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Jean Francois Millet.

der Pariser Modemaler. »Ganz gewiss,« erwiderte er,
»aber ihre Kunst ist der Schönheit eines Fra Angelico
noch fern.« Ein hervorragendes Interesse hatte Millet
für den alten Meister II Greco, ein Bild dieses drama-
tischen, kraftvollen Künstlers — der zwischen Tinto-
retto und Velasquez steht — war bis zu seiner letzten
Krankheit eine unerschöpfliche Freude für ihn. Millet
hatte wenig Sympathie für die letzte Entwicklung der
zeitgenössischen Kunst, nach seiner Ansicht sollte der
Salon während fünf Jahren geschlossen werden, um
den Künstlern mehr Zeit zum Studium zu geben und
den Kritikern, weniger dünkelhaft zu sein.
»Nach Ablauf dieses Zeitraumes liesse ich jeden
Künstler eine Aktstudie einschicken. Wie viele unserer
jungen Prahlhänse würden den Wettstreit ablehnen und
ihr Nichtkönnen an den Tag bringen.«
An einem Oktoberabend kam Millet in das Atelier
seines Sohnes, um nach einem Block zu sehen, den
er für seinen Bruder Pierre vorbereitet hatte. Die
Zeichnung stellte einen Bauer dar, der mit beiden
Händen auf seinem Spaten ruht, jeder Strich war voll
lebendigen Ausdrucks, als Bild vollendet. Der Meister
war zufrieden und schlug Eaton vor, aus dem Motiv
ein Bild zu machen. Dann setzte er sich hin und
äusserte sich wehmütig über die Schönheit des Herbstes
und die vielen traurigen Erinnerungen, welche diese
Jahreszeit in ihm weckte. Nach einer Weile kehrten
seine Gedanken zu der Zeichnung zurück, und er
sprach über die Qualitäten, die ihn in der Kunst am
meisten ansprachen. »Ruhe,« sagte er, »drückt oft
mehr aus als Handlung. Der auf seine Hacke gestützte
Mann spricht mehr von Arbeit, als der grabende; er
hat gearbeitet und ist ermüdet, er ruht, aber er wird
weiter arbeiten.« Ebenso zog er es vor, Leute in
 
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