Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

DOI Heft:
Nr. 3/4
DOI Artikel:
Kempen, Wilhelm van: Schloß Zerbst in Anhalt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
45



Abb. 32. Schloß Zerbst, Vorderansicht nach Ryckwaerts Entwurf in Beckmanns „Historie des
Fürstentums Anhalt" (Zerbst 1710).

gelegtes sünsachsiges Quadrat, wo-
durch die Flügel wesentlich ver-
größert, der Eindruck des Schlosses
wesentlich gesteigert wird. Über den
Entwurf hinaus sind auch die Por-
tale gebildet worden, die durch
figurengezierte Balkoue hervorge-
hoben sind. Über dein Simonetti-
slügel wurde 1708 ein Turm mit Uhr
errichtet, wahrend der Mittelbau in
der einfachen, typisch holländischen
Nüchternheit verblieb. 1711 war
der Flügel fertiggestellt.
33 Jahresolltenaber vergehen,
ehe der andere, linke, Flügel erstand, sein notwendiges Gegenstück. Den Grund zu dieser starken Verzögerung des Schloß-
baues dürfen wir wohl in finanziellen Sorgen sehen, mit denen das kleine Fürstentum (dessen Areal den heutigen
anhaltischen Kreis Zerbst bildet) zu kämpfen hatte. 1744—1747 wurde durch G. W. von Knobelsdorf der noch fehlende
Flügel dem Schlosse zugefügt, der sich äußerlich, mit Ausnahme einiger geringfügiger ornamentaler Dinge, dem
Simonettislügel durchaus anpaßt. Zwischen der Erbauung der beiden Flügel mar 1718—1722 dem Mittelbau der
Turm aufgesetzt worden und nach Errichtung des linken Flügels wurde der Turm des rechten wieder beseitigt, so daß
nun das Schloß endlich die endgültige Gestalt erhielt: ein imposanter Flügelbau mit dominierender Mitte, so
wie das Gebäude heute noch erscheint (Abb. 34).
Es gibt fraglos größere und wertvollere Schlösser des 17. und 18. Jahrhunderts, als das Zerbster, aber ebenso
fraglos ist doch auch, daß es als ein machtvoller Bau des Interesses wert ist. Von dem Ryckwaert-Entwurs
ist das Schloß in seiner Vollendung weit abgekommen, in allem stellt es ein Vergrößern, ein Monumentalisieren ihm
gegenüber dar: in der Vergrößerung der Flügel, der weit stärkeren Betonung der Mitte durch den Turm, der stärkeren
Ausprägung der Risalite. Das oorgs äo logis — ohne den Turm — ist der schlichteste Teil der ganzen Anlage, dennoch
ist die Anpassung der Flügelbauten als gelungen zu bezeichnen, so daß das Schloß von außen fast den Eindruck er-
weckt, als sei es nach einem Plane auf einmal erbaut worden.
Völlig anders ist es im Innern. Hier trennen sich die Bauperioden scharf voneinander, und sonderlich der linke
Flügel nimmt als Produkt des Rokoko gegenüber den Barockteilen eine durchaus gesonderte Stellung ein. Der Mittel-
bail beherbergt neben dem durchaus unbedeutenden Treppenhause in der Mitte im ersten Geschoß den großen, durch
zwei Stockwerke geheuden Saal, an den sich rechts und links je 7 Räume anschließen, ein langer, schmaler Korridor
vermittelt all der Hofseite die Verbindung. Sämtliche Räume weisen reiche Stuckdecken und vielfach auch stuckgezierte
Kamille aus. Prächtig ist der Eindruck jener Decken des Mittelbaues, die, voll Simonetti stuckiert, in üp-
pigem Barock gehalten sind, in mehreren Räumen tritt zum Stuck auch noch das Bunt der Deckengemälde. Die
Decke des großen Saales fällt besonders auf, die ungemein lebendige Stuckierung Simonettis, das Temperamellt
der Deckenmalereien und die Größe der Decke sind beachtenswert, Simonetti hat hier sein Meisterwerk geschaffen. —
Die Räume des Obergeschosses, einst bestimmt für den Hofstaat und für Fremde, sind wesentlich einfacher gehalten,
während die des Erdgeschosses —
heute Sitz des anhaltischen Staats-
archivs — gewölbt sind.
Der rechte, westliche, von Si-
monetti erbaute Flügel birgt neben
mehreren, teilweise gut stuckierten
Räumen die Schloßkirche, auch sie
durch zwei Geschosse durchgehend.
Ein wundervoller, in seiner weißeil
Stuckierung ungemein festlicher
Raum, der in gleicher Weise mo-
numentale Feierlichkeit mit froher
Lebendigkeit zu einen tveiß. Die
Stuckierungen und Holzschnitzereien
sind zumeist an sich sehr plump ge-
arbeitet, alles ist aber — echt ba-
rock — auf das Gauze, auf die
Gesamtwirküug eingestellt, und da
ist tatsächlich Imposantes erreicht
worden. — Abb. 33. Schloß Zerbst, Rückansicht nach Ryckwaert.
 
Annotationen