WILHELM STEINHAUSEN
IT4
BR. REINOLD TEUTENBERG, O. S. B. DER GUTE HIRTE
Am Familiengrab Vanvolxen in Trier. — Text S. log
doch ihrer Art, trotz des Strebens, diese
mit Realismus zu durchwirken, nicht ent-
ziehen. Man sehe die »Heilung des Blind-
geborenen«, »Lasset die Kindlein zu mir
kommen«, das Tobias-Glasgemälde und'zahl-
reiches andere. Seine innere Unklarheit ließ
ihn in Giottos Fresken das Vorbild prote-
stantischer Kunst sehen.
Die Größe seines Wollens offenbarte sich
in der Art, wie er das Einzelne ins Allge-
meine zu steigern suchte und der Technik
oft nur so viel Bedeutung ließ, als sich in
ihr die Möglichkeit zum Ausdruck der Idee
darbot. Die Halbheit seiner Erkenntnis aber
trat zutage in der Weise, wie er mit dem
Allgemeinen das Einzelne, mit dem Über-
irdischen das Irdische, mit dem Idealismus
Alltäglichkeit verquicken zu sollen glaubte,
ein Unternehmen, das der religiösen Kunst
noch nie zum Segen gediehen ist. Dem
klaren Bilde dessen, was Steinhausen zu
leisten vermochte, stehen auch jene zahlrei-
chen seiner profanen und religiösen Werke
im Wege, in denen sich fremde
Einflüsse geltend machen. Von
jedem der zuvor genannten Mei-
ster, die er als Vorbilder be-
wunderte, finden sich in seinem
Schaffen die deutlichen Spuren.
Groß war Steinhausens christliche
Kunst nur, wo sie sich auf sich
selbst allein verließ, sich von allen
Äußerlichkeiten losmachte, um
mit ergreifender Vereinfachung
statt auf die Sinne auf das Ge-
müt zu wirken. Diesen Weg be-
schritt Steinhausen schon früh mit
der Zeichnung des auf dem See
predigenden Heilandes, später in
Werken wie »Die Bergpredigt«,
»Jesus und Nikodemus«, »Des
Menschen Sohn«, »Der Stern«,
»Du zeigst mir deine durchgra-
bene Hand« und andere. Mit sol-
chen Schöpfungen hätte sich Stein-
hausen in die Reihe der großen
christlichen Künstler stellen kön-
nen; wäre dieser Weg sein ein-
ziger gewesen, so hätte er ihn
an ein höchstes Ziel geführt. Aber
es war nicht sein einziger. Der
andere — von den Wegen seiner
Abhängigkeit rede ich nicht —
ist der in seinen Landschaften
sichtbare zum Pantheismus. Er
ließ Steinhausen jenes Ziel ver-
fehlen. Daß er auf diesem Wege
wandelte, kam ihm nicht zur Emp-
findung. Steinhausens religiös-künstlerische
Auffassung weilte stets am Rande der gro-
ßen Wahrheit, blickte sozusagen über den
Zaun in die Herrlichkeiten des blühenden
Gartens der Gnade, den er doch kannte, ohne
doch Mut und Klarheit zu finden, um freudig
und beherzt durch die offene Pforte in ihn
einzutreten. Der wahren, großen christlichen
Kunst, für die er ein Führer hätte werden
können, ist er trotz reinster, edelster Ab-
sichten verloren gegangen. Doering
VOM
RESTAURIEREN DERGEMÄLDE
(Vgl. Abb. S. 116—119)
err Pfarrer St. Braunmüller zu Jarzt bei
Unterbruck in Oberbayern ließ im Som-
mer 1919 das Hochaltarblatt der dortigen
Kirche restaurieren. Es stammt aus den letz-
ten Jahren des Antonio Zanchi (wohl 1723)
und schildert den Abschied Jesu von Maria
IT4
BR. REINOLD TEUTENBERG, O. S. B. DER GUTE HIRTE
Am Familiengrab Vanvolxen in Trier. — Text S. log
doch ihrer Art, trotz des Strebens, diese
mit Realismus zu durchwirken, nicht ent-
ziehen. Man sehe die »Heilung des Blind-
geborenen«, »Lasset die Kindlein zu mir
kommen«, das Tobias-Glasgemälde und'zahl-
reiches andere. Seine innere Unklarheit ließ
ihn in Giottos Fresken das Vorbild prote-
stantischer Kunst sehen.
Die Größe seines Wollens offenbarte sich
in der Art, wie er das Einzelne ins Allge-
meine zu steigern suchte und der Technik
oft nur so viel Bedeutung ließ, als sich in
ihr die Möglichkeit zum Ausdruck der Idee
darbot. Die Halbheit seiner Erkenntnis aber
trat zutage in der Weise, wie er mit dem
Allgemeinen das Einzelne, mit dem Über-
irdischen das Irdische, mit dem Idealismus
Alltäglichkeit verquicken zu sollen glaubte,
ein Unternehmen, das der religiösen Kunst
noch nie zum Segen gediehen ist. Dem
klaren Bilde dessen, was Steinhausen zu
leisten vermochte, stehen auch jene zahlrei-
chen seiner profanen und religiösen Werke
im Wege, in denen sich fremde
Einflüsse geltend machen. Von
jedem der zuvor genannten Mei-
ster, die er als Vorbilder be-
wunderte, finden sich in seinem
Schaffen die deutlichen Spuren.
Groß war Steinhausens christliche
Kunst nur, wo sie sich auf sich
selbst allein verließ, sich von allen
Äußerlichkeiten losmachte, um
mit ergreifender Vereinfachung
statt auf die Sinne auf das Ge-
müt zu wirken. Diesen Weg be-
schritt Steinhausen schon früh mit
der Zeichnung des auf dem See
predigenden Heilandes, später in
Werken wie »Die Bergpredigt«,
»Jesus und Nikodemus«, »Des
Menschen Sohn«, »Der Stern«,
»Du zeigst mir deine durchgra-
bene Hand« und andere. Mit sol-
chen Schöpfungen hätte sich Stein-
hausen in die Reihe der großen
christlichen Künstler stellen kön-
nen; wäre dieser Weg sein ein-
ziger gewesen, so hätte er ihn
an ein höchstes Ziel geführt. Aber
es war nicht sein einziger. Der
andere — von den Wegen seiner
Abhängigkeit rede ich nicht —
ist der in seinen Landschaften
sichtbare zum Pantheismus. Er
ließ Steinhausen jenes Ziel ver-
fehlen. Daß er auf diesem Wege
wandelte, kam ihm nicht zur Emp-
findung. Steinhausens religiös-künstlerische
Auffassung weilte stets am Rande der gro-
ßen Wahrheit, blickte sozusagen über den
Zaun in die Herrlichkeiten des blühenden
Gartens der Gnade, den er doch kannte, ohne
doch Mut und Klarheit zu finden, um freudig
und beherzt durch die offene Pforte in ihn
einzutreten. Der wahren, großen christlichen
Kunst, für die er ein Führer hätte werden
können, ist er trotz reinster, edelster Ab-
sichten verloren gegangen. Doering
VOM
RESTAURIEREN DERGEMÄLDE
(Vgl. Abb. S. 116—119)
err Pfarrer St. Braunmüller zu Jarzt bei
Unterbruck in Oberbayern ließ im Som-
mer 1919 das Hochaltarblatt der dortigen
Kirche restaurieren. Es stammt aus den letz-
ten Jahren des Antonio Zanchi (wohl 1723)
und schildert den Abschied Jesu von Maria