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Tadeusz Jurkowlaniec
oberen Schicht glatt glasierter Backsteine zuruck-
zufuhren, was eher unwahrscheinlich scheint, oder
auf eine sehr entwurfgenaue Ausfiihrung der Archi-
volte, deren zoomorpher Fries aus zwolf Backsteinen
mit dem Bild eines Lowen im rechten Profil
(westlicher Halbbogen) sowie zehn (ursprunglich elf)
Backsteinen mit den entgegensetzt ausgerichteten
Bildern eines Hippogryphs und eines Hirsches
besteht (12><L / 3><G, J, G, J, G, 3xJ, ?). Wegen der
offenbar nicht zufallig gewahlten Zahl (12) der
Segmente des westlichen Halbbogens der auBeren
Portalarkade der Goldenen Pforte konnen die hier
abgebildeten, mahnenlosen Lowen mit den zwolf
Lowen an den zum Throne Salomos fuhrenden
Stufen assoziiert werden (1. Konige 10,20; 2.
Chronika 9,19). Diese zwolf Lowen stehen
symbolisch fur die Predigergemeinschaft (ordo
praedicatorum, Anm. 131), die in Nachfolge der
Apostel fur die Verbreitung des wahren Glaubens
tatig war. Den Zweck dieser Tatigkeit und die dabei
angewandte Vorgehensweise erklaren die Backstein-
bilder des ostlichen Halbbogens, die den die Taufe
symbolisch darstellenden Hirsch sowie den feuer-
speienden Hippogryph zeigen, der die Kraft aus dem
ihn zugleich beschutzenden Glauben (Kreuzschild)
schopft. Seine Keuschheit bringt der hinter seinem
Hals sichtbarer Pfeil zum Ausdruck. Sollte das
Geschoss indessen den Hals durchbohrt haben, so
wurde es dann nicht nur „den Zorn der Keuschheit
gegen die Ausschweifung" versinnbildlichen, sondem
ebenso die Bereitschaft der Kreuzritter, bei der
Verteidigung des Glaubens ihr Leben hinzugeben.
Ahnlich hatte auch eine Lanze als gute Absicht
gedeutet werden konnen, die eine gute Tat hervor-
bringt, was auch entsprechend belohnt wird. Die
ursprungliche Anzahl der Tierwesen im Fries des
ostlichen Halbbogens der Archivolte (11) verbirgt -
angesichts der oben aufgezeigten Deutung der zwolf
Lowen (ordo praedicatorum) - mutmaBlich einen
anderen Hinweis auf die Missionstatigkeit des
Deutschen Ordens. So dauerte es elf Jahre, bis die
Ordensritter die pruBischen Heiden „dem Christen-
glauben machtvoll unterwarfen".IV
Eine naturliche Konsequenz der Ausrichtung der
Tierwesen nach links (Hippogryph, Hirsch) oder
rechts (Lowe, Drache) ist ihre antithetische Gegen-
uberstellung, die eine Auseinandersetzung suggeriert.
Dabei ist zu betonen, dass eine solche Gegen-
uberstellung nicht unbedingt auf einen Konflikt
hinweisen muss. Die Deutung des Aufeinander-
treffens der Wesen hangt von der ihnen zugeschrie-
benen Symbolik ab. Zwei davon - der Lowe und der
Greif - sind mehrdeutig; der Hirsch wurde stets
positiv, der Drache hingegen stets negativ gesehen.
Es ist schwer zu sagen, ob das weiBe Steingesims
des Sudwandsockels der Kapelle (Abb. 2, 4-7) eine
asthetische oder eher eine symbolische Bedeutung
hatte (architekturtechnisch spielte es sicherlich keine
Rolle). Es ging hier wohl weniger darum, die
Soliditat der Grundmauern der Kapelle zu betonen,
sondern um die Hervorhebung der symbolischen,
sich auf die Missionstatigkeit des Deutschen Ordens
in PreuBen beziehenden Inhalte des direkt daruber
verlaufenden zoomorphen Frieses. Sein Abschnitt
[2.1; Abb. 4] - zwischen den Portaleingangen der
BuBerzelle und des zur Empore fuhrenden Trep-
penganges - kann als Darstellung des Kampfes des
Ordens (Hippogryph) gegen das Bose (Drache)
zwecks Bekehrung der Heiden (Hirsch) gedeutet
werden. Der Sinn der Backsteinbilder im Fries ostlich
der Goldenen Pforte [2.3] erschlieBt sich hingegen
nicht so leicht. Werden die die Kapelle verlassenden
Machte des Bosen (Drachen und Lowen) vom Greif
nicht erfolgreich genug bekampft, da der Drache
fliehen konnte? Obwohl es kaum Zweifel daran
geben kann, dass die im Fries verwendeten Darstel-
lungen der Tierwesen gemaB den in ihnen kodierten
symbolischen Inhalten angeordnet wurden, fuhren
Versuche, die Details dieser Inhalte in den 18 Back-
steinbildern der Westwand der Portalvorhalle zu
deuten, mitnichten zu einem zufriedenstellenden
Ergebnis. Auch die Glasurfarbe der einzelnen Back-
steine (diverse Gelb- und Brauntone, Schwarz,
dunkles Grun) liefert wohl in Bezug auf die Anord-
nung der Bilder nach diesem Kriterium kaum ziel-
fuhrende Hinweise. Solange nicht bekannt ist,
inwiefern die Restaurierungen der 1880ger Jahre die
zoomorphen Friese verandert haben, muss von
weiteren Deutungen ihrer symbolischen Inhalte
abgesehen werden.
Aus dem Polnischen ubertragen
von Waldemar Mościcki
IV Wie Anm. I, S. 29.
