Vitrine 29
Gläser und Tongefäße aus der Merowingerzeit
Mit dem faktischen Ende des römischen Reiches an Rhein
und Donau sind in der Zeit um 400 Grenzen gefallen, die
nicht nur politische Systeme trennten, sondern auch wirt-
schaftliche Schranken darstellten. Es gab zwar während
der gesamten spätrömischen Zeit einen kleinen Grenzhan-
del, der vornehmlich die germanischen Siedlungen im Mün-
dungsgebiet von Neckar und Main mit römischen Gläsern
sowie mit Luxus- und Gebrauchskeramik versorgte; von ei-
nem Fernhandel ins alamannische Gebiet hinein kann man
jedoch erst im 5. Jahrhundert sprechen. Fast schlagartig
mit dem Fall des Rheinlimes öffnete sich nun speziell Ala-
mannien dem Warenzustrom aus den linksrheinischen frän-
kisch-romanischen Gebieten, wo wichtige Industriezweige,
wie die Metallverarbeitung, die Trierer Glashütten oder die
Grobkeramik- und Sigillatamanufakturen um Mayen, ferner
die auf Feinkeramik spezialisierten Töpfereien um Worms
die politischen Umwälzungen ohne Schaden überstanden
hatten.
Bei den merowingerzeitlichen Gläsern Süddeutschlands
handelt es sich — sieht man von vereinzelten Importen aus
dem Mittelmeergebiet ab — ausschließlich um linksrheini-
sche Erzeugnisse fränkischer Hütten, die selbst so entlege-
ne Gegenden wie den ostbayerischen Raum belieferten. Al-
lerdings nimmt die Zahl der Funde mit zunehmender Entfer-
nung von den Produktionszentren rasch ab.
Vitrine 29 zeigt in Auswahl eine Kollektion der geläufigen
Gläsertypen des 5.-7. Jahrhunderts (Abb. 72). Den Anfang
machen verschiedene Becher- und Schalenformen der er-
sten Hälfte und Mitte des 5. Jahrhunderts aus unterfränki-
schen Gräbern (Nr. 1-7). Danach folgen unterfränkische und
ostbayerische Stücke des 6. und 7. Jahrhunderts: Tassenar-
tige Becher (Nr. 8-9, 19), ein sogenannter Tummler (Nr. 20),
mehrere Sturzbecher (Nr. 10-18, 24-25) und Spitzbecher (Nr.
27-29), ferner ein einfaches Glasfläschchen klassisch schö-
ner Form (Nr. 26). Zu den hochwertigsten und teuersten Glä-
sern der damaligen Zeit gehörten die beiden Rüsselbecher
(Nr. 21-22) und ein Guttrolf (Nr. 23) (Abb. 71), der aus zwei
kommunizierenden Gefäßen besteht, die durch „Rüssel"
verbunden wurden.
Die Tonware der Vitrine 29 ist einerseits nach handelsge-
schichtlichen, andererseits nach ethnischen Gesichtspunk-
ten zusammengestellt worden, wobei unterfränkische Fun-
de besondere Berücksichtigung fanden. Dieses Gebiet lag
ja im Spannungsfeld alamannischer, fränkischer und thü-
ringischer Interessen, so daß sich hier stammesspezifische
Keramikformen auf kleinstem Raum unterscheiden lassen.
Um linksrheinische Scheibenware des 5. Jahrhunderts han-
delt es sich bei den Krügen Nr. 30-32, die aus Mayen in der
Eifel bezogen wurden. Gleichaltrig ist die gedrehte frühala-
mannische Rillenware (Nr. 34-39), die scharf mit der nach
der Mitte des 5. Jahrhunderts von Hand hergestellten ala-
mannischen Buckel- und Hohlkehlenkeramik (Nr. 40-42)
kontrastiert. Aus dem 6. Jahrhundert stammt eine handge-
formte Schale (Nr. 43) mit den für das thüringische Sied-
lungsgebiet typischen Körperrippen. Ein Kleeblattkrug (Nr.
44), ein Knickwandgefäß (Nr. 45) sowie eine Röhrenausguß-
kanne (Nr. 46), die dem 6. und 7. Jahrhundert angehören,
verkörpern das fränkische Element im Ausstellungsbe-
stand. Handgemachte bayerische Tonware des 6. und 7.
Jahrhunderts wird durch die Beutelformen (Nr. 47-48) reprä-
sentiert. Ein Unikum stellt der grobe Henkelkrug (Nr. 49)
dar, der zweifellos das Werk eines Ungeübten ist (Abb. 54).
