Vitrine 27
Spätrömische Grabfunde aus Niederbayern
Im Rahmen der Erweiterung des St.-Elisabeth-Kranken-
hauses in Straubing war eine Verlegung der Zufahrt in die
südlich an das Krankenhaus anschließenden Gartenanla-
gen geplant. Da in diesem Bereich schon 1977, anläßlich
der Vergrößerung des Hubschrauberlandeplatzes, Teile des
mittelkaiserzeitlichen Lagerdorfes von Sorviodurum ergra-
ben wurden, sollte durch die Grabungen 1981 die westliche
Fortsetzung der damals entdeckten Bebauungsspuren un-
tersucht werden. In der rund 1500 qm großen Fläche gelang
die Freilegung zahlreicher Gruben sowie einiger Keller, die
südlich eines bereits 1977 entdeckten Straßenzuges ange-
legt waren. Die geborgenen Kleinfunde zeigen, daß dieser
Teil des Lagerdorfes in domitianisch-traianischer Zeit be-
wohnt war. In dem aufgelassenen Siedlungsareal wurde in
spätrömischer Zeit ein ausgedehnter Friedhof angelegt, der
durch einen glücklichen Zufall fast vollständig freigelegt
werden konnte. Die oft in die mittelkaiserzeitlichen Gruben
eingetieften Gräber waren nur partiell durch die Kiesschüt-
tung der alten Azlburger Straße, die Mauerzüge eines nur
teilweise unterkellerten neuzeitlichen Gebäudes und meh-
rere rezente Öfen gestört.
Die Ost-West-Ausdehnung des Gräberfeldes konnte in der
Fläche mit 36 m ermittelt werden, wobei die Friedhofgrenze
nur im Westen erreicht wurde. Im Süden war sie durch die
moderne Bebauung nicht mehr zu ermitteln, während im
Osten der Hubschrauberlandeplatz eine Untersuchung ver-
bot. Da die Entfernung der Grabungsfläche von 1981 zu den
Suchschnitten des Jahres 1977 — in denen keine Bestat-
tungen angetroffen wurden — äußerst gering ist, darf auch
die Ostausdehnung als weitgehend geklärt gelten. Das
nördliche Ende des Gräberfeldes liegt noch im Kranken-
hausgarten und soll in den nächsten Jahren untersucht
werden. Insgesamt konnten bisher 108 Bestattungen in 105
Gräbern freigelegt werden. Als seltene Ausnahme fand sich
im Südosten des Friedhofareals ein Brandgrab, während
bei den restlichen 104 Gräbern die Verstorbenen in ge-
streckter Rückenlage in teils genagelten Holzsärgen beige-
setzt waren. Die Orientierung der unterschiedlich tief aus-
gehobenen Gräber schwankte, doch ließ sich ein deutli-
ches Übergewicht der West-Ost-Bestattungen feststellen.
Auffallend ist die Beigabenarmut der Straubinger Gräber.
Lediglich rund 25 Prozent der Toten hatte man Tracht- und
Schmuckgegenstände sowie Bronze-, Ton- oder Glasgefäße
mitgegeben (Abb. 51 und 52). Die geborgenen Beigaben
dokumentieren, daß die Bevölkerung durchaus noch Zu-
gang zum überregionalen Markt besaß. Vom Fundstoff her
können 12 Bestattungen als Frauengräber und fünf Bestat-
tungen als Männergräber angesprochen werden. Die Bele-
gung des Friedhofes setzt an der Wende vom 3. zum 4. Jahr-
hundert n. Chr. ein, wobei Grab 14 mit einer um die Jahre
290 bis 320 gebräuchlichen Zwiebelknopffibel den Beginn
markiert. Die Auflassung des Gräberfeldes erfolgt am An-
fang des 5. Jahrhunderts n. Chr., wie eine Schale vom Typ
Friedenhain aus Grab 60 (Abb. 52) zeigt.
Neben privinzialrömischen Erzeugnissen läßt sich im Fund-
material auch eine deutliche germanische Komponente ab-
lesen. Der eiserne Feuerstahl mit Ringöse aus Grab 14 legt
den Schluß nahe, daß an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhun-
51 Straubing-Azlburg. Rekonstruktionsskizze des spätrö-
mischen Militärgürtels aus Grab 79. Maßstab 1:5.
