Vitrine 31
Der Silberbecher von Pettstadt
Bei dem silbernen Becher handelt es sich um einen Fluß-
fund, der vor 1928 aus der Regnitz bei Pettstadt, Lkr. Bam-
berg, gebaggert wurde. Der Pettstadter Becher gehört zu ei-
ner kontinentalen Gruppe von Metallarbeiten, die im insula-
ren Stil verziert sind. Er dürfte in der zweiten Hälfte des 8.
Jahrhunderts auf dem Kontinent entstanden sein, und zwar
im rechtsrheinischen, von der insularen (angelsächsisch-iri-
schen) Mission erfaßten Gebiet, da dort fast alle Gegen-
stände dieser Art gefunden wurden. Der rundliche Becher
besitzt eine Verzierung aus vier senkrechten Streifen, die
oben — an der Mündung — durch ein horizontales Band
miteinander verbunden sind und am Boden in einen ringför-
migen Streifen auslaufen. Alle Partien zwischen diesen
Streifen sind unverziert. Die Innenseite der Wandung und
die kerbschnittartig hergestellten Ornamentstreifen lassen
Spuren von Vergoldung erkennen.
Das Ornament auf den Streifen besteht aus einer Vermi-
schung von Tiergestalten und Bandwerk, ohne daß es im-
mer möglich wäre, zwischen Tierfigur und sich verzweigen-
den Bändern eine klare Trennung zu ziehen. Gleichwohl un-
terliegt es keinem Zweifel, daß das Ornament zum insula-
ren Kunstkreis gehört (vgl. hierzu die zweifarbige Interpreta-
tion des Bodenornaments am Vitrinenboden!). Als nächste
Parallele zum Pettstadter Becher ist der auf der kleinen dä-
nischen Insel Fejö gefundene Silberbecher (Nationalmu-
seum Kopenhagen) zu nennen, der dem Pettstadter Becher
in Form und Maßen genau entspricht, durch seine reichere
Verzierung jedoch den Charakter des Ornaments aus Tierfi-
guren und Bandwerk deutlicher hervortreten läßt (Abb. 76).
(wa)
Vitrine 32
Fibelschmuck der Merowingerzeit
Zu den wichtigsten Bestandteilen der alamannischen, bay-
erischen und fränkischen Frauentracht gehörten vom 5. bis
7. Jahrhundert die Fibeln, die einerseits als Gewandver-
schlüsse, andererseits als Amuletträger dienten. Darüber
hinaus zeigt der unterschiedliche Wert des verwendeten
Materials eine soziale Differenzierung innerhalb der Gruppe
derjenigen an, die sie trugen. Als modeempfindlicher
Schmuck unterlagen die Fibeln einem raschen Formen-
wandel und bilden deshalb im Chronologiesystem der Me-
rowingerzeit Leitfunde erster Ordnung. Da sie in Modeln ge-
gossen wurden, bot sich den Herstellern eine reiche Palette
individueller Gestaltungsmöglichkeiten, so daß sich an-
hand von Ornamenten Werkstättenkreise abgrenzen und
Absatzgebiete festlegen lassen. Wegen der überregionalen
Streuung bieten die geläufigen Fibeltypen allerdings nur
wenig Spielraum für ethnische Deutungen im Sinne von
alamannisch, bayerisch (Abb. 77) oder fränkisch (Abb. 78).
Anders verhält es sich mit den in Thüringen sowie in den
Ostgoten- und Langobardenreichen Italiens getragenen Ge-
wandspangen, die hierzulande fremd wirken und somit den
Schluß auf Einheirat einzelner Frauen oder auf Bevölke-
rungszuzüge aus den beteffenden Gebieten erlauben.
Kleine Kollektionen thüringischer (Nr. 9-14), ostgotischer
(Nr. 15-32) und langobardischer Bügelfibeln (Nr. 78-81) ver-
deutlichen die Unterschiede zu den einheimischen Erzeug-
nissen. Um solche handelt es sich bei den Miniaturbügelfi-
beln aus der Mitte und zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts
(Nr. 1-8). Auf sie folgen in der ersten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts Bügelfibeln mit halbrunder Kopfplatte und gleichbrei-
tem Fuß (Nr. 25-39) sowie die altersmäßig entsprechenden
Vogelfibeln (Nr. 40-53), ferner die etwas langlebigeren S-
Fibeln (Nr. 85-95) und Scheibenfibeln (Nr. 98-118), von de-
nen die letzteren im 7. Jahrhundert allein das Feld beherr-
schen. Zahlreiche Neufunde der letzten Jahre beweisen,
daß sich in der Mitte und zweiten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts auch Bügelfibeln vom sogenannten nordischen Typ
hierzulande einer weit größeren Beliebtheit erfreuten, als
man bisher annahm (Nr. 54-77).
Glanzstücke frühmittelalterlicher Handwerkskunst bilden
zweifellos zwei Fischfibeln mit polychromem Zellenwerk,
die zum Schönsten und Kostbarsten der Ausstellung gehö-
ren (Nr. 96-97).
Zwei Schaubilder veranschaulichen die Fibeltracht im Wan-
del der Zeiten: Vom Ende des 5. bis in die zweite Hälfte des
6. Jahrhunderts wurden im Bereich von Hals und rechter
Schulter zwei Kleinfibeln sowie in Beckenhöhe zwei große
Bügelfibeln getragen, an denen Amulette hingen (links). Im
7. Jahrhundert setzte sich unter mediterranem Einfluß die
Einfibeltracht durch (rechts). (ke)
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Der Silberbecher von Pettstadt
Bei dem silbernen Becher handelt es sich um einen Fluß-
fund, der vor 1928 aus der Regnitz bei Pettstadt, Lkr. Bam-
berg, gebaggert wurde. Der Pettstadter Becher gehört zu ei-
ner kontinentalen Gruppe von Metallarbeiten, die im insula-
ren Stil verziert sind. Er dürfte in der zweiten Hälfte des 8.
