Zu jenen Regionen, die häufig von feindlichen Angriffen be-
droht wurden, gehörte das Land hinter dem obergerma-
nisch-raetischen Limes, der die Nordgrenze des römischen
Reiches bildete. Im 2. und 3. Jahrhundert nahmen dort die
Einfälle der germanischen Anrainer in einem Maße über-
hand, daß sich die einheimisch-provinzialrömische Bevöl-
kerung nur noch durch die Flucht zu helfen wußte. Damals
ist eine ganze Reihe von Schätzen in die Erde gekommen,
die nicht nur über den Zeitraum der Kriegszüge, sondern
auch über die Stoßrichtung derselben genauestens infor-
mieren.
Wer sich mit römischen Schatzfunden beschäftigt, muß
mehrere Arten unterscheiden: Werkzeug- und Schmuckhor-
te, ferner Münzschätze und Ansammlungen von Metallgefä-
ßen. Zu den letzteren Gattungen gehören die in Vitrine 22
gezeigten Verwahrfunde von Stockstadt, Lkr. Aschaffen-
burg (Abb. 42), und von Manching, Lkr. Pfaffenhofen a. d.
Ilm (Abb. 43), die zu verschiedenen Zeiten vergraben wur-
den.
1962 traf man bei Bauarbeiten im römischen Steinkastell
von Stockstadt auf ein Tongefäß mit Münzen, von denen
noch sechs goldene und 1315 silberne sichergestellt wer-
den konnten. Da die jüngste Prägung aus den Monaten
Dezember 167/Februar 168 stammt, legt dieses Datum den
Schluß nahe, daß der Hort im Zusammenhang mit einem
um 169 erfolgten Einfall der Chatten, den Vorfahren der
Hessen, in die Erde gelangte.
Einen anderen Horttyp verkörpert der Fund von Manching,
der 1955 im Zuge von Baumaßnahmen auf dem Gelände der
großen keltischen Stadtanlage entdeckt wurde. Er umfaßte
feines silbernes Tafelgeschirr und zwar ein Tablett, einen
Teller, eine Kasserolle, zwei Becher und drei Löffel. Bei die-
sem Ensemble handelt es sich zweifellos um das Gedeck
eines herrschaftlichen Haushaltes, in dem man römische
Eßkultur pflegte.
Nach stilistischen Kriterien sind die Stücke kaum vor der
Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert entstanden. Rechnet
man eine gewisse Gebrauchszeit hinzu, so bietet sich der
verheerende Alamanneneinfall von 233 als Anlaß für die
Vergrabung an. Damals ist das Hinterland des obergerma-
nisch-raetischen Limes bis zum Bodensee und Inn so nach-
haltig heimgesucht worden, daß die meisten ländlichen
Siedlungen aufgelassen wurden. (ke)
Zwischen Vitrine 22 und 23
Aeneas-Kopf von Regensburg
Kopf eines behelmten jungen Mannes. Der vordere Teil des
Helmbusches ist abgebrochen, der Rest der fast lebensgro-
ßen freistehenden Statue fehlt. Sie gehörte zu einem beson-
ders reich ausgestatteten Grabmal im großen Gräberfeld
von Castra Regina — Regensburg. Eine Deutung der Statue
als Kriegsgott Mars ist möglich, aber innerhalb der Grab-
kunst zweifelhaft. Unter den hierfür bevorzugten Themen
weist die Bewaffnung mit Helm am ehesten auf Aeneas,
den mythischen „Stammvater" der Römer. Nach der Sage
hat sich Aeneas, seinen kleinen Sohn an der Hand führend
und seinen gelähmten Vater auf den Schultern tragend, aus
den Flammen des brennenden Troja gerettet und nach lan-
ger Irrfahrt die italische Küste dort erreicht, wo später Rom
entstand. Als „Stammvater" genoß er die kultische Vereh-
rung des Kaiserhauses und wird seit Augustus als römi-
scher Feldherr mit Helm und Panzer dargestellt. In der
Grabkunst verkörpert Aeneas, der für seine Tapferkeit mit
der Unsterblichkeit der Götter belohnt wurde, die Verhei-
ßung auf ein jenseitiges Leben; die Rettung seiner Familie
wurde vielleicht als Symbol für die Überwindung des Todes
verstanden. (rp)
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droht wurden, gehörte das Land hinter dem obergerma-
nisch-raetischen Limes, der die Nordgrenze des römischen
Reiches bildete. Im 2. und 3. Jahrhundert nahmen dort die
Einfälle der germanischen Anrainer in einem Maße über-
hand, daß sich die einheimisch-provinzialrömische Bevöl-
kerung nur noch durch die Flucht zu helfen wußte. Damals
ist eine ganze Reihe von Schätzen in die Erde gekommen,
die nicht nur über den Zeitraum der Kriegszüge, sondern
auch über die Stoßrichtung derselben genauestens infor-
mieren.
