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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

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Nr. 3/4
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Burgenschau
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0093

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Burg Bormannstein.
Auf der Burg Normaunsteiu sind iu den letzten Jahren Er-
neuerungsbauten vorgenoinmen worden. Es handelt sich in der
Hauptsache um Verbesserung der inneren Umfassungsmauer und
Errichtung von Abortgebäuden. In dein westlichen Turm ist eine
Kapelle errichtet. — Die Arbeiten haben sehr geteilte Beurteilung
gefunden.
Schloß Holzen im Besitz des Klosters Ursberg.
Der alte Stammsitz der Grafen von Treuberg, das bei Norden-
dorf auf einer Anhöhe der Lechhochebene an der Strecke zwischen
Augsburg und Donauwörth gelegene Schloß Holzen, wurde dieser
Tage versteigert. Die Versteigerung vollzog sich rasch und reibungs-
los. Zu guten Preisen fand das wertvolle Auktionsmaterial des
Schlosses, das mehr als 100 Räume, Säle, einen Theaterraum und
eine mehrere tausend Bände, meist theologischen Inhalts, umfas-
sende Bibliothek enthielt, Aufnahme. Zu erwähnen sind besonders
die zahlreichen Kunstgegenstände, wertvolle Gemälde, eine größere
Zähl kostbarer Perserteppiche und Kelims, Bronzestatuetteu, Ge-
mälde bekannter Meister, böhmische Porzellansachen usw. Das
Schloß selbst mit seiner kunstvollen Kirche wurde, wie uns mit,
geteilt wird, um rund 260000 M. von der Verwaltung des Klosters
Ursberg, der bedeutenden Kretinen- und Krüppelfürsorgeanstalt-
erworben.

Bücherschau.
Ferdinand Gregorovius, beschichte der Stadt Rom im Mittel-
alter (Verlag Wolfgang Jeß, Dresden, 2 Bände in Leinen
zusammen Mk. 50.—).
Im Verlag von Wolfgang Jeß in Dresden ist in zwei Bänden
die „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter" von Ferdinand
Gregorovius neu erschienen. Die Neubearbeitung ist erfolgt von
t)r. Fritz Schillmann von der Stadtbibliothek in Berlin.
Vor der Einleitung zu Band I steht ein Wort Goethes: „Rom
ist eine Welt, man braucht Jahre, sich darin zurechtzufinden, und
Rom ist wie das Meer, je weiter man in es hineinschreitet, je tiefer
wird man es finden müssen." Das möchte man fast auch auf die
Neuausgabe eines solchen ungeheuren Werkes wie Gregorovius,
Geschichte der Stadt Rom anwenden.
In der Tat hat sich auch der Herausgeber eine ungeheure Auf-
gabe gestellt. Schon in der Einleitung, die Fritz Schillmaun dem
Werk mitgibt, finden wir manches Wort von ihm selbst oder von
dritten, das jeden Deutschen zu tiefer Einkehr veranlassen muß.
Wir haben uns mit Gregorovius' „Wanderjahren in Italien",
die im selben Verlage von Wolfgang Jeß in Dresden erschienen
sind, bereits früher in diesen Blättern beschäftigt und könnten
manches, was dort gesagt ist, auch hier wiederholen. Aber der
Umfang der neuen Arbeit ist ein gewaltig viel größerer und die
rein wissenschaftliche Verantwortung eine ernstere. Handelt es
sich doch um ein Werk, das in der Neuherausgabe bei kleinstem
Druck und schmälstem Rand zwei überstarke Bände von 1524 und
1545 Seiten umfaßt. Schon allein räumlich und nach der Zahl der
durchzuarbeitenden Druckseiten ist es also eine ganz ungeheure
Arbeit für den gewissenhaften Herausgeber, dieses Werk neu
erscheinen zu lassen. So kann man dem: nur mit Bewunderung
von dem Fleiß des Herausgebers reden und ihm dankbar sein, daß
er das Werk des Gregorovius vielen zugänglich gemacht, die es
bisher nur schwer erreichen konnten.
Um zunächst bei der rein technischen Arbeit Schillmanus zu
bleiben, mag auf die zahlreichen Anmerkungen hingewiesen werden-
de in Band I t die Seiten 1411—1450 füllen und wesentliche Et,
läuterungen und Ergänzungen zu dem Gregoroviusscheu Wortlaur
geben.
Sodanil sind anregende Abbildungen, meist nach Urbildern,
die der dargestellten Zeit möglichst uahekommen, beigegeben,
nicht weniger als zweihundertvierzig an der Zahl.
Höchst wertvoll ist auch das umfangreiche Personenverzeichnis,
das 40 Seiten füllt, und ein anschließendes Ortsverzeichnis/Zu-
taten, die die Benutzung des Werkes außerordentlich erleichtern.

