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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 7 (1. Januarheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Denkmäler
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Weber, Leopold: Bierbaum als Lyriker
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0350

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rechte seiner Werke auf und sendet seines Geistes Kinder aus, dast sie
den Augen für ihn zeugen, den Ohren für ihn predigen! Stirbt ein
großer Dichter, so stärkt seine Werke, wenn ihr's nicht bei Lebzeiten ge-
than habt, wenigstens nach seinem Tode, daß sie, aus dein Konkurrenz-
kampf mit dem Machertum befreit, seinen Geist und seine Liebe nun endlich
zu allen Brüdern tragen! Wir rufen nach Volksbühnen, wir rufen nach
Bühnen für reine Kunst, wir verlangen nach Lesehallen fürs Volk, nach
guten Konzerten, die nicht nur für Reiche sind, nach Bildersälen, die
besseres als Märkte enthalten, nach freundlicheren Schulen, nach Gürten
ums Haus und überall heißt es: „das Geld fehlt". Und dabei ver-
spielen wir Hunderttausende jährlich mit toten Stein- und Bronze-
puppen! A.

Lierbauni als Lyriksr.

Otto Julius Bierbaums „Jrrgarten der Liebe" gibt eine Gedicht-
sammlung von ^56 Seiten in guter Ausstattung zu einer Mark! Man
müßte dem Verlage der „Jnsel" Preis und Lob singen, der eine solche
Erscheinung ermöglichte — vorausgesetzt nur, daß das Gebotene in der
That zu einer Bereicherung unsrer Literatur beitragen kann. Wic
steht es nun in dieser Beziehung um das Bierbaumsche Liederwerk?

Bierbaum stellt in seiner Vorrede zum „Jrrgarten" selber einen
Wertmcsser aus. „Jch halte nur die Poesie für wirklich lebendig," sagt
er, „die vom allgemeinen Leben aufgenommen werden kann." Jst das
nicht viellcicht ein wenig gar zu naiv in seiner Einfachheit? Kann
das „allgemeine Leben" nicht auch Wertloses aufnehmen? Soll aber
etwas in künstlerischem Sinne wertvoll sein, so muß es doch wohl vor
allem einmal selbständig sein, denn nur das Selbständige, das selber
aus dem Leben Gewonnenes bringt zu dem, was schon da ist, bcreichert
wirklich. „Hier stutz' ich schon" — ist Bicrbaums Lprik denn selbst-
ständig? Wenn er braune Müdchenaugen „Sonnen der Liebe" tituliert,
wenn er „rosendüftetrunken" „in der schönsten Brüste Pracht" sinkt,
wenn er sich für die „liebeu Schwestern" als die „reizendsten der
Blumen" begeistert, wenn er den Tag „goldne Specre", die Sonne
den „goldnen Abschiedsgruß" schicken, wenn er Mutter und Tochter
scherzen läßt:

„Du, sag, Mama:

Wozu sind denn wir Mädchen da?

Spricht Mama:

Ei sasa!

Mädchen sind zum Küssen da."

Wcnn er den Sturm Tannen „wie Schilf" knicken lützt, wenn er
die Geliebte als „seiner Seele lebendiges Gedicht", als „seiner Seele
atmende Blumc" feiert u. s. w. u. s. w., ja, so handelt sich's zweifel-
los meist um gute und schöne Dinge von alterprobter Poesie, und man
kann schlechterdings nichts dagegen haben, wenn sich einer ihrer bedient,
um seinen Gefühlen Ausdruck zu geben, — aber gerade selbständig,
eigenartig dürfte ein solches Verfahren kaum genannt werdcn. Ebcnso
wie den Einflüssen traditioneller Poesie unterliegt Bierbaum aber auch
Runstwart

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