Wer sich mit römischen Schatzfunden beschäftigt, muß
mehrere Arten unterscheiden: Werkzeug- und Schmuckhor-
te, ferner Münzschätze und Ansammlungen von Metallgefä-
ßen. Zu den letzteren Gattungen gehören die in Vitrine 22
gezeigten Verwahrfunde von Stockstadt, Lkr. Aschaffen-
burg (Abb. 42), und von Manching, Lkr. Pfaffenhofen a. d.
Ilm (Abb. 43), die zu verschiedenen Zeiten vergraben wur-
den.
1962 traf man bei Bauarbeiten im römischen Steinkastell
von Stockstadt auf ein Tongefäß mit Münzen, von denen
noch sechs goldene und 1315 silberne sichergestellt wer-
den konnten. Da die jüngste Prägung aus den Monaten
Dezember 167/Februar 168 stammt, legt dieses Datum den
Schluß nahe, daß der Hort im Zusammenhang mit einem
um 169 erfolgten Einfall der Chatten, den Vorfahren der
Hessen, in die Erde gelangte.
Einen anderen Horttyp verkörpert der Fund von Manching,
der 1955 im Zuge von Baumaßnahmen auf dem Gelände der
großen keltischen Stadtanlage entdeckt wurde. Er umfaßte
feines silbernes Tafelgeschirr und zwar ein Tablett, einen
Teller, eine Kasserolle, zwei Becher und drei Löffel. Bei die-
sem Ensemble handelt es sich zweifellos um das Gedeck
eines herrschaftlichen Haushaltes, in dem man römische
Eßkultur pflegte.
Nach stilistischen Kriterien sind die Stücke kaum vor der
Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert entstanden. Rechnet
man eine gewisse Gebrauchszeit hinzu, so bietet sich der
verheerende Alamanneneinfall von 233 als Anlaß für die
Vergrabung an. Damals ist das Hinterland des obergerma-
nisch-raetischen Limes bis zum Bodensee und Inn so nach-
haltig heimgesucht worden, daß die meisten ländlichen
Siedlungen aufgelassen wurden. (ke)
Zwischen Vitrine 22 und 23
Aeneas-Kopf von Regensburg
Kopf eines behelmten jungen Mannes. Der vordere Teil des
Helmbusches ist abgebrochen, der Rest der fast lebensgro-
ßen freistehenden Statue fehlt. Sie gehörte zu einem beson-
ders reich ausgestatteten Grabmal im großen Gräberfeld
von Castra Regina — Regensburg. Eine Deutung der Statue
als Kriegsgott Mars ist möglich, aber innerhalb der Grab-
kunst zweifelhaft. Unter den hierfür bevorzugten Themen
weist die Bewaffnung mit Helm am ehesten auf Aeneas,
den mythischen „Stammvater" der Römer. Nach der Sage
hat sich Aeneas, seinen kleinen Sohn an der Hand führend
und seinen gelähmten Vater auf den Schultern tragend, aus
den Flammen des brennenden Troja gerettet und nach lan-
ger Irrfahrt die italische Küste dort erreicht, wo später Rom
entstand. Als „Stammvater" genoß er die kultische Vereh-
rung des Kaiserhauses und wird seit Augustus als römi-
scher Feldherr mit Helm und Panzer dargestellt. In der
Grabkunst verkörpert Aeneas, der für seine Tapferkeit mit
der Unsterblichkeit der Götter belohnt wurde, die Verhei-
ßung auf ein jenseitiges Leben; die Rettung seiner Familie
wurde vielleicht als Symbol für die Überwindung des Todes
verstanden. (rp)
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