52 Straubing-Azlburg. Germanisches Tontöpfchen vom
Typ Friedenhain aus Grab 60 des spätrömischen Grä-
berfeldes. Maßstab 1:2.
dert n. Chr. das auf dem nahen Kirchhügel von St. Peter ge-
legene Kastell, zu dem das Gräberfeld gehört, mit Truppen-
teilen elbgermanischer Herkunft besetzt war. Am Anfang
des 5. Jahrhunderts n. Chr. wurde das Kastell erneut von
Germanen gehalten. Ihre Herkunft verrät die Schale vom
Typ Friedenhain aus Grab 60. Sie weist in den böhmischen
Raum. (pr)
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Spätrömische Grabfunde aus Niederbayern
Im Rahmen der Erweiterung des St.-Elisabeth-Kranken-
hauses in Straubing war eine Verlegung der Zufahrt in die
südlich an das Krankenhaus anschließenden Gartenanla-
gen geplant. Da in diesem Bereich schon 1977, anläßlich
der Vergrößerung des Hubschrauberlandeplatzes, Teile des
mittelkaiserzeitlichen Lagerdorfes von Sorviodurum ergra-
ben wurden, sollte durch die Grabungen 1981 die westliche
Fortsetzung der damals entdeckten Bebauungsspuren un-
tersucht werden. In der rund 1500 qm großen Fläche gelang
die Freilegung zahlreicher Gruben sowie einiger Keller, die
südlich eines bereits 1977 entdeckten Straßenzuges ange-
legt waren. Die geborgenen Kleinfunde zeigen, daß dieser
Teil des Lagerdorfes in domitianisch-traianischer Zeit be-
wohnt war. In dem aufgelassenen Siedlungsareal wurde in
spätrömischer Zeit ein ausgedehnter Friedhof angelegt, der
durch einen glücklichen Zufall fast vollständig freigelegt
werden konnte. Die oft in die mittelkaiserzeitlichen Gruben
eingetieften Gräber waren nur partiell durch die Kiesschüt-
tung der alten Azlburger Straße, die Mauerzüge eines nur
teilweise unterkellerten neuzeitlichen Gebäudes und meh-
rere rezente Öfen gestört.
Die Ost-West-Ausdehnung des Gräberfeldes konnte in der
Fläche mit 36 m ermittelt werden, wobei die Friedhofgrenze
nur im Westen erreicht wurde. Im Süden war sie durch die
moderne Bebauung nicht mehr zu ermitteln, während im
Osten der Hubschrauberlandeplatz eine Untersuchung ver-
bot. Da die Entfernung der Grabungsfläche von 1981 zu den
Suchschnitten des Jahres 1977 — in denen keine Bestat-
tungen angetroffen wurden — äußerst gering ist, darf auch
die Ostausdehnung als weitgehend geklärt gelten. Das
nördliche Ende des Gräberfeldes liegt noch im Kranken-
hausgarten und soll in den nächsten Jahren untersucht
werden. Insgesamt konnten bisher 108 Bestattungen in 105
Gräbern freigelegt werden. Als seltene Ausnahme fand sich
im Südosten des Friedhofareals ein Brandgrab, während
bei den restlichen 104 Gräbern die Verstorbenen in ge-
streckter Rückenlage in teils genagelten Holzsärgen beige-
setzt waren. Die Orientierung der unterschiedlich tief aus-
gehobenen Gräber schwankte, doch ließ sich ein deutli-
ches Übergewicht der West-Ost-Bestattungen feststellen.
Auffallend ist die Beigabenarmut der Straubinger Gräber.
Lediglich rund 25 Prozent der Toten hatte man Tracht- und
Schmuckgegenstände sowie Bronze-, Ton- oder Glasgefäße
mitgegeben (Abb. 51 und 52). Die geborgenen Beigaben
dokumentieren, daß die Bevölkerung durchaus noch Zu-
gang zum überregionalen Markt besaß. Vom Fundstoff her
können 12 Bestattungen als Frauengräber und fünf Bestat-
tungen als Männergräber angesprochen werden. Die Bele-
gung des Friedhofes setzt an der Wende vom 3. zum 4. Jahr-
hundert n. Chr. ein, wobei Grab 14 mit einer um die Jahre
290 bis 320 gebräuchlichen Zwiebelknopffibel den Beginn
markiert. Die Auflassung des Gräberfeldes erfolgt am An-
fang des 5. Jahrhunderts n. Chr., wie eine Schale vom Typ
Friedenhain aus Grab 60 (Abb. 52) zeigt.
Neben privinzialrömischen Erzeugnissen läßt sich im Fund-
material auch eine deutliche germanische Komponente ab-
lesen. Der eiserne Feuerstahl mit Ringöse aus Grab 14 legt
den Schluß nahe, daß an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhun-
51 Straubing-Azlburg. Rekonstruktionsskizze des spätrö-
mischen Militärgürtels aus Grab 79. Maßstab 1:5.
52 Straubing-Azlburg. Germanisches Tontöpfchen vom
Typ Friedenhain aus Grab 60 des spätrömischen Grä-
berfeldes. Maßstab 1:2.
dert n. Chr. das auf dem nahen Kirchhügel von St. Peter ge-
legene Kastell, zu dem das Gräberfeld gehört, mit Truppen-
teilen elbgermanischer Herkunft besetzt war. Am Anfang
des 5. Jahrhunderts n. Chr. wurde das Kastell erneut von
Germanen gehalten. Ihre Herkunft verrät die Schale vom
Typ Friedenhain aus Grab 60. Sie weist in den böhmischen
Raum. (pr)
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