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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

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Nr. 3/4
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Sieghardt, August: Die Höhlenburg Stein a. Traun: eine der merkwürdigsten Burganlagen Deutschlands
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https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0069

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hinter dem rückwärtigen Schloßhof
steigt eine düstere Felsenwand aus
Nagelflnh empor, ans der die Fenster-
luken einer Räuberhöhle zu gähnen
scheinen. Das Ganze macht eineil
unheimlichen Eindruck lind ist nichts
für ängstliche Gemüter. Wir stehen
oor der berühmten Hohlenburg
Stein, einer vollständig in Felseil
gehauenen Burg, die man mit Recht
als eine der iilerkwürdigsteil Bnrg-
anlagen Deutschlands bezeichnet.
Bevor wir uns ihr anvertranen,
betrachteil wir die Außenseite der
Höhlenbnrg. Da sehen wir zunächst
linker Hand ein einstöckiges, grau an-
gestrichenes, einfaches Gebäude. Es
stammt ans dem Jahre 1700 und wird
voil Kleinhäuslern bewohnt. Direkt
über ihm steigt die schwarze Tuffstein-
maner mit einem sog. Pultdach und
düsteren Fensteröffnungen empor.
Sie bildet den äußerlichen Abschluß
der Höhlenbnrg. An ihr bemerkt Abb. 35. Schloß Zerbst, Ansicht des sog. Fahnensaales.
man eine Sonnenuhr mit dem gräf-
lich Törringschen Wappen und der Inschrift 1565 renov. 1705. Rechter Hand, dicht hinter dem Chor der
Schloßkapelle, seheil wir einen verfallenen, runden Turm. Er wird von: Volk „Leichenturm" genannt. Die Ritter
von Stein sollen da ihre Opfer hinabgeworfen haben. — Inzwischen ist auch der Führer zur Höhlenburg erschienen,
eiil kleines, 76jähriges Männlein, mit einer Laterne und mehreren Kerzen in der Hand. Unter seiner Obhut betreten
wir nun das geheimnisvolle Höhlenschloß. Dell Eingang bildet eine ganz unscheinbare Tür lieben zwei Stadeltoren.
Kaum hat sich diese hinter uns geschlossen, so umgibt uns tiefe Finsternis. Beim Kerzenschein gehüs etwa 30 Stufeil
auf eiuer in die Felsen gehaueneil Wendeltreppe empor zu einem 30 m langen und 1 m breiten Gang und durch
diesen in eiil mit Backsteinen überwölbtes Felsengemach. Steigt man aber weitere 20 Stilfeil aufwärts, dann steht
man vor den eigentlicheil „Wohnrüumen" der Burg, sieben größeren Gemächern, voll denen jedes einen besonderen
Namen hat. Über einer Eingangspforte findet mall Ornamente in Form eures spätgotischen Spitzbogens mit drei
Rosen, dem alten Wappen derer von Toerring. Was nun folgt, ist ein Gewirr von düsteren Felsenkammern, finsteren
Gängen, moderigen Gewölben und zyklopenartigen Wehrbauteil, eiil Felslabyrinth, das sich ehedem auf eine Länge
voil 20ausgedehnt hat und drei Stockwerke umfaßt. Wo nicht Schießscharten und kleine Gucklöcher die mit Schutt
uild Trümmern, verfaulten Fußböden und zerbröckelnden Decken angefüllten Räume erhellen, tut dies die flackernde
Laterne des eifrig schwatzenden Führers, der uns von dem einstigen Besitzer der Felsenburg, dem sagenumwobenen
Ritter Heinz von Stein, gell, dem „Wildeil", einem mittelalterlichen Blaubart, schaudervolle Geschichten zu
erzählen weiß.
Wir kommen noch durch die Küche und den ehemaligen Speisesaal, die Waffenschmiede, das Schlafgemach
Waldtrauts, der schönen, von Ritter Heinz geraubten Meierstochter, und den Tanzsaal, von dessen Decke vor einem
Jahrzehnt sich ein mächtiger Felsblock löste, der die Halste des „Erfrischungsraumes" einnimmt. Auch die stockdunkle
Folterkammer mit den noch vorhandenen Marterwerkzeugen wird uns gezeigt, ebenso ein in die Felsen gehauener,
21 m tiefer Brunnen, dessen Schacht in die Traun mündet und den der Führer durch brennendes Zeitungspapier
erhellt. Wer Lust hat, möge auch die zwei in die Felsen getriebenen, unterirdischen Gänge besuchen, voll denen einer
nach dem eine Stunde entfernten Trostberg, der andere nach Tengling bei Waging (20 1<iu) führen sollen (?). Die
ganze Anlage und Bauart dieser seltsamen Höhlenburg, die lebhaft au die Felsenkapellen am Mönchsberg über dem
St. Petersfriedhof bei Salzburg erinnern, geben der Vermutung Raum, daß es sich hier um ein Bauwerk aus der
Römerzeit (?) Handelt.
Die größte Überraschung für den Besucher der Höhlenburg Stein kommt am Schluß der Besichtigung. Der
Führer geleitet uns mit der Laterne durch eineil 2 m breiten, mit 40 Stufen versehenen stockfinsteren unterirdischen
Gang auf holperigem schlüpfrigen Pfad nach oben. Plötzlich öffnet sich ein schweres eisernes Tor, und wir stehen
verwundert vor einem weiten, lauschigen Hain. Erleichtert verlassen wir die schauerliche Unterwelt, stehen aber un-
erwartet abermals vor einem burgartigen Gebäude. Es ist dies das über der Höhlenburg stehende sog. Hochschloß,
ein ganz merkwürdiger, ebenfalls uralter Bau, der wegen starker Baufälligkeit jedoch nicht betreten werden kann.
Er zeigt im Mauerwerk, in den Fenster- und Türformen die gleiche Bauart wie die Felsenburg und hat dieser zweifel-
 
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