — zum guten Teil nur von
Schopenhauer entlehnten — Jdecn licge, sondcrn in der dramatischen
Anschaulichkeit, zu der sie durch ihn gelangen, d. h. in ihrer künst-
lerischen Gestaltung.

Es kann einen drum nicht wundern, wenn man von den literarischen
Vertretern Nichard Straußens seinen ^Guntram" immer wieder mit
dem Hinweis auf die zu Grunde liegende Jdee als epochemachendes
Werk preisen hört. Der Jnhalt ist in allcr Kürze folgender: Guntram,
ein mittelalterlicher Sänger und Genosse eines heiligen Bundes, kommt
in ein Reich, wo Krieg und Aufruhr herrschen, um des Fürsten Herz
zu rühren und für die Jdee des Friedcns zu gewinnen. Dabei gcrät
er in Streit mit dcm eigentlichcn Tyrannen des Landes, dem Herzog
Robert, und erschlägt ihn in Notwehr. Vom Bunde zur formalen
Rechenschaft gefordert, will er dessen Gesetze nicht mehr anerkenncn und
begründet das mit den Worten: „Arm an Erfahrung glaubt ich wohl
einst, ein Herz sei durch Negeln zu leiten, ein Leben sei nach Gesetzen
zu sühren. Eine einzige Stunde hat mich erleuchtet, doch jetzt bin ich
einsam, allein mit mir selbst. Meinem Leid hilft einzig nur mcines
Herzens Drang, meine Schuld sühnt nur die Bußc meiner Wahl,
mein Leben bestimmt meines Geistes Gesetz, mein Gott spricht durch
mich selbst nur zu mir". Und wcil cr allein weiß, dah die objektiv
einwandfreic That doch nicht schuldlos sei, wcil nicht nur dcr Selbst-
erhaltungstrieb, sondern auch die Liebe zu der Gattin des Getöteten scin
Schwert geleitet hat, so kann er auch allein sich die Buße auferlegen,
Kunstwart
 
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