72
DEM ANDENKEN PAUL BECKERTS
dem Geist seiner Studienzeit entsprechend,
naturalistischer eingesetzt und durchgebil-
det sind, ein Hauch jener idealeren Kunst-
zeit liegt über ihnen. Romantik und Realis-
mus vermählt sich gleichsam in seinem
»Sterbenden Krieger«, über den im Abend-
glühen ein geflügelter Engel sich nieder-
neigt; schlichtes deutsches Gemüt klingt
wider in seiner »Musik« (Abb. S. 65). Schon
seine dramatische Tuschzeichnung: »Die
Schlacht bei Sempach« weist eine ähnliche
Geistigkeit auf. Der geschichtlich deut-
sche Geist, der dies sein Jugendwerk so
kraftvoll und lebendig macht, steckt auch,
moderner geartet, in der Galerie seiner Bild-
nisse : Beckert ist ungewollt einer der treue-
sten Malerchronisten unserer Vorkriegszeit
geworden. Die Kulturhistoriker wie die
Heldenverchrcr dürfen ihn beide zu Rate
ziehen. Er hat Landes- wie Kirchenfürsten
auch dem Blick und Herzen des Volkes
nahegebracht, hat es in unserer Zelt wie
wenige andere verstanden, Liebe und Ver-
ehrung gegen Thron und Altar durch Bild-
nismalerei zu stärken und zu wecken. An-
mutige Frauen- und Kinderbilder schließen
den Reigen seiner anspruchslosen deutschen
Heimkunst. Beckerts Bilder sind eben mit
Nächstenliebe und Mitgefühl gemalt, sind
aus dem Bewußtsein der menschlichen Ge-
meinsamkeit des Künstlers und seiner Kunst-
sprache mit der nationalen Gesellschaft ent-
standen — ein Gemeinschaftsbewußtsein, das
vielen jüngeren Künstlern ganz abhanden
gekommen zu sein scheint.
Beckert ist ein ehr i st 1 i c he r Künstler,
— nicht nur weil er eine Reihe kirchlicher
Aufträge in echt christlichem Geiste aus-
führte, sondern vornehmlich, weil er inner-
lichst aus dem Glauben lebte und schuf.
Es war ein Opfer für ihn, aus äußeren Grün-
den seine Kraft durchweg in den Dienst der
Profankunst stellen zu müssen, seine innerste
Neigung galt der aufs Heilige gerichteten
Komposition, der religiösen Malerei. Sein
erstes, schon in Dresden entstandenes Bild
war eine »Heilige Familie«; ein »Einsied-
lerritt« unter Engelführung, eine »Genoveva«
folgten nach. Die Welt, die ihn fast nur als
berufenen Porträtmaler kannte, ahnte nicht,
wie sehr seine Seele der Ars sacra, ja bis
zum Tode in ihrer ganzen Zielstrebigkeit
dem Übernatürlichen zugewandt war. Nur
ein ganz vom katholischen Geist durchdrun-
gener Künstler konnte zur freien allegori-
schen Verbildlichung einer konischen Enzy-
klika schreiten, nur ein ganz im Reiche der
Karitas beheimateter Mann konnte ein solches
Herz-Jesu-Bild (Abb.S. 71) schaffen, wie
es ihm gelungen ist. Hier ist deutsche Innig-
keit mit hineingemalt. Zart und mitleidsvoll,
fast wie von weiblicher Hand ist es gestaltet;
die vibrierenden Züge, die bewegten Hände
künden die liebezitternde Seele Christi.
Das Bild befindet sich im Germanicum
zu Rom. Seit seiner Aufstellung dort hat
die Herz-Jesuverehrung in diesem Kolleg
einen sichtlichen Aufschwung genommen.
