DAS SEMANTERIUM
77
Prof. Angermair entworfenen Renaissance-
architektur ein. Religiös und rein mensch-
lich gehört das Werk für mich zu einem
der wirkungsvollsten Andachtsbilder, die in
der letzten Zeit geschaffen worden sind.
Der Blick der Mutter Gottes, erfüllt von
Schmerz und doch von einer nicht zu schil-
dernden verheißungsvollen Milde, rührt auch
abgehärtete Herzen. v ■ , u-
Die modern geschaute und nach eigener
Auffassung behandelte Renaissance hat auch
die Kriegsgedächtnistafel für Klein-
hardorf bei Königshofen zum Stil (Abb.
S. 73). Die Tafel an einer Innenwand der
Kirche aus Holzmarmor, die Figur der
Mutter mit dem Kinde, das den Drachen
lötet — versinnbildlicht ist der Kampf mit
den bösen Mächten — Glanzgold. Das Pro-
blem des kämpfenden Gotteskindes beschäf-
tigt den Künstler gegenwärtig noch auf
einer Madonnensäule für die Pfarrkirche
seiner Heimat Aschach. Das Kind tötet die
Schlange, der Zwietracht, die sich um die
Erdkugel windet und vor der die Mutter
erschreckt flüchtet. Als Gegenstück zu einer
alten gotischen Totenleuchte wird die Säule
auf der Kirchenmauer einen nachhaltigen
Eindruck nicht verfehlen.
Die letzte Arbeit Prof. Schmitts stellte
den hl. Johannes den Täufer dar, der in
Holz geschnitzt als Bekrönung des Tauf-
steins der Kirche in Solln gedacht ist, wo be-
reits zwei Apostelfiguren stehen. Mit der
rechten Hand deutet der Täufer auf das
Lamm: »Ecce Agnus Dei« verkündet das
um den Stab geschlungene Spruchband.
DAS SEMANTERIUM,
DIE
FRÜHCHRISTLICHE HOLZGLOCKE
Von Dr. TH. DOMBART, Priv.-Dozent an der
Universität München
(Schluß)
EJür die kleinen Metall-Semanterien bietet
ein griechisch-liturgisches Papyros-Inven-
tarverzeichnis des 5. oder 6. Jahrhunderts der
koptischen Kirche apa Psoios bei dem heu-
tigen Dorf Ipion den Ausdruck »paßboc;
öibripa« (Didaskaleion L, Torino 1912, S. 33)
also »Eisenstangeri« und zwar 2 Stücke,
ein größeres und ein kleineres, wozu das
»crpodübppov« des Hier. Magius (1608) und
das »sacrum ferrum« Pellicia’s (1777) oder
die »ferrea lamina« der gleichen Quelle ge-
hören und vielleicht auch der auf der In-
schrift von 1060 im Exonarthex des Laura-
Katholikons auf dem Athos gebrauchte Aus-
druck für das in einer Art Glockenhaus auf-
gehängte Semanterium gehalten werden mag:
»bövcd; Aauxpöc«, »ein blanker Stab« (eigent-
lich »Rohrstengel«), wenn es sich nichb noch
um ein altes Blasinstrument handelt, nach-
dem in koptischen Klöstern statt der Glok-
ken auch Posaunen vom 4.—6. Jahrhun-
dert im Gebrauch waren. Das koptische
Inventar aus dem 8. Jahrhundert der Kirche
St. Theodor zu Aschmunaim (Flermopolis)
verzeichnet:
schomnt nschkelkil mnnevalysis
3 Signalinstrumente mit ihren Anhängekett-
chen,wobei man, wie mir Dyroff erklärte,nicht
ohne weiteres sagen kann, ob in dem Wort
»Schkelkil« der Begriff des Hängens oder der
Klangfarbe oder sonst etwas steckt, etwa le-
diglich eine onomatopoetische Wortprägung,
wie sie ja naheliegen könnte und namentlich
später für die Semanterien und ihre Nach-
folger geläufig wurden, wie : crepitaculum,
crecellae (crecelles), die spanische Matraka,
unsere Klappern, Rasseln, Ratschen usw.
Auf eine Sache muß aber zum Schluß
noch kurz eingegangen werden. Hermann
Thiersch hat in seinem Buch über den
»Pharos«, den Leuchtturm von Alexandria,
die Bemerkung (S. 100) einfließen lassen
(allerdings ohne Beleg) »die frühchristliche
Literatur« bezeichne die Kirchtürme als
öripavTripra, und er verwendet in der Folge
diese BezeichnungSemanterium schlechtweg
auch für »Kirchturm« (S. 