Jahrhunderts auf dem Kontinent entstanden sein, und zwar
im rechtsrheinischen, von der insularen (angelsächsisch-iri-
schen) Mission erfaßten Gebiet, da dort fast alle Gegen-
stände dieser Art gefunden wurden. Der rundliche Becher
besitzt eine Verzierung aus vier senkrechten Streifen, die
oben — an der Mündung — durch ein horizontales Band
miteinander verbunden sind und am Boden in einen ringför-
migen Streifen auslaufen. Alle Partien zwischen diesen
Streifen sind unverziert. Die Innenseite der Wandung und
die kerbschnittartig hergestellten Ornamentstreifen lassen
Spuren von Vergoldung erkennen.
Das Ornament auf den Streifen besteht aus einer Vermi-
schung von Tiergestalten und Bandwerk, ohne daß es im-
mer möglich wäre, zwischen Tierfigur und sich verzweigen-
den Bändern eine klare Trennung zu ziehen. Gleichwohl un-
terliegt es keinem Zweifel, daß das Ornament zum insula-
ren Kunstkreis gehört (vgl. hierzu die zweifarbige Interpreta-
tion des Bodenornaments am Vitrinenboden!). Als nächste
Parallele zum Pettstadter Becher ist der auf der kleinen dä-
nischen Insel Fejö gefundene Silberbecher (Nationalmu-
seum Kopenhagen) zu nennen, der dem Pettstadter Becher
in Form und Maßen genau entspricht, durch seine reichere
Verzierung jedoch den Charakter des Ornaments aus Tierfi-
guren und Bandwerk deutlicher hervortreten läßt (Abb. 76).
(wa)
Vitrine 32
Fibelschmuck der Merowingerzeit
Zu den wichtigsten Bestandteilen der alamannischen, bay-
erischen und fränkischen Frauentracht gehörten vom 5. bis
7. Jahrhundert die Fibeln, die einerseits als Gewandver-
schlüsse, andererseits als Amuletträger dienten. Darüber
hinaus zeigt der unterschiedliche Wert des verwendeten
Materials eine soziale Differenzierung innerhalb der Gruppe
derjenigen an, die sie trugen. Als modeempfindlicher
Schmuck unterlagen die Fibeln einem raschen Formen-
wandel und bilden deshalb im Chronologiesystem der Me-
rowingerzeit Leitfunde erster Ordnung. Da sie in Modeln ge-
gossen wurden, bot sich den Herstellern eine reiche Palette
individueller Gestaltungsmöglichkeiten, so daß sich an-
hand von Ornamenten Werkstättenkreise abgrenzen und
Absatzgebiete festlegen lassen. Wegen der überregionalen
Streuung bieten die geläufigen Fibeltypen allerdings nur
wenig Spielraum für ethnische Deutungen im Sinne von
alamannisch, bayerisch (Abb. 77) oder fränkisch (Abb. 78).
Anders verhält es sich mit den in Thüringen sowie in den
Ostgoten- und Langobardenreichen Italiens getragenen Ge-
wandspangen, die hierzulande fremd wirken und somit den
Schluß auf Einheirat einzelner Frauen oder auf Bevölke-
rungszuzüge aus den beteffenden Gebieten erlauben.
Kleine Kollektionen thüringischer (Nr. 9-14), ostgotischer
(Nr. 15-32) und langobardischer Bügelfibeln (Nr. 78-81) ver-
deutlichen die Unterschiede zu den einheimischen Erzeug-
nissen. Um solche handelt es sich bei den Miniaturbügelfi-
beln aus der Mitte und zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts
(Nr. 1-8). Auf sie folgen in der ersten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts Bügelfibeln mit halbrunder Kopfplatte und gleichbrei-
tem Fuß (Nr. 25-39) sowie die altersmäßig entsprechenden
Vogelfibeln (Nr. 40-53), ferner die etwas langlebigeren S-
Fibeln (Nr. 85-95) und Scheibenfibeln (Nr. 98-118), von de-
nen die letzteren im 7. Jahrhundert allein das Feld beherr-
schen. Zahlreiche Neufunde der letzten Jahre beweisen,
daß sich in der Mitte und zweiten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts auch Bügelfibeln vom sogenannten nordischen Typ
hierzulande einer weit größeren Beliebtheit erfreuten, als
man bisher annahm (Nr. 54-77).
Glanzstücke frühmittelalterlicher Handwerkskunst bilden
zweifellos zwei Fischfibeln mit polychromem Zellenwerk,
die zum Schönsten und Kostbarsten der Ausstellung gehö-
ren (Nr. 96-97).
Zwei Schaubilder veranschaulichen die Fibeltracht im Wan-
del der Zeiten: Vom Ende des 5. bis in die zweite Hälfte des
6. Jahrhunderts wurden im Bereich von Hals und rechter
Schulter zwei Kleinfibeln sowie in Beckenhöhe zwei große
Bügelfibeln getragen, an denen Amulette hingen (links). Im
7. Jahrhundert setzte sich unter mediterranem Einfluß die
Einfibeltracht durch (rechts). (ke)
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