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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Keller, Erwin [Bearb.]
Kulturgeschichtlicher Führer durch die Jubiläumsausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, Festung Marienberg, vom 11. Juni bis 6. November 1983 — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 17: München: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.74348#0047

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randtöpfe. Daneben sind noch verschiedene Schüsselfor-
men, zweihenkelige Flaschen und Henkelkrüge kennzeich-
nend.
Das Endneolithikum ist durch ein zeitliches und räumliches
Nebeneinander verschiedenster Kulturen charakterisiert.
Auf der einen Seite gibt es keramische Formenkreise, die
ausschließlich in Siedlungen gefunden werden — für Unter-
franken sei hier die Station Burgerroth genannt, für Südost-
bayern die Chamer Gruppe — auf der anderen Seite kennt
man Gefäßtypen, die vor allem in Gräbern vorkommen. Die-
se vorwiegend anhand von Grabfunden definierten Kultur-
gruppen werden unter dem Oberbegriff Becherkulturen (Vi-
trine 5) zusammengefaßt.
Die endneolithischen, nur aus Siedlungen bekannten Grup-
pen gehen auf eine dem südlichen Mitteleuropa gemein-
same Kulturströmung zurück, wobei jede Gruppe lokale Be-
sonderheiten aufweist, die auf den Einflüssen der umlie-
genden Kulturerscheinungen beruhen. So sind z. B. in Un-
terfranken Elemente der mitteldeutschen Bernburger Kultur
und der hessischen Wartberg-Gruppe zu finden.
In der südostbayerischen Chamer Gruppe dagegen spie-
geln sich Einflüsse zeitgleicher böhmischer, mährischer
und anderer, südöstlicher Kulturen wider. Die Chamer
Gruppe ist nicht nur in Südostbayern beheimatet, sondern
tritt auch in Böhmen und in Niederösterreich auf. Typisch
ist die Magerung des Tones mit sehr groben Bestandteilen.
Die Chamer Gruppe läßt sich in eine ältere und eine jüngere
Stufe, z. B. die Facies Riekofen, unterteilen. In dieser jünge-
ren Stufe werden Anklänge an die Becherkulturen spürbar.
(en)
Vitrine 3
Zeugnisse des Kult- und Totenbrauches der Jungsteinzeit
(6.-3. Jahrtausend v. Chr.)
Der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tode und die da-
mit verbundenen Ausstattungen der Toten mit Gegenstän-
den, die für das Jenseits benötigt werden, sind seit der Zeit
des Neanderthalers nachgewiesen. Regelhafte Bestattun-
gen auf Friedhöfen treten allerdings erst im Neolithikum
auf. Die ersten Bauern in Süddeutschland, die aus dem
Donauraum stammenden Bandkeramiker, begruben ihre
Verstorbenen in „Hock"- oder Schlafstellung in der Regel in
ostwestlich ausgerichteten Grabgruben. Typische Beiga-
ben in Männergräbern sind Felssteingeräte (Schuhleisten-
keile und Flachhacken) sowie Schmuck- und Trachtzube-
hör, der bevorzugt aus der im östlichen Mittelmeer und im
Schwarzen Meer vorkommenden Spondylusmuschel gefer-
tigt wurde. Bei Frauen zeigt sich kunstvoll in das Haar ein-
geflochtener Schmuck aus Donauschnecken (Abb. 10). Zur
Ausstattung von Männern und Frauen gehören sog.
Schminkservices sowie Gefäße und Fleischbeigaben. Sehr
selten sind in Süddeutschland bildlich-plastische Darstel-
lungen der Bandkeramik, wie die hier ausgestellte von Gau-
königshofen, Lkr. Würzburg, Unterfranken (Abb. 11). Das of-
fenbar eine Frauengestalt darstellende Bildwerk ist der bis-
her älteste Beleg jenes kanonartig festgelegten, weit ver-
breiteten, bisher nur in ganz wenigen Exemplaren belegten
Idoltyps im gesamten westlichen Verbreitungsgebiet der
Linearbandkeramik und beinhaltet die gleichen gedankli-
chen Zusammenhänge wie ein thronendes, gefäßhaltendes

Figurengefäß von Erfurt und eine kleine Gruppe figürlich
gestalteter Gefäße mit Sekundärgefäß aus Mähren, Hessen
und Franken. Letztere dienten wohl als Libationsgefäße zur
Aufnahme von Trankspenden bzw. Wasser beim Vollzug re-
ligiöser Riten und dürften mit Wasser gefüllt als Symbol
des lebenspendenden Regens und der Fruchtbarkeit gegol-
ten haben.
Mit Ende der bandkeramischen Epoche scheint auch die re-
gelhafte Bestattung abzubrechen. Die Gründe dafür sind
unbekannt. Mittelneolithische Gräber wie das der sog.
Oberlauterbacher Gruppe von Straßkirchen-Irlbach, Lkr.
Straubing-Boden, und der Münchshöfener Kultur von Alt-
dorf-Aich, Lkr. Landshut, sind äußerst selten und treten im
allgemeinen nur vereinzelt auf. Erst jüngste Ausgrabungen
in Heimbuch, Gde. Mötzing, Lkr. Regensburg, haben ein
komplettes Gräberfeld der mittleren Jungsteinzeit erbracht.
Einen anderen Aspekt des Totenbrauchtums repräsentiert
eine Gruppe von Bodendenkmälern, deren bekannteste die
Jungfernhöhle von Tiefenellern bei Bamberg ist. Die 1952
durchgeführten Ausgrabungen erbrachten neben jüngeren
Funden in großer Zahl menschliche und tierische Skelett-
teile sowie neolithische Sachgüter, insbesondere von Ge-
fäßresten der jüngeren Linearbandkeramik. Die Beschaf-
fenheit des Fundplatzes (Schachthöhle), die Fundumstän-
de und -kombinationen sowie Beobachtungen an den ge-
borgenen Materialien lassen indes weder an einen Sied-
lungsplatz mit den üblichen Abfällen noch an zerstörte Grä-


10 Aiterhofen-Ödmühle, Lkr. Straubing-Bogen. Linear-
bandkeramisches Frauengrab mit reichem Mu-
schelschmuck an Kopf, Hals und Hüfte. Altneolithi-
kum.

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