Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Wenzel, Ernst: Die Ausgrabungen am Dom zu Magdeburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

statten beschäftigt haben, ganz unmöglich erscheinen, daß die in dem alten Dom beigesetzten fürstlichen Personen
stillschweigend in den späteren Neubau des Domes transferiert worden sein sollten, ohne daß man einen solchen
Vorgang ausgezeichnet hätte. Die alten Gräber waren unantastbar und wurden auch nach Erhebung der Gebeine,
etwa in Reliquienschreine, weiterverehrt. Man mußte also deshalb den Ausgrabungsresultaten sehr skeptisch gegen-
überstehen, trotz aller scheinbar erfolgversprechenden Funde. Was wurde nun bei der nunmehr einsetzenden neuen
Grabung auf dem Domplatz gefunden?
Zunächst stieß man auf dem Domplatz ans einige Gräber, die ihrer ganzen Form nach nicht auf eine Beisetzung
in einem Dome schließen ließen, ferner auf einen ausgedehnten Fußboden von Sandsteinplatten, den man schnell
für den Fußboden des alten Domes erklärte, bis man sich von der Haltlosigkeit dieser Behauptung überzeugte. Weitere
Ausgrabungen förderten Reste einer vor- oder frühgeschichtlichen Siedlung, eine Feuerstätte mit Tierknochen und
Tonscherben zutage und erwiesen in etwa 4 m Tiefe ein altes Flußbett mit Kiesgeschiebe. Der Fund des alten
Hauses erinnert mich lebhaft an den Fund eines bronzezeitlichen Pfostenhauses von rechteckiger Grundform mit
einem Herd mit Tierknochen u. a. m., den Prof. lür. Vonderan bei Aufdeckung eines großen Apsidenumgangs mit
vielen Steinsärgen an der Westseite des Fnldaer Domes machte, und der auch eine sehr alte Besiedlung der heiligen
Stätte erwies.
Alle diese Funde ergaben hinsichtlich der Annahme einer nördlichen Lage des ältesten Domes ein negatives
Resultat, für das Kloster des hl. Mauritius aber die Ausdehnung der Klostergebäude auch für die Nordseite des Domes.
Wohl oder übel mußten nun die Grabungen auf dem Domplatz eingestellt werden, und Herr Koch hatte den
glücklichen Gedanken, einer älteren Hypothese nachzugehen und den alten Dom unter dem jetzigen zu suchen. Unter
Zugrundelegung der sich überschneidenden Achsen des ältesten Domes und des heutigen Domes begann man mit
Grabungen zwischen dem Chor und dem sogenannten Remter an der Ostseite. Hier fand man dann auch die wohl-
erhaltenen Reste einer Kryptenanlage, ein Halbrund mit es. 3 m starken Mauern, in die vom Jnnenraum her kleine
halbrunde, noch gut erhaltenen Putz zeigende Nischen hineinspringen, während zwischen den Nischen kleine Pilaster
mit gut erhaltenen Basen die Wand teilen. Uber diesen Fund gebe ich hier einen Auszug aus dem Ausgrabungs-
bericht des Museumsdirektors vr. Greischel zu Magdeburg: „Besonderen Reiz gewinnt der Fund dadurch, daß ein
großes Stück des Plattenfnßbodens, der in feiner Arbeit aus Schiefer und weißem Marmor gefügt ist, erhalten
geblieben ist. Der Marmor ist italienischer Herkunft und sicherlich von Otto dem Großen mit vielen anderen Säulen
und Kapitellen aus Italien herübergebracht worden. Von den Säulen des Ottonischen Domes ist noch manches
im jetzigen Domgebüude erhalten. Marmorkapitelle byzantinischer Art sind beim Neubau des Remters als Säulen-
basen benutzt worden. Ein vollkommen antikes Stück war jedoch bisher in Magdeburg nicht zu sehen, obwohl an-
zunehmen war, daß Otto der Große in der damals üblichen Weise die Ruinen antiker Tempel oder großer römischer
Verwaltungsgebäude als Steinbruch benutzt hat. Am 14. Juni ist nun bei der Fortführung der Grabungen un-
mittelbar an der Mauer des Remters ea. 1^ m unter der Erde ein echtes antikes Marmorkapitell korinthischen
Stils gefunden worden, das ganz zweifellos von Otto dem Großen dem Magdeburger Erzbischof für den Ottonischen
Dom geschenkt war, und das nach dem Brande von 1207 aus irgendwelchem Grunde nicht wieder verwendet wurde.
Der Kryptenbau wird flankiert durch gemauerte Grabschächte. Auch ein Turmmassiv dürfte an dieser Stelle
erkennbar sein. Man wird kaum fehlgehen, wenn man daraus den Schluß zieht, daß der Ottonische Dom, abgesehen
von zwei Westtürmen, auch noch zwei Osttürme besaß. Wieweit der übrige Grundplan des Domes durch die Arbeit
des Spatens wird festgestellt werden können, ist natürlich nicht abznsehen. Die bisherigen Funde sind jedenfalls
so glänzend, wie man sie sich nur wünschen konnte."
Diese Grabungen waren natürlich nur mit Hilfe des Staates und der Stadt Magdeburg möglich. Am 25. April
1926 hatten die Stadtverordneten für die Fortsetzung der seinerzeit begonnenen, aber wieder abgebrochenen kultur-
historischen Grabungen auf dem Domplatz den Betrag von 3000 M. bewilligt. Die Rechtsfraktionen stellten gleich
dazu den Antrag, noch weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn sich das Bedürfnis nach weiteren Grabungen
Herausstellen sollte.
Nun ist die Fundstelle überdeckt und für immer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Zu diesen:
Zwecke bewilligten die Stadtverordneten weitere 5000 M., der Provinzialkonservator 1000 M.
Es ist gewiß ein begrüßenswertes Zeichen, daß man sich endlich auf sich selbst besinnt und unsere eigene Ver-
gangenheit mehr und mehr aufzndecken bemüht ist, daß wir nicht mehr im Düsteren tappen in unserem eigenen Vater-
haus. Bedauerlich bleibt bei den Magdeburger Ausgrabungen, daß nicht schon der Vertreter der Hypothese, der den
ältesten Dom unter den heutigen verlegte, auch die heutigen Lorbeeren ernten durfte.
Über das Gesamtresnltat der Grabungen, die zu einem vorläufigen Abschluß gekommen sind, werde ich in
einer der nächsten Nummern an Hand des Ausgrabungsberichts von Herrn Koch weiter berichten. vr. E. W.
 
Annotationen