Tadeusz Jurkowlaniec
oberen Schicht glatt glasierter Backsteine zuruck-
zufuhren, was eher unwahrscheinlich scheint, oder
auf eine sehr entwurfgenaue Ausfiihrung der Archi-
volte, deren zoomorpher Fries aus zwolf Backsteinen
mit dem Bild eines Lowen im rechten Profil
(westlicher Halbbogen) sowie zehn (ursprunglich elf)
Backsteinen mit den entgegensetzt ausgerichteten
Bildern eines Hippogryphs und eines Hirsches
besteht (12><L / 3><G, J, G, J, G, 3xJ, ?). Wegen der
offenbar nicht zufallig gewahlten Zahl (12) der
Segmente des westlichen Halbbogens der auBeren
Portalarkade der Goldenen Pforte konnen die hier
abgebildeten, mahnenlosen Lowen mit den zwolf
Lowen an den zum Throne Salomos fuhrenden
Stufen assoziiert werden (1. Konige 10,20; 2.
Chronika 9,19). Diese zwolf Lowen stehen
symbolisch fur die Predigergemeinschaft (ordo
praedicatorum, Anm. 131), die in Nachfolge der
Apostel fur die Verbreitung des wahren Glaubens
tatig war. Den Zweck dieser Tatigkeit und die dabei
angewandte Vorgehensweise erklaren die Backstein-
bilder des ostlichen Halbbogens, die den die Taufe
symbolisch darstellenden Hirsch sowie den feuer-
speienden Hippogryph zeigen, der die Kraft aus dem
ihn zugleich beschutzenden Glauben (Kreuzschild)
schopft. Seine Keuschheit bringt der hinter seinem
Hals sichtbarer Pfeil zum Ausdruck. Sollte das
Geschoss indessen den Hals durchbohrt haben, so
wurde es dann nicht nur „den Zorn der Keuschheit
gegen die Ausschweifung" versinnbildlichen, sondem
ebenso die Bereitschaft der Kreuzritter, bei der
Verteidigung des Glaubens ihr Leben hinzugeben.
Ahnlich hatte auch eine Lanze als gute Absicht
gedeutet werden konnen, die eine gute Tat hervor-
bringt, was auch entsprechend belohnt wird. Die
ursprungliche Anzahl der Tierwesen im Fries des
ostlichen Halbbogens der Archivolte (11) verbirgt -
angesichts der oben aufgezeigten Deutung der zwolf
Lowen (ordo praedicatorum) - mutmaBlich einen
anderen Hinweis auf die Missionstatigkeit des
Deutschen Ordens. So dauerte es elf Jahre, bis die
Ordensritter die pruBischen Heiden „dem Christen-
glauben machtvoll unterwarfen".IV
Eine naturliche Konsequenz der Ausrichtung der
Tierwesen nach links (Hippogryph, Hirsch) oder
rechts (Lowe, Drache) ist ihre antithetische Gegen-
uberstellung, die eine Auseinandersetzung suggeriert.
Dabei ist zu betonen, dass eine solche Gegen-
uberstellung nicht unbedingt auf einen Konflikt
hinweisen muss. Die Deutung des Aufeinander-
treffens der Wesen hangt von der ihnen zugeschrie-
benen Symbolik ab. Zwei davon - der Lowe und der
Greif - sind mehrdeutig; der Hirsch wurde stets
positiv, der Drache hingegen stets negativ gesehen.
Es ist schwer zu sagen, ob das weiBe Steingesims
des Sudwandsockels der Kapelle (Abb. 2, 4-7) eine
asthetische oder eher eine symbolische Bedeutung
hatte (architekturtechnisch spielte es sicherlich keine
Rolle). Es ging hier wohl weniger darum, die
Soliditat der Grundmauern der Kapelle zu betonen,
sondern um die Hervorhebung der symbolischen,
sich auf die Missionstatigkeit des Deutschen Ordens
in PreuBen beziehenden Inhalte des direkt daruber
verlaufenden zoomorphen Frieses. Sein Abschnitt
[2.1; Abb. 4] - zwischen den Portaleingangen der
BuBerzelle und des zur Empore fuhrenden Trep-
penganges - kann als Darstellung des Kampfes des
Ordens (Hippogryph) gegen das Bose (Drache)
zwecks Bekehrung der Heiden (Hirsch) gedeutet
werden. Der Sinn der Backsteinbilder im Fries ostlich
der Goldenen Pforte [2.3] erschlieBt sich hingegen
nicht so leicht. Werden die die Kapelle verlassenden
Machte des Bosen (Drachen und Lowen) vom Greif
nicht erfolgreich genug bekampft, da der Drache
fliehen konnte? Obwohl es kaum Zweifel daran
geben kann, dass die im Fries verwendeten Darstel-
lungen der Tierwesen gemaB den in ihnen kodierten
symbolischen Inhalten angeordnet wurden, fuhren
Versuche, die Details dieser Inhalte in den 18 Back-
steinbildern der Westwand der Portalvorhalle zu
deuten, mitnichten zu einem zufriedenstellenden
Ergebnis. Auch die Glasurfarbe der einzelnen Back-
steine (diverse Gelb- und Brauntone, Schwarz,
dunkles Grun) liefert wohl in Bezug auf die Anord-
nung der Bilder nach diesem Kriterium kaum ziel-
fuhrende Hinweise. Solange nicht bekannt ist,
inwiefern die Restaurierungen der 1880ger Jahre die
zoomorphen Friese verandert haben, muss von
weiteren Deutungen ihrer symbolischen Inhalte
abgesehen werden.
Aus dem Polnischen ubertragen
von Waldemar Mościcki
IV Wie Anm. I, S. 29.