Der Herausgeber nennt als seine Mitarbeiter stuck. Mit. Has,
v. Schönebeck, Gerhard Göhler, Paul Schillmaun und Frau Fritz
Schillmann.
Null zum Werke selbst:
Mit Recht sagt der Herausgeber in der Einleitung: „Deutschland
und Italien, durch Schicksal und Kultur verbunden, beide seit den
Tagen der Anjous leidend unter dem Barbarentum Frankreichs,
erschienen Gregorovius allein als die Träger wahren Menschentums,
und das, obwohl Gregorovius Italien und die Italiener viel zu gut
kannte, um zu glauben, daß wir iu den Italienern Freunde, ja nnr
zuverlässige Bundesgenossen hätten. Schon im Jahre 1888 hat
Gregorovius geschrieben: „Die Italiener achten uns jetzt, aber sie
lieben uns nicht."
Uns Heutigen, die wir die Probe auf das Exempel im Welt-
kriege gemacht haben, wird diese Äußerung noch milde erscheinen.
Schon vor dem. Weltkriege war von einer Zuneigung überhaupt
nicht zu reden, die Abneigung ging, wie jeder aufmerksame Jtalien-
reisende empfinden mußte, oft genug bis zur Feindschaft. Daß
nicht eine viel weitergehende Empfindung sich nun andererseits
bei den Deutschen nach den Erfahrungen von 1915 regt, hat weniger
eine Fremden unbegreifliche, immer wieder beobachtete politische
Urteilslosigkeit, als eine für andere Völker unverständliche Größe
der Gesinnung der Deutschen, die eine nachtragende Feindschaft
nicht kennen, zur Ursache.
So wird denn auch diese Geschichte der Stadt Rom des Grego-
rovius, die eigentlich mit diesem Titel viel zu eng umgrenzt ist,
in Deutschland nach wie vor eine große Gemeinde begeisterter
Leser finden, und viele werden dem genialen Verfasser noch nicht
einmal gram sein wegen seiner manchmal weitgehenden Un-
gerechtigkeit gegen deutsche Herrscher, wie Friedrich Barbarossa
oder Heinrich VI., denen gegenüber er die norditälienischen Stadt-
republiken, die doch mehr oder weniger Eintagsfliegen und die
Tummelplätze der Herrschsucht kleiner Geister waren, ganz un-
gebührlich emporhebt.
Trotz alledem bleibt es begreiflich, daß wir Deutsche das Werk
des Gregorovius immer wieder mit Begeisterung lesen werden.
Erzählt er doch, wie Schillmaun in der Einleitung nach Münz sagt,
Roms mittelalterliche Schicksale unter fortwährender Erinnerung
der leidensvollen Beziehungen Deutschlands zu Italien, und war
Gregorovius doch, wie ebenda nach Paul Kehr angeführt wird,
Ghibelline und schrieb als Ghibelline. Als solcher geht er mir
freilich nicht immer weit genug. Ich wünschte oft eine größere
Einseitigkeit zugunsten der Deutschen, wenn ich mir die Wirkung
eines solch gewaltigen Buches auf Generationen von meinen
Landsleuten vorstelle, und ich glaube, daß damit der geschichtlichen
Wahrheit und Gerechtigkeit kein größerer Abbruch geschehen würde
als wie durch jene kalte Objektivität in der Geschichtsschreibung,
die doch oft im Widerspruchsgeist und iu Nüchternheit ihre wahre
Ursache hat.
Mit Ghibellinentum vereinigt sich freilich andererseits schwer
die Bewunderung und unvoreingenommene Anerkennung, die
Gregorovius den großen römischen Päpsten zuteil werden läßt.
Sagt er doch: „Die Geschichte hat nicht Heroentitel genug, um sie
auf diese Pyramide (die Kirche) zu schreiben und mit ihnen die
weltumfassende Wirksamkeit, die großen schöpferischen Taten und
den unvergänglichen Ruhm der Päpste auch nur annähernd zu
bezeichnen."
So unvoreingenommen urteilt eben nur ein Deutscher, auch
gegenüber Gegnern verläßt ihn sein klares Empfinden für Recht
und fremde Größe nicht.
Andererseits ist Gregorovius nicht blind gegen die Fehler
deutscher Uneinigkeit oder welscher Tücke, eine tiefsinnige Lehre
wird jeder denkende Deutsche in seiner Geschichte Roms finden.
Der Neuherausgeber von Gregorovius' Geschichte der Stadt
Rom hat sich also ein großes Verdienst erworben, und es wäre zu
wünschen, daß dieses Werk, das bisher ziemlich schwer zugänglich
war, dadurch eine möglichst weite Verbreitung, namentlich iu allen
höheren Schulen und anderen höheren Bildungsanstälten findet.
Der besinnliche Leser wird, wenn er ein guter Deutscher ist, freilich
nicht ohne tiefsten Schmerz sehen, wie in allen Jahrhunderten
kostbares deutsches Bült dadurch vergeblich vergossen worden ist,
daß im entscheidenden Moment der letzten großen Anstrengungen
die deutsche Einigkeit versagt hat.
 
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