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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Keller, Erwin [Bearb.]
Kulturgeschichtlicher Führer durch die Jubiläumsausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, Festung Marienberg, vom 11. Juni bis 6. November 1983 — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 17: München: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, 1983

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74348#0089

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Vitrine 23
Beigaben aus römischen Brandgräbern Schwabens
(1.-2. Jahrhundert n. Chr.)
Das römische Gräberfeld auf der Keckwiese in Kempten
Anstelle eines erhofften archäologischen Nachweises für
das von Strabo bezeugte Oppidum der Estionen erbrachten
1952 die vom Bayer. Landesamt für Denkmalpflege im Be-
reich der Keckwiese in Kempten durchgeführten Ausgra-
bungen einige römische Brand- und Körpergräber. Nach
weiteren Testgrabungen (1956) wurde 1960 bis 1966 ein ca.
7000 qm großes Gelände systematisch untersucht.
Bei der Nekropole handelt es sich bislang um das einzig be-
kannte Gräberfeld der Zivilstadt Gambodunum auf dem öst-
lichen Illerhochufer, dem sog. Lindenberg (Abb. 44). Nach
Ausweis von mittelitalischer Terra Sigillata und anderer
chronologisch aussagefähiger Kleinfunde wie Münzen und
Feinkeramik wurde diese Siedlung etwa im 2. Jahrzehnt n.
Chr. als Vorort der nach römischem Recht peregrinen Givi-
tas der Estionen gegründet. Von Anfang an diente sie nach
mediterranem Vorbild als städtischer Mittelpunkt mit qua-
simunizipaler Verwaltung.
Von den 411 außerhalb des Siedlungsbereichs von Gambo-
dunum auf der Keckwiese ausgegrabenen Gräbern gehören
373 dem 1. Jahrhundert und 38 Körpergräber einer Wieder-
benutzung des Areals als Nekropole während des 4. Jahr-
hunderts an. Die Belegung beginnt um 15/20 n. Chr. an ver-
schiedenen Stellen des Friedhofs zu beiden Seiten der
nach Augusta Vindelicum (Augsburg) führenden römischen
Fernstraße und endet etwa in den 80er Jahren des 1. Jahr-
hunderts. Während des späten 1. bis gegen Mitte des 3.
Jahrhunderts bestattete man entweder weiter nördlich von
der Keckwiese oder aber an anderen, uns noch unbekann-
ten, vielleicht östlich von der Zivilstadt gelegenen Plätzen.
In der Regel verbrannte man in den Nordwestprovinzen des
Imperium Romanum und damit auch in Cambodunum im 1.
Jahrhundert n. Chr. die Toten in ihrer Tracht auf dem Schei-
terhaufen und barg den ausgelesenen Leichenbrand in ei-
ner Urne oder legte alle Rückstände der Verbrennung in der
Grabgrube nieder. Nur bei den allzu früh verstorbenen Neu-
geborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von sechs Mo-
naten, also vor der ersten Auszahnung, zog man — entspre-
chend einem Hinweis bei Plinius in der naturalis historia —
die Körperbestattung vor, die aber auch bei einigen weni-
gen, offenbar am Rand oder außerhalb der cambodunesi-
schen Gesellschaft stehenden Erwachsenen zu beobach-
ten war. Unterschiedlichste Beigaben wie Trink- und Spei-
segeschirr (Abb. 67) mit den dazugehörigen Teilen von
Schwein und Huhn u. a., Vorratsgefäße, Toilettegerät wie
Spiegel und wohlriechende Öle in Balsamarien, Schmuck-
und Trachtbestandteile, aber auch apotropäische Amulette
sollten für das Wohlergehen der Toten im Jenseits sorgen.
Lampen dienten dort als Lichtträger; für die Reise ins Jen-
seits legte man häufig einzelne Münzen als Bezahlung
(Obolus) für den Fährmann bei. Die Beigabenausstattung
alleine — also ohne inschriftliche Zeugnisse auf Grabstei-
nen, die im Gräberfeld auf der Keckwiese in Kempten nicht
nachweisbar waren — erlauben keine Rückschlüsse auf
die gesellschaftliche Stellung der Verstorbenen oder ihrer

