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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Keller, Erwin [Oth.]
Kulturgeschichtlicher Führer durch die Jubiläumsausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, Festung Marienberg, vom 11. Juni bis 6. November 1983 — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 17: München: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.74348#0045

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Vitrine 2
Gefäße des Neolithikums aus Niederbayern
und Unterfranken (ca. 5600-1 800 v. Chr.)
In der oberen Etage der Vitrine sind Funde des Alt- und Mit-
telneolithikums (ca. 5600-3500 v. Chr.) zusammengestellt.
Die ersten Ackerbauern und Viehzüchter, die im 6. Jahrtau-
send v. Chr. Mitteleuropa kolonisierten, erbauten ihre Dör-
fer dort, wo eine gute Bodenqualität hohe landwirtschaftli-
che Erträge versprach. Es verwundert daher nicht, daß gera-
de Niederbayern und Unterfranken mit ihren ausgedehnten
Lößflächen Schwerpunkte der jungsteinzeitlichen Sied-
lungstätigkeit waren.
Eine auf die Landwirtschaft fußende Wirtschaftsweise,
welche die Grundlage für jede entwickeltere, ökonomische,
soziale und politische Organisation ist, führten bei uns die
Träger der linienbandkeramischen Kultur ein. Diese Kultur
entstand im 6. Jahrtausend v. Chr. am Nordwestrand des
balkanischen Neolithikums, etwa im heutigen Ungarn und
verbreitete sich von dort aus rasch über Mitteleuropa bis
zur nördlichen Lößgrenze. Über ein halbes Jahrtausend
lang bewahrte diese Kultur, unbesehen kleiner lokaler Be-
sonderheiten, in ihrem riesigen Verbreitungsgebiet ein ein-
heitliches Erscheinungsbild (Abb. 8). In Böhmen entwickel-
te sich aus dem Formenschatz der Linienbandkeramik die
Stichbandkeramik. Von dort aus drang diese nach Mähren
und Südostbayern sowie über Mitteldeutschland nach
Mainfranken vor. Der Motivschatz der stichbandkerami-
schen Gefäßverzierungen besteht hauptsächlich aus win-
keligen Bändern, die aus Stichreihen gebildet werden.

Die Großgartacher Kultur wandelte sich über die Zwischen-
stufe der Gruppe Planig-Friedberg zur Rössener Kultur
(Abb. 9), welche ihren Einfluß nach Norden und nach Nord-
osten, bis nach Mitteldeutschland ausdehnte. Kennzeich-
nend sind runde, kugelige Gefäße. Einen Einfluß aus dem
Südosten spiegeln Gefäße mit mehr oder minder ausge-
prägten Fußringen wider.
Südostbayern erfährt in der Zeit des entwickelten Mittel-
neolithikums eine andersartige Kulturprägung als Unter-
franken, dessen Geschichte zu dieser Zeit eng mit der Süd-
westdeutschlands verknüpft ist. In Südostbayern entsteht
aus der Stichbandkeramik und wohl auch noch unter Ein-
flüssen der spätesten Linienbandkeramik die Oberlauterba-
cher Gruppe. Die Erforschung dieser Kulturerscheinung
steckt noch in den Anfängen, so daß eine differenzierte Ent-
wicklung wie in Unterfranken nicht aufgezeigt werden
kann. Auch ist noch unklar, in welchem Verhältnis die Ober-
lauterbacher Gruppe zur Stichbandkeramik und deren loka-
len Ausprägung, dem Typ Munzingen, steht.
Die Oberlauterbacher Gruppe und zeitgleiche Kulturer-
scheinungen Südwestdeutschlands und Mainfranken stan-
den in näheren, wohl am ehesten aus dem Handel mit Silex
erklärbaren Beziehungen. So sind Großgartacher und Rös-
sener Scherben auf Fundstellen der Oberlauterbacher
Gruppe nicht ganz selten, während umgekehrt auch Ober-
lauterbacher Stücke in mainfränkischen Siedlungen zu fin-
den sind.
Das Ende der Oberlauterbacher Gruppe bringt in Südost-
bayern einen abrupten Wechsel in den kulturellen Erschei-
nungen. Während die Entwicklung von der Linienbandkera-


8 Landshut-Salmannsberg. Linearbandkeramische Gefäße. Altneolithikum.

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