40. Carl Ludwig Fernow
Römische Studien (1806)
Vorrede.
[...] Man pflegt gern die Landschaftmalerei der Musik zu vergleichen, und diese
Vergleichung hat ihren Grund in der Aehnlichkeit der Wirkungen, welche Farben
und Töne, sowohl einzeln auf die Empfindung, als im harmonischen Verein aufs
Gefühl, hervorbringen. Aber man solte doch, bei der Vergleichung beider Künste
selbst, keinen Augenblik vergessen, dass die Malerei überhaupt, mithin auch die
landschaftliche, keine blosse Farbenkunst, sondern dass auch das Wesen und die
Grundlage der Landschaftmalerei durchaus plastisch ist, also in jedem Theile
anschauliche B es t imthe it und einen karakteristischen Aus-
d ru k ihrer Gegenstände fordert; [...]
Diese Erinnerung scheint gegenwärtig um so nöthiger, wo ein des Wesens und Zweks
der Kunst völlig unkundiger, aber mit der Miene mistischen Tiefsinnes zuversichtlich
auftretender ästhetischer Idealismus die ungereimte Foderung macht, dass die Kün-
ste sich möglichst universalisiren, oder wie man es richtiger nennen würde, Unzucht
mit einander treiben sollen, und dass sie nur auf fremdem Gebiet ihre ganze Wunder-
kraft entfalten können. So sehen wir denn auch als Früchte dieser herlichen Lehre
die seltsamsten Bastarde in der Kunst zum Vorschein kommen. Die Poesie tändelt
mit Farben und Klängen; ihre Anschauungen zerfliessen klangreich, aber formlos,
in Duft und Nebel; dramatische Personen, stat zu handeln, unterreden sich in lirischen
Versarten; Tonkünstlermalen Schlachten, Seestürme, Mondschein und Regenbogen;
Claude und Correggio werden als musikalische, - Michelangelo als
epischer Maler gepriesen, wärend eine träumende Mistik in den drei Grundfarben
das Simbol der göttlichen Dreifaltigkeit ergrübelt. Anders lautet, was der Herausge-
berder P ropylceen in der Einleitung derselben über diesen Punkt sagt, und was
wir allen Künstlern zur Beherzigung empfehlen: »Eines der vorzüglich-
sten Kenzeichen des V e rfa Iles der Kunst - heist es daselbst, -
ist die Vermischung d e r v e rs c h i e d e n e n Arten derselben.«
[...] Sind diese Worte wahr, so ist in ihnen zugleich unseren so hoch gepriesenen
musikalischen Poeten, allegorisirenden Malern, und malenden Musikern, samt ih-
ren wundersamen Werken, so wie dem losen Geschwäz jener Fantasten, die gern
alle Künste untereinander wirren, und sie, wäre es möglich, zu der kindischen Ein-
falt ihrer früheren geschmaklosen Bestrebungen zurükführen möchten, das Urtel
gesprochen.
Über die Landschaftmalerei.
[...] Die dramatische Malerei hat ein grösseres Interesse und höhere Schönheiten als
die Landschafimalerei. Aber wenn wir auch, durch den wahren Ausdruk der Dar-
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Römische Studien (1806)
Vorrede.
[...] Man pflegt gern die Landschaftmalerei der Musik zu vergleichen, und diese
Vergleichung hat ihren Grund in der Aehnlichkeit der Wirkungen, welche Farben
und Töne, sowohl einzeln auf die Empfindung, als im harmonischen Verein aufs
Gefühl, hervorbringen. Aber man solte doch, bei der Vergleichung beider Künste
selbst, keinen Augenblik vergessen, dass die Malerei überhaupt, mithin auch die
landschaftliche, keine blosse Farbenkunst, sondern dass auch das Wesen und die
Grundlage der Landschaftmalerei durchaus plastisch ist, also in jedem Theile
anschauliche B es t imthe it und einen karakteristischen Aus-
d ru k ihrer Gegenstände fordert; [...]
Diese Erinnerung scheint gegenwärtig um so nöthiger, wo ein des Wesens und Zweks
der Kunst völlig unkundiger, aber mit der Miene mistischen Tiefsinnes zuversichtlich
auftretender ästhetischer Idealismus die ungereimte Foderung macht, dass die Kün-
ste sich möglichst universalisiren, oder wie man es richtiger nennen würde, Unzucht
mit einander treiben sollen, und dass sie nur auf fremdem Gebiet ihre ganze Wunder-
kraft entfalten können. So sehen wir denn auch als Früchte dieser herlichen Lehre
die seltsamsten Bastarde in der Kunst zum Vorschein kommen. Die Poesie tändelt
mit Farben und Klängen; ihre Anschauungen zerfliessen klangreich, aber formlos,
in Duft und Nebel; dramatische Personen, stat zu handeln, unterreden sich in lirischen
Versarten; Tonkünstlermalen Schlachten, Seestürme, Mondschein und Regenbogen;
Claude und Correggio werden als musikalische, - Michelangelo als
epischer Maler gepriesen, wärend eine träumende Mistik in den drei Grundfarben
das Simbol der göttlichen Dreifaltigkeit ergrübelt. Anders lautet, was der Herausge-
berder P ropylceen in der Einleitung derselben über diesen Punkt sagt, und was
wir allen Künstlern zur Beherzigung empfehlen: »Eines der vorzüglich-
sten Kenzeichen des V e rfa Iles der Kunst - heist es daselbst, -
ist die Vermischung d e r v e rs c h i e d e n e n Arten derselben.«
[...] Sind diese Worte wahr, so ist in ihnen zugleich unseren so hoch gepriesenen
musikalischen Poeten, allegorisirenden Malern, und malenden Musikern, samt ih-
ren wundersamen Werken, so wie dem losen Geschwäz jener Fantasten, die gern
alle Künste untereinander wirren, und sie, wäre es möglich, zu der kindischen Ein-
falt ihrer früheren geschmaklosen Bestrebungen zurükführen möchten, das Urtel
gesprochen.
Über die Landschaftmalerei.
[...] Die dramatische Malerei hat ein grösseres Interesse und höhere Schönheiten als
die Landschafimalerei. Aber wenn wir auch, durch den wahren Ausdruk der Dar-
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