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EIN NEUES ALTARWERK VON BALTHASAR SCHMITT
A. G. BORCHERT (BERLIN-GRUNEWALD)
KNABENBILDNIS
feiner Glanz besonders vornehm wirkt und charak-
spielen. Es
halten wird. In den beiden Flügeln des
Retabels hebt sich, kräftig sichtbar,
die mandorlaförmige, durch einen
Laubstab eingerahmte Fläche des
Reliefs der Hauptdarstellung heraus.
Die in der Fläche des Rechtecks ver-
bleibenden Zwickel sind ebenfalls
mit Reliefszenen angefüllt. Ursprüng-
lich waren zum Teil andere Bilder
beabsichtigt, besonders für den rech-
ten Flügel. Wegen der Reihenfolge
der Szenen müssen wir aber zunächst
den linken anschauen. Hier bildet
den Mittelpunkt die Anbetung des
neugeborenen Heilandes durch seine
irdischen Eltern und die Engel. Die
Zwickel oben zeigen die Verkündi-
gung Mariä, unten links befindet sich
die Anbetung der Hirten, rechts die
der Könige. Der rechte Flügel sollte
ursprünglich die Himmelfahrt Chri-
sti als Hauptbild erhalten. Statt
dessen ist, der Bestimmung des Alta-
res entsprechend, eine Josephsszene
gewählt worden, nämlich das Wie-
derfinden des zwölfjährigen Jesus im
Tempel. Die Örtlichkeit ist durch
Spitzbögen sowie durch einenHänge-
leuchter angedeutet. Ausgezeichnet
ist die Charakterisierung der Juden,
besonders des in der Mitte sitzenden
bärtigen, der eine aufgerollte Hand-
schrift auf dem Schoße hält. Die
Zwickel zeigen unten links Maria am
Spinnrocken, das Spiel des Jesuskin-
des mit einem Engel beobachtend;
rechts die Erziehung zur Arbeit:
St. Joseph als Zimmermann wirkend,
während der Jesusknabe ihm hilft.
Oben links der Tod Josephs, der Hei-
land spricht ihm zu, Maria steht trau-
ernd dabei; rechts mehrere betende
Engel, einer mit einer Sterbekerze
in der Hand. Über den figürlichen
Szenen beider Flügel zieht sich ein
reiches Ranken- und Laubornament
hin, in dem kleine vergoldete Vögel
trägt den Stilcharakter der deutschen
teristisch dazu beiträgt, die Erinnerung an Bronze-
guß wachzurufen. Belebt wird das gleichförmige
Schwarzgrau durch das hellere Grau der Ritzzeich-
nungen und Schraffierungen, die Lichter und Schat-
ten der Reliefs, außerdem aber durch zurückhal-
tende Verwendung von Gold. Es schmückt Hinter-
gründe, Gerätschaften, Haare, Heiligenscheine und
anderes. Der Auftrag des Goldes mußte mit Hilfe
einer besonderen Technik erfolgen, bei der Kasein
zur Verwendung kam.
Alle drei Teile des Retabels sind mit flachen
Reliefs geschmückt. In der Mitte sieht man ober-
halb der Tabernakeltür die Kreuzigungsgruppe.
Beides wird zu besonders kräftiger Wirkung ge-
bracht dadurch, daß die Fläche etwas zurückgerückt
ist, wodurch eine viereckige flache Nische ent-
steht. Die abgeschrägte Leibung dieser Nische er-
weitert sich nach außen. Ihre Fläche ist in eine
Anzahl von Vierecken eingeteilt. Vier davon zeigen
die Evangelistensymbole, zwei die Inschrift Ecce
panis — Angelorum, die übrigen sindmitschlichtem
Ornament gefüllt. Im Dreiecksgiebel oben erblickt
man dasLamm Gottes mit derFahne innerhalb eines
von Strahlen umgebenen Kreises, der von Engeln ge-
Renaissance, wie denn überhaupt die stilistische
Behandlung der gesamten Reliefs in freier, aus
dem Innern kommender Auffassung diese Rich-
tung befolgt. Sie paßt mit ihrer herben Anmut
und Kraft aufs beste zu der durch die Natur des
Materials bedingten Technik. Gerade in der so ge-
förderten Strenge (zumal auch der Gesichter und
Hände) spricht sich die Tiefe der künstlerischen
und religiösen Empfindung besonders schön und
in einer dem deutschen Gemüt nachgehenden Art
aus. Jede Weichlichkeit ist vermieden; ein kräf-
tiger, männlicher Ton geht durch das Ganze.
