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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märheft 1902)
DOI Artikel:
H. H.: Literarische Kritik und literarisches Schaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0555

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Lilsrariseke Rrilik unct lilerÄrisckes 8ckaffsrs.

Es soll keine Kritik aussprechen, wenn ich sage: die jüirgst er-
schienenen Aufsätze über die Frage „Wo stehen wir?", von denen ja
auch der Kunstwart Kenntnis genommen hat, haben auf mich haupt-
sächlich dahin gewirkt, daß sie mich an die durch alle Erfahrungen der
letzten Literaturjahrzehnte nicht gebesserte Unklarheit über den Unter-
schied des literarischen Schaffens, des literarischen Wirkens und der
literarischen Kritik erinncrten. Es trat ein gewisser Neid hinzu, zu sehen,
wie lcicht es diese Dichter hatten — denn als Dichter traten die Verfasser
auf — sich mit einer Gegenwartserscheinung wie der „Ueberbrcttelei"
abzufinden. Gerade zur selben Zeit hatte ich mich, ich darf wohl sagen,
damit abgequält, über einen Teil desselben Stoffes das kritische Wort zu
sinden. Für mich war es deshalb eine Quälerei, weil ich mich bcmühen
zu müssen glaubte, zwei nebeneinander bestehende Wclten vor meinem
kritischen Begreifen in der Form einer kritischen Aeußerung ver-
einigen, ihnen beiden ihr Necht zu teil werden zu lassen. Hätte ich
als Selbstschasfender eine solche Stellungnahme gesucht, ich hätte
mich nicht zu quälen brauchen, denn da hätte meine Sympathie sür
diese oder jene Seite entschieden. Als Kritiker, so schien es mir, mußte
die Welt rechts wie links sür mich zunächst denselben Wert haben als
eine notwendige Wirkung gegebener Ursachen.

-i-

Dic Lcistung der kritischen Arbeit kann nach unendlich vielen Rich-
tungen befruchtend wirken und angewandt werdcn. Die Aufgabe des
kritischen Arbeitcns aber kann nur aus dem kritischen Bcstrcben selbst hervor-
gehen, d. h. sie kann nur auf Mehrung der kritischcn Erkenntnisse gerichtet
sein. Denn wie sollt' es sich hicr anders, als in einer andcrn Wissenschaft
verhalten? Zwar, wir beobachten, daß eine Geistesdisziplin auf dem
Geviete einer anderu Geistesdisziplin mehr, ja sogar sehr viel mehr
Nutzen hervorbringt, als auf ihrem eigenen — eine harmlose Entdeckung
z. B. innerhalü der Phtzsik, wclche die Physik nnr ganz nebensächlich
bercichert, hat ein gigantisches Aufbltthcn in einem Zweige der Jndustrie
zur Folge. Aber cine solche Wirkung bleiüt für den Physiker Zufall,
sie kann nicht Motiv werden für einen, dem es um wissenschaftliche
Erkenntnis innerhalb der Physik zu thun ist. Auch die Arbcit aus
literaturkritischcm Gebiete nun geht hervor aus der menschlichen Neigung,
zu erkennen, nicht etwa aus dcin Bedürfnis, zu schaffen. Sie erstrebt dem-
nach nicht etwa eine Förderung der Literatur, obgleich wir eine solche
Wirkung in Wirklichkeit oft beobachten. Eine andere, diesen Erschei-
nungen zugewendete Erkenntnis hat uns schon gelehrt, daß ein
gegenseitiges Fruchtbarwerden verschiedener Arbeiten und Begriffsgebiete
gerade um so hüufiger und nachhaltiger vorkommt, jemchr auf beiden
Gebieten nur für den Selbstzweck gearbeitet wird.

-i-

Zu dieser begrifflichen Begrcnzung tritt bei jeder kritischen Arbeit
noch eine zweite: Die Begrenzung durch die besonderen Verhültnisse und
Zwecke der einzelnen Arbeit. Jn einigcn unsercr Zeitschriften bahnt
sich da etwas neues an, das freilich bis jetzt noch sehr in den Anfängen
liegt. Es ist eine fortlaufende kritische Verarbeitung gleich-
Klmstwart

S20
 
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