Scheint doch der Heiland hier die Strahlen
der Gnade, die aus seiner Herzenswunde
hervorkommen, mit seinen durchbohrten
Händen gleichsam auf die vor ihm knien-
den Theologen hinzulenken, damit alle Prie-
ster nach seinem Herzen werden — wie
P. Ehrenborg S. J. in seinem Charakterbild
von Johannes Coassini1) sagt. Dieser heilig-
mäßige Neupriester hegte eine so große
Verehrung zu jenem Bilde, daß er gerade
davor besonders gern betete, daß er es an
seinem Primiztag mit Blumen schmückte,
daß er eine größere Nachbildung davon an
das Fußende seines Krankenlagers zu be-
festigen bat und sich bis zu seinem frühen
seligen Sterben fortwährend mit ihm unter-
hielt. So ward es ihm leicht, sich in der
Gegenwart des göttlichen Heilands zu hal-
ten und sich ihm ganz zu opfern. Wahrlich
ein Erfolg, in seiner ergreifenden Wirkung
bedeutsamer als Ausstellungsmedaillen, und
wohl das schönste Zeugnis für Beckerts
echtchristlichen Kunstgeist.
So manches Meisterhafte und Schöne,
das noch in seiner Hinterlassenschaft ruht,
wird, wenn veröffentlicht, Beckerts Wert-
schätzung erhöhen, doch er klagte nicht mit
Unrecht, daß eine materialistische Zeitströ-
mung und ein schweres Lebensgeschick die
volle Enfaltung seiner besten Kräfte verhin-
derthätten. Aber die Ideale derEltern werden
zuweilen realisiert in ihren Kindern. Vater
wie Mutter einer seligen Theresia vom Kinde
Jesu hatten sich beide im Ordensstand Gott
gänzlich weihen wollen; sie vermochten je-
doch nicht, dies durchzuführen: ihre Kinder
wurden, was sie ersehnten. Ähnliches liegt
bei Paul Beckert vor. Er wurde in die Salons
geschoben, wo es ihn zur Zelle zog. Oft aber
hat er zu seinem Malersohn Joseph Maria
gesagt: »Du bist eigentlich das geworden,
was ich werden wollte«; ihn hat er auf seine
reine feine seelenvolle Kunstweise hinge-
leitet. In ihm konnten sich von Kindheit an
Seelenleben und Malbegabung ungestörter
J Auf Seite 2?off. Das Buch ist unter dem
Titel »Zum Priesterideal« bei Herder erschienen.
DEM ANDENKEN PAUL BECKERTS
dem Geist seiner Studienzeit entsprechend,
naturalistischer eingesetzt und durchgebil-
det sind, ein Hauch jener idealeren Kunst-
zeit liegt über ihnen. Romantik und Realis-
mus vermählt sich gleichsam in seinem
»Sterbenden Krieger«, über den im Abend-
glühen ein geflügelter Engel sich nieder-
neigt; schlichtes deutsches Gemüt klingt
wider in seiner »Musik« (Abb. S. 65). Schon
seine dramatische Tuschzeichnung: »Die
Schlacht bei Sempach« weist eine ähnliche
Geistigkeit auf. Der geschichtlich deut-
sche Geist, der dies sein Jugendwerk so
kraftvoll und lebendig macht, steckt auch,
moderner geartet, in der Galerie seiner Bild-
nisse : Beckert ist ungewollt einer der treue-
sten Malerchronisten unserer Vorkriegszeit
geworden. Die Kulturhistoriker wie die
Heldenverchrcr dürfen ihn beide zu Rate
ziehen. Er hat Landes- wie Kirchenfürsten
auch dem Blick und Herzen des Volkes
nahegebracht, hat es in unserer Zelt wie
wenige andere verstanden, Liebe und Ver-
ehrung gegen Thron und Altar durch Bild-
nismalerei zu stärken und zu wecken. An-
mutige Frauen- und Kinderbilder schließen
den Reigen seiner anspruchslosen deutschen
Heimkunst. Beckerts Bilder sind eben mit
Nächstenliebe und Mitgefühl gemalt, sind
aus dem Bewußtsein der menschlichen Ge-
meinsamkeit des Künstlers und seiner Kunst-
sprache mit der nationalen Gesellschaft ent-
standen — ein Gemeinschaftsbewußtsein, das
vielen jüngeren Künstlern ganz abhanden
gekommen zu sein scheint.
Beckert ist ein ehr i st 1 i c he r Künstler,
— nicht nur weil er eine Reihe kirchlicher
Aufträge in echt christlichem Geiste aus-
führte, sondern vornehmlich, weil er inner-
lichst aus dem Glauben lebte und schuf.