Familien; bestenfalls setzen reiche Beigabenensembles ge-
wisse wirtschaftliche Möglichkeiten voraus.
Kleinere Areale innerhalb des Friedhofs auf der Keckwiese
kennzeichnete man besonders durch rechteckige, quadrati-
sche oder runde Einfriedungsgräben oder -mauern. Teilwei-
se nur mit einer Bestattung, häufiger aber mit mehreren
Gräbern von Personen beiderlei Geschlechts und verschie-
dener Altersgruppen sowie von Kindern belegt, weisen die-
se Grabgruppen auf familienweise Bestattung oder viel-
leicht auch auf andere soziale Verbände wie etwa Bestat-
tungsvereine (collegia funeratica) hin. Die Nekropole gibt
uns also über die Jenseitsvorstellungen der Bevölkerung
von Gambodunum und ebenso über deren Zusammenset-
zung und Herkunft im 1. Jahrhundert n. Chr. Aufschluß.
Feststellbar ist, daß bereits die erste zugezogene Siedlerge-
neration stark romanisiert war, sich hingegen kein einhei-
misch-vindelikisches Bevölkerungselement sicher nach-
weisen ließ. (ma)
Grabfunde aus der Westnekropole
von Guntia — Günzburg, Schwaben
Im Zuge einer Trassenerweiterung der Bundesstraße 10 am
westlichen Ortsausgang der Römerstadt von Günzburg
wurden in den Jahren 1977-1982 950 römische Brand- und
Körperbestattungen des 1.-4. nachchristlichen Jahrhun-
derts ausgegraben. Zusammen mit weiteren 268 Gräbern,
die seit der Entdeckung des Bestattungsplatzes am Ende
des vergangenen Jahrhunderts geborgen werden konnten,
gehört die Günzburger Nekropole nunmehr zu den größten,
modern ausgegrabenen Friedhöfen in der römischen Welt
und erschließt damit zugleich eine in ihrem wissenschaftli-
chen Wert kaum abschätzbare Quelle zum zeitgenössi-
schen Totenbrauchtum in den Provinzen.
Die Bestattungssitten und die Ausrüstung des Toten mit
Tracht, Hab und Gut dokumentieren nicht nur die lebhafte
Gewißheit von einem Weiterleben im Jenseits; seine Aus-
stattung beweist uns auch, daß es zur vornehmsten Pflicht
der Anverwandten gehörte, seinen Übergang in die Toten-
welt und seinen Umzug in die neue Wohnstatt zu erleich-
tern und durch die Beigabe von Tafelgeschirren, Trinkservi-
cen, Trank und Speise auch für das leibliche Wohlergehen
zu sorgen. Soziale Statussymbole wie Schreibgerät und
Siegelringe sollten auch im Totenreich seinen Rangan-
spruch verdeutlichen. (cz)
Römischer Bestattungsplatz von Oberpeiching,
Stadt Rain, Lkr. Donau-Ries, Schwaben
Hart am Steilabstieg der römischen Donau-Süd-Straße zum
Lech und unmittelbar gegenüber dem frührömischen Ka-
stell Burghöfe liegt eine Brückenkopfstation, die den kriti-
schen Flußübergang überwachte und für eine reibungslose
Passage des Verkehrs zu sorgen hatte. Seit Jahren war der
zugehörige Bestattungsplatz vom Tiefpflug bedroht, so daß
systematische Rettungsgrabungen der sicheren Zerstö-
rung zuvorkommen mußten. Seit 1977 wurden 123 Brand-
und Körperbestattungen des späten 1.-3. Jahrhunderts,
Kreisgräben und Grabgärten untersucht; sie bereichern in

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