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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Schmarsow, August: Altenburger Galeriestudien
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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0156

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271

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

nimmt das kleine Predellenstück in Alten-
burg entschieden Partei. Es vermeidet die
ausladende Körperbewegung absichtlich. Man
lege nur einmal daneben eine Verkündigung
von Don Lorenzo Monaco oder von Ghiberti.
Seine beiden Figuren sind isolierte Körper im
Raum; sie gewinnen ihre Beziehung fast nur
dadurch, daß sie aufeinander gerichtet sind.
Auch bei dem knieenden Himmelsboten in
Proskynese keine Gestikulation, die über das
eigene Raumvolumen hinausreicht; die Arme
verschlungen, wie zu bewußtem Ausschluß
solcher Anwandlungen ; das flatternde Schrift-
band ist nur ein rückständiges Zeichen, das
für die fehlende Gebärdensprache eintreten
mag, wo ein Laienauge zweifelt, aber an sich
nicht mehr als ein wehender Gewandzipfel,
ein dekorativer Schnörkel nebenbei. Auch
bei Maria beide Arme hineingenommen in
den Gesamtumriß, beide Hände ruhig ge-
halten, festgelegt, wie mit Absicht im Gegen-
satz zur gotischen Pantomime, — im ruhigen
Sitzen keine ausstrahlende Erregung ange-
deutet, nicht einmal eine Reflexbewegung in
den Beinen, die dort so gern ins Profil
drängen. Welch ein Abstand von der Ver-

kündigung des Simone Martini von Siena oder
der Maestä des Lippo Memmi, denen diese
Gottesmagd sonst gar nicht so fernsteht in
ihren bleibenden Zügen. Wir sehen, was
dieser Anhänger einer neuen Richtung nicht
will, und erkennen danach, was er sucht:
geschlossene Körperlichkeit zur Selbstbehaup-
tung im Raum. Aber gelingt es nicht auch
so, das gespannte Innenleben zu versinnlichen?
Vor der ernsten Bewohnerin des ärmlichen
Söllers, wo sie von aller Welt abgeschieden
ist, kniet ein geflügelter Bote wie ein unter-
würfiger Sklave vor der Herrin, als ob sie
ihm gebiete. Und sie empfängt seine Bot-
schaft fast so ruhig und selbstgewiß wie eine
Königin: nur die Hand auf dem Busen kann
die Antwort bedeuten, die wir nicht lesen:
Ecce ancilla Domini.

Nach alledem vermögen wir dies Pre-
dellenstück eines Altarwerkes aus den ersten
Jahrzehnten des XV. Jahrh. nur der ftoren-
tinischen Schule zurückzugeben und einen mit-
strebenden, vielleicht etwas älteren Gesin-
nungsgenossen des Masaccio und Filippo di
Ser Brunellesco als Urheber zu erkennen.

Leipzig. August Schmarsow.

Abendländische Einflüsse
in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina.

(Mit 16 Abbildungen.)

Die durch wissenschaftliche Studien be-
gründete perspektivische Behandlung des
architektonischen Hintergrundes und der
Landschaft ist dem frommen Klostermaler
fremd geblieben. Behält der Maler einfach
den überlieferten dunkelblauen Hintergrund
für die einzeln stehenden Figuren, oder läßt
er eine Handlung sich vor einer flachen, nur
oben gegliederten oder sonst in irgendeiner
Weise belebten Mauer abspielen, so erzielt
er damit die bestmögliche Wirkung des Dar-
gestellten. Es handelt sich ja hauptsächlich
nur um die bildliche Wiedergabe einer epischen
Erzählung, wo der Nachdruck auf die Haupt-
personen gelegt ist, und wo das Mienenspiel
und die Augensprache allein, weniger die
Stellung und Bewegung von Figuren, ausge-
nutzt werden, um dem Beschauer den Inhalt
des Bildes in genügender Klarheit zu veran-
schaulichen. Wendet sich der Maler aber
einer Landschaft oder einer Architektur zu

III. (Schluss.)

Änderungen in der Formengebung.

agt es sich nun, inwiefern der
abendländische Einfluß die tech-
nisch-formale Seite der Bukowiner
Wandmalereien berührt hat, so
muß man von vornherein bestreiten, daß etwa
die Einwirkung der abendländischen Kunst
in dieser Hinsicht eine völlig durchgreifende
gewesen wäre. Auf der anderen Seite aber
werden wir bald sehen, daß in die Reihe von
Neuerungen, die sich im Bereiche der tra-
ditionellen Kompositionsformen bemerkbar
machen, doch ein guter Teil aus der Kunst
des europäischen Westens herübergekommen
ist. Diesen Strömungen hat die byzantinische
Kunst der Neuzeit es zu danken, daß inmitten
ihrer allmählichen Ausartung ein Zufluß wohl-
tätiger Frische gekommen ist und damit eine
neue Grundlage zur Neubelebung des sin-
kenden Formensinnes gegeben wurde.
 
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