Doering
ERKENNTNISSE
Jeder Künstler, der etwas leistet, wird auch
eine bestimmte Auffassung von der Kunst in sich
tragen, welche für ihn die richtige ist; ob sie ge-
nügt, um über die ganze Kunst zu Gericht zu
sitzen, hängt von seiner Genußfähigkeit und seiner
Achtung vor der vielfältig gebärenden und leben-
den Natur ab. Albert Welti
EIN NEUES ALTARWERK VON BALTHASAR SCHMITT
A. G. BORCHERT (BERLIN-GRUNEWALD)
KNABENBILDNIS
feiner Glanz besonders vornehm wirkt und charak-
spielen. Es
halten wird. In den beiden Flügeln des
Retabels hebt sich, kräftig sichtbar,
die mandorlaförmige, durch einen
Laubstab eingerahmte Fläche des
Reliefs der Hauptdarstellung heraus.
Die in der Fläche des Rechtecks ver-
bleibenden Zwickel sind ebenfalls
mit Reliefszenen angefüllt. Ursprüng-
lich waren zum Teil andere Bilder
beabsichtigt, besonders für den rech-
ten Flügel. Wegen der Reihenfolge
der Szenen müssen wir aber zunächst
den linken anschauen. Hier bildet
den Mittelpunkt die Anbetung des
neugeborenen Heilandes durch seine
irdischen Eltern und die Engel. Die
Zwickel oben zeigen die Verkündi-
gung Mariä, unten links befindet sich
die Anbetung der Hirten, rechts die
der Könige. Der rechte Flügel sollte
ursprünglich die Himmelfahrt Chri-
sti als Hauptbild erhalten. Statt
dessen ist, der Bestimmung des Alta-
res entsprechend, eine Josephsszene
gewählt worden, nämlich das Wie-
derfinden des zwölfjährigen Jesus im
Tempel. Die Örtlichkeit ist durch
Spitzbögen sowie durch einenHänge-
leuchter angedeutet. Ausgezeichnet
ist die Charakterisierung der Juden,
besonders des in der Mitte sitzenden
bärtigen, der eine aufgerollte Hand-
schrift auf dem Schoße hält. Die
Zwickel zeigen unten links Maria am
Spinnrocken, das Spiel des Jesuskin-
des mit einem Engel beobachtend;
rechts die Erziehung zur Arbeit:
St. Joseph als Zimmermann wirkend,
während der Jesusknabe ihm hilft.
Oben links der Tod Josephs, der Hei-
land spricht ihm zu, Maria steht trau-
ernd dabei; rechts mehrere betende
Engel, einer mit einer Sterbekerze
in der Hand. Über den figürlichen
Szenen beider Flügel zieht sich ein
reiches Ranken- und Laubornament
hin, in dem kleine vergoldete Vögel
trägt den Stilcharakter der deutschen
teristisch dazu beiträgt, die Erinnerung an Bronze-
guß wachzurufen. Belebt wird das gleichförmige
Schwarzgrau durch das hellere Grau der Ritzzeich-
nungen und Schraffierungen, die Lichter und Schat-
ten der Reliefs, außerdem aber durch zurückhal-
tende Verwendung von Gold. Es schmückt Hinter-
gründe, Gerätschaften, Haare, Heiligenscheine und
anderes. Der Auftrag des Goldes mußte mit Hilfe
einer besonderen Technik erfolgen, bei der Kasein
zur Verwendung kam.
Alle drei Teile des Retabels sind mit flachen
Reliefs geschmückt. In der Mitte sieht man ober-
halb der Tabernakeltür die Kreuzigungsgruppe.
Beides wird zu besonders kräftiger Wirkung ge-
bracht dadurch, daß die Fläche etwas zurückgerückt
ist, wodurch eine viereckige flache Nische ent-
steht. Die abgeschrägte Leibung dieser Nische er-
weitert sich nach außen. Ihre Fläche ist in eine
Anzahl von Vierecken eingeteilt. Vier davon zeigen
die Evangelistensymbole, zwei die Inschrift Ecce
panis — Angelorum, die übrigen sindmitschlichtem
Ornament gefüllt. Im Dreiecksgiebel oben erblickt
man dasLamm Gottes mit derFahne innerhalb eines
von Strahlen umgebenen Kreises, der von Engeln ge-
Renaissance, wie denn überhaupt die stilistische
Behandlung der gesamten Reliefs in freier, aus
dem Innern kommender Auffassung diese Rich-
tung befolgt. Sie paßt mit ihrer herben Anmut
und Kraft aufs beste zu der durch die Natur des
Materials bedingten Technik. Gerade in der so ge-
förderten Strenge (zumal auch der Gesichter und
Hände) spricht sich die Tiefe der künstlerischen
und religiösen Empfindung besonders schön und
in einer dem deutschen Gemüt nachgehenden Art
aus. Jede Weichlichkeit ist vermieden; ein kräf-
tiger, männlicher Ton geht durch das Ganze.
Doering
ERKENNTNISSE
Jeder Künstler, der etwas leistet, wird auch
eine bestimmte Auffassung von der Kunst in sich
tragen, welche für ihn die richtige ist; ob sie ge-
nügt, um über die ganze Kunst zu Gericht zu
sitzen, hängt von seiner Genußfähigkeit und seiner
Achtung vor der vielfältig gebärenden und leben-
den Natur ab. Albert Welti