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Paris.

71

»Ihr denkt, ich bin glücklich, weil ich mir mein
Brot nicht zu verdienen brauche. Der wirklich Glück-
liche bist du, mit deinem tiefen Empfinden. Ich habe
mich nie für etwas anderes interessiert als den Fau-
bourg Saint-Marceau!«
Andererseits war Marolle durch seinen auf das
Praktische gerichteten Sinn für Millet sehr nützlich.
Er begleitete ihn bei seinen abendlichen Besuchen
nach der Bibliothek, er forderte die Bücher für Millet,
half ihm bei seinen Forschungen und wurde in der
That das Band zwischen dem scheuen, zurückhaltenden
Studenten und der Aussenwelt. Durch Marolle lernte
Millet andere Künstler kennen, er lernte die Welt im
allgemeinen freundlicher betrachten und hoffnungs-
voller und freudiger in die Zukunft schauen.
Ohne die Hilfe des treuen, edlen Freundes hätte
er vielleicht den Mut verloren in dem harten Kampf,
welchen er in langen, einsamen Jahren zu kämpfen hatte.
Im Jahre 1839 wurde die Cherbourger Unter-
stützung eingezogen, und seine Mutter und Gross-
mutter konnten ihm nur wenig Hilfe gewähren. Unter
diesen Umständen beriet er mit Marolle über die
beste Art des Verdienstes. »Wenn ich nun Bilder
aus dem Landleben malte,« meinte er, »zum Beispiel
einen Mann, der Heu wendet, das ist eine schöne
Bewegung.«
»Gewiss,« erwiderte Marolle, »aber du wirst sie
niemals verkaufen.«
»Was meinst du zu Nymphen und Faunen, —
Waldlandschaften?« fragte Millet.
»Wer weiss denn in Paris etwas von einem
Faun?« gab Marolle zurück.
»Was soll ich denn aber thun,« sagte Millet ver-
drossen, »meine Ideen sind zu Ende.«
 
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