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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Eberlein, Kurt Karl: Peer Gynt: zu Henrik Ibsens 100. Geburtstag
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Bier, Justus: Betrachtungen über die neueste Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0421

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warum — isr es doch voll Musik, voll Sprachc, voll Gesühl. Es trägr das
AnkliH eines Menschen, eines Dichlers, einer Zeik. Es hak eine hohe Slirne
und einen scharsen klagenden Mund, hak bleiche Haare und ein leichkes Ge-
lock, hat cinen Liefen, Lräumenden, aber schauenden Blick. Es isi die GeschichLe
vom verlorenen Sohn, der ein Nvrweger war. Es ist dib GeschichLe vom
irrenden Menschen, der ein Lügner und Verleugner ist. Es ist die Geschichte
vom echten Dichter, der immer um sich sclbst leideL! Da wir kein Theater
haben, weil wir viele Theater haben, also keine Bühne, sondern Bühnen,
isi heuLe der SLreit der TheaLerwagen und Gesänge darum, welches TheaLer
das „BekennLnisLheaLer" sei, und ob nichL jedes BekennLnistheaker politisch
sein müsse. Arme Menschen, denen heute nur Politik BekennLnis, Frage
und AnLworL ist! Wie könnte, wie sollke ein TheaLer, das allen gilt, ein
politisches TheaLer, und das heißL doch cin DiskussionsLheaLer aller ParLeien
oder ein ParLeiLheaLer einer ParLer, sein! Ein politisches Theaker ist nur als
SLaakskheaLer zu denken — dies sreilich ist ein gewichkiges, uraltes Problem.
Ein BekennLnisLheaLer aber (und was isi das TheaLer sonsi, sosern es TheaLer
ist?) isi geisiige Bühne, weil es dem Geisie uud seinen Dieneru gehört, weil
es für alle und keinen, sür keinen und alle wie einsi uud immer dem Leben,
dem Lebendigen, dem LebenswerLen aller Zeiken dient. Für dies TheaLer sind
die DichLungen der großen DichLer, die Spiele und Gleichnisse der schöpferi-
schen Menschen bewahrt. Für diese Bühne isi „Peer Gynt", das Spiel vom
verlorenen Sohn, ein unsierblicher BesiH!

BeLrachtungen über die neueste Malerei

Von Justus Bier

^H^er einige ZährzehnLe zurückdenken kann, wird sich crinnern, aus welche
'^-^heftigcn Widerstände die impressionistische Anschauungssorm beim Pu-
blikum stieß, das an dcn realistisch-zeichnerischen Stil gewohnt war. llnd nach-
dem dcr Impressionismus sich eingebürgert hatke und dic natürliche malerische
Ausdruckssorm geworden war, wiederholte sich das gleiche Schauspicl, als der
Erpressionismus auf den Plan Lrak. Der Erpressionismus ist inzwischen, ähn-
lich wie der Impressionismus, zu einer historischen SLilform gcworden, die
sich allerdings noch immer weiker in die Breite entwickelt, vor allem ün Gebiet
der kirchlichcn Malerei. Er hat daö Abschreckende, das offenbar jeder iiciieii
Kunstform auhafLeL, verloreu, wenn auch — wenigstens bis heute — m'chL in
dem Maß wie der Zmpressionismus. Das hängt offenbar damit zusanmien,
daß der Impressionismus nur eine neue Auffassung der Wirklichkeit als far-
bigcr Erscheinung brachte, während der Expressionisnms den Bildgegensiand
selbsi der Vorstcllung enknahm, ihn seiner Beziehung zur WirklichkeiL viel
weitgehender als der Impressionismus enkkleideL. Die Darstellungsmittel des
Expressionismus waren keine wesenklich neuen, sondcrn dem Impressionismus
cntlehnt, wenn auch in anderem Sinn angewandk. Eine LandschasL von Ko-
koschka oder Munch und eine LandschafL von Lovis Corinth oder selbst von
Liebermann sind nnt den gleichen DarstcllungsmiLLeln ausgebaut, dem Farb-
sleck, der zerlösteu Form, ja selbst bis iu die Naumanschauung hinein vcrwandt,
wenn auch die expressionistischen Malcr die GegensäHe unglcich steigern, die

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