(ke)
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Gläser und Tongefäße aus der Merowingerzeit
Mit dem faktischen Ende des römischen Reiches an Rhein
und Donau sind in der Zeit um 400 Grenzen gefallen, die
nicht nur politische Systeme trennten, sondern auch wirt-
schaftliche Schranken darstellten. Es gab zwar während
der gesamten spätrömischen Zeit einen kleinen Grenzhan-
del, der vornehmlich die germanischen Siedlungen im Mün-
dungsgebiet von Neckar und Main mit römischen Gläsern
sowie mit Luxus- und Gebrauchskeramik versorgte; von ei-
nem Fernhandel ins alamannische Gebiet hinein kann man
jedoch erst im 5. Jahrhundert sprechen. Fast schlagartig
mit dem Fall des Rheinlimes öffnete sich nun speziell Ala-
mannien dem Warenzustrom aus den linksrheinischen frän-
kisch-romanischen Gebieten, wo wichtige Industriezweige,
wie die Metallverarbeitung, die Trierer Glashütten oder die
Grobkeramik- und Sigillatamanufakturen um Mayen, ferner
die auf Feinkeramik spezialisierten Töpfereien um Worms
die politischen Umwälzungen ohne Schaden überstanden
hatten.
Bei den merowingerzeitlichen Gläsern Süddeutschlands
handelt es sich — sieht man von vereinzelten Importen aus
dem Mittelmeergebiet ab — ausschließlich um linksrheini-
sche Erzeugnisse fränkischer Hütten, die selbst so entlege-
ne Gegenden wie den ostbayerischen Raum belieferten. Al-
lerdings nimmt die Zahl der Funde mit zunehmender Entfer-
nung von den Produktionszentren rasch ab.
Vitrine 29 zeigt in Auswahl eine Kollektion der geläufigen
Gläsertypen des 5.-7. Jahrhunderts (Abb. 72). Den Anfang
machen verschiedene Becher- und Schalenformen der er-
sten Hälfte und Mitte des 5. Jahrhunderts aus unterfränki-
schen Gräbern (Nr. 1-7). Danach folgen unterfränkische und
ostbayerische Stücke des 6. und 7. Jahrhunderts: Tassenar-
tige Becher (Nr. 8-9, 19), ein sogenannter Tummler (Nr. 20),
mehrere Sturzbecher (Nr. 10-18, 24-25) und Spitzbecher (Nr.
27-29), ferner ein einfaches Glasfläschchen klassisch schö-
ner Form (Nr. 26). Zu den hochwertigsten und teuersten Glä-
sern der damaligen Zeit gehörten die beiden Rüsselbecher
(Nr. 21-22) und ein Guttrolf (Nr. 23) (Abb. 71), der aus zwei
kommunizierenden Gefäßen besteht, die durch „Rüssel"
verbunden wurden.
Die Tonware der Vitrine 29 ist einerseits nach handelsge-
schichtlichen, andererseits nach ethnischen Gesichtspunk-
ten zusammengestellt worden, wobei unterfränkische Fun-
de besondere Berücksichtigung fanden. Dieses Gebiet lag
ja im Spannungsfeld alamannischer, fränkischer und thü-
ringischer Interessen, so daß sich hier stammesspezifische
Keramikformen auf kleinstem Raum unterscheiden lassen.
Um linksrheinische Scheibenware des 5. Jahrhunderts han-
delt es sich bei den Krügen Nr. 30-32, die aus Mayen in der
Eifel bezogen wurden. Gleichaltrig ist die gedrehte frühala-
mannische Rillenware (Nr. 34-39), die scharf mit der nach
der Mitte des 5. Jahrhunderts von Hand hergestellten ala-
mannischen Buckel- und Hohlkehlenkeramik (Nr. 40-42)
kontrastiert. Aus dem 6. Jahrhundert stammt eine handge-
formte Schale (Nr. 43) mit den für das thüringische Sied-
lungsgebiet typischen Körperrippen. Ein Kleeblattkrug (Nr.
44), ein Knickwandgefäß (Nr. 45) sowie eine Röhrenausguß-
kanne (Nr. 46), die dem 6. und 7. Jahrhundert angehören,
verkörpern das fränkische Element im Ausstellungsbe-
stand. Handgemachte bayerische Tonware des 6. und 7.
Jahrhunderts wird durch die Beutelformen (Nr. 47-48) reprä-
sentiert. Ein Unikum stellt der grobe Henkelkrug (Nr. 49)
dar, der zweifellos das Werk eines Ungeübten ist (Abb. 54).
(ke)
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