Es war ein Opfer für ihn, aus äußeren Grün-
den seine Kraft durchweg in den Dienst der
Profankunst stellen zu müssen, seine innerste
Neigung galt der aufs Heilige gerichteten
Komposition, der religiösen Malerei. Sein
erstes, schon in Dresden entstandenes Bild
war eine »Heilige Familie«; ein »Einsied-
lerritt« unter Engelführung, eine »Genoveva«
folgten nach. Die Welt, die ihn fast nur als
berufenen Porträtmaler kannte, ahnte nicht,
wie sehr seine Seele der Ars sacra, ja bis
zum Tode in ihrer ganzen Zielstrebigkeit
dem Übernatürlichen zugewandt war. Nur
ein ganz vom katholischen Geist durchdrun-
gener Künstler konnte zur freien allegori-
schen Verbildlichung einer konischen Enzy-
klika schreiten, nur ein ganz im Reiche der
Karitas beheimateter Mann konnte ein solches
Herz-Jesu-Bild (Abb.S. 71) schaffen, wie
es ihm gelungen ist. Hier ist deutsche Innig-
keit mit hineingemalt. Zart und mitleidsvoll,
fast wie von weiblicher Hand ist es gestaltet;
die vibrierenden Züge, die bewegten Hände
künden die liebezitternde Seele Christi.
Das Bild befindet sich im Germanicum
zu Rom. Seit seiner Aufstellung dort hat
die Herz-Jesuverehrung in diesem Kolleg
einen sichtlichen Aufschwung genommen.
Scheint doch der Heiland hier die Strahlen
der Gnade, die aus seiner Herzenswunde
hervorkommen, mit seinen durchbohrten
Händen gleichsam auf die vor ihm knien-
den Theologen hinzulenken, damit alle Prie-
ster nach seinem Herzen werden — wie
P. Ehrenborg S. J. in seinem Charakterbild
von Johannes Coassini1) sagt. Dieser heilig-
mäßige Neupriester hegte eine so große
Verehrung zu jenem Bilde, daß er gerade
davor besonders gern betete, daß er es an
seinem Primiztag mit Blumen schmückte,
daß er eine größere Nachbildung davon an
das Fußende seines Krankenlagers zu be-
festigen bat und sich bis zu seinem frühen
seligen Sterben fortwährend mit ihm unter-
hielt. So ward es ihm leicht, sich in der
Gegenwart des göttlichen Heilands zu hal-
ten und sich ihm ganz zu opfern. Wahrlich
ein Erfolg, in seiner ergreifenden Wirkung
bedeutsamer als Ausstellungsmedaillen, und
wohl das schönste Zeugnis für Beckerts
echtchristlichen Kunstgeist.
So manches Meisterhafte und Schöne,
das noch in seiner Hinterlassenschaft ruht,
wird, wenn veröffentlicht, Beckerts Wert-
schätzung erhöhen, doch er klagte nicht mit
Unrecht, daß eine materialistische Zeitströ-
mung und ein schweres Lebensgeschick die
volle Enfaltung seiner besten Kräfte verhin-
derthätten. Aber die Ideale derEltern werden
zuweilen realisiert in ihren Kindern. Vater
wie Mutter einer seligen Theresia vom Kinde
Jesu hatten sich beide im Ordensstand Gott
gänzlich weihen wollen; sie vermochten je-
doch nicht, dies durchzuführen: ihre Kinder
wurden, was sie ersehnten. Ähnliches liegt
bei Paul Beckert vor. Er wurde in die Salons
geschoben, wo es ihn zur Zelle zog. Oft aber
hat er zu seinem Malersohn Joseph Maria
gesagt: »Du bist eigentlich das geworden,
was ich werden wollte«; ihn hat er auf seine
reine feine seelenvolle Kunstweise hinge-
leitet. In ihm konnten sich von Kindheit an
Seelenleben und Malbegabung ungestörter
J Auf Seite 2?off. Das Buch ist unter dem
Titel »Zum Priesterideal« bei Herder erschienen.