Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Keller, Erwin [Oth.]
Kulturgeschichtlicher Führer durch die Jubiläumsausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, Festung Marienberg, vom 11. Juni bis 6. November 1983 — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 17: München: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, 1983

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74348#0058

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Vitrine 9
Der Goldkegel von Ezelsdorf-Buch,
Lkr. Nürnberger Land (um 1000 v. Chr.)

Der Goldkegel von Ezelsdorf-Buch (Abb. 61) gilt als der
prächtigste Vertreter einer kleinen Gruppe alteuropäischer
Funde, die insgesamt nur drei Stücke umfaßt. Material,
Form und Verzierung weisen den Goldkegeln eine nicht all-
tägliche Stellung zu. Ihr Zweck kann aus Mangel an Beifun-
den nicht direkt erschlossen werden. Der papierdünne
Hohlkörper von Ezelsdorf-Buch, der ohne stützenden Kern
nicht auskommt, scheint keine praktische Funktion gehabt
zu haben. Aus der abgestuften Kegelform sowie dem Ab-
lauf der Ornamentzonen geht hervor, daß der Kegel auf-
recht als Bekrönung einem Pfahl oder sonstigem säulenar-
tigen Träger übergestülpt war. Material und Ornamentik
bringen den Goldkegel zwangsläufig in Zusammenhang mit
einem Sonnenkult. Neben den Ring-, Kreis- und Scheiben-
motiven zeigen dies besonders deutlich zwei Zonen mit mi-
niaturhaften Goldkegeln zwischen Sonnenscheiben. Wo
und in welchem Rahmen diese „Sonnenkultsäulen" aufge-
stellt waren, bleibt indes umstritten. Nach spärlichen iko-
nographischen Belegen und allgemeinen religionsge-
schichtlichen Hinweisen ist sowohl an eine feste Aufstel-
lung in einem Heiligtum als auch an eine Verwendung auf
einem Kultwagen zu denken, der bei besonderen Anlässen
wohl in feierlicher Prozession benutzt wurde. Was zur Ver-
bergung des Ezelsdorfer Kegels im Boden geführt hat, läßt
sich heute nicht mehr restlos feststellen. Kriegswirren kom-
men ebenso in Frage wie rituelle Deponierung. (wi)

Vitrine 10
Keramik der frühen und späten Bronzezeit
(1 800-1 200 v. Chr.)

Während in der Jungsteinzeit die Tonware für den Archäolo-
gen praktisch das einzige Datierungskriterium ist, tritt sie
in der Bronzezeit gegenüber Metallgegenständen stark zu-
rück. Trotzdem zeigt auch die Keramik gerade in den Über-
gangsphasen Verzahnungen mit den vorausgehenden und
nachfolgenden Epochen.
Noch stark an Formen der Glockenbecherkultur erinnern
sechs einhenklige Tassen der frühen Bronzezeit von Alt-
dorf, Lkr. Landshut (Abb. 19), die ohne Töpferscheibe herge-
stellt und dennoch von bemerkenswerter Qualität sind. Sie
bestehen aus dünnem, sorgfältig poliertem Ton von hell-bis
dunkelbrauner Farbe. Übereinstimmende Gefäßformen und
identische Ornamente erwecken den Eindruck eines „Trink-
services". Bei den waagrechten Ritzlinienbündeln auf den
Gefäßen handelt es sich zwar um sehr schlichte, aber für
diese Zeit typische Verzierungen. Die Tassen stammen aus
drei verschiedenen Erdkellern in zwei verschiedenen Sied-
lungen. In dieser topographischen Verteilung liegt die be-
sondere Aussagekraft des Ensembles: Sie bezeugt die ab-
solute Gleichartigkeit der Siedlungsplätze, weil beide Orte
nur 300 m voneinander entfernt liegen und beide nur einen
sehr geringen Umfang hatten. In ihnen kommt das Neben-
einander kleiner politischer Einheiten etwa von der Größe
eines Familienverbandes zum Ausdruck.
Vom anderen Ende der bronzezeitlichen Zeitskala stammt
ein Gefäß von Aschaffenburg-Strietwald (Abb. 20), das mit
seinem Stempeldekor und hängenden Dreiecken noch den
für die Bronzezeit charakteristischen Dekor zeigt. Die Zuge-
hörigkeit zu einer Brandbestattung in einem Urnengräber-
feld deutet jedoch an, daß es altersmäßig am Übergang zur
Urnenfelderzeit steht. Gräber, die in den Inventaren wie im
Totenbrauchtum alte und neue Elemente vereinigen, bele-
gen somit, daß sich Veränderungen kultureller Art auch oh-
ne politische Einwirkung vollzogen haben können. (wi)


19 Altdorf, Lkr. Landshut. Tontassen aus Siedlungen der frühen Bronzezeit. Die größte Tasse ist 17 cm hoch.

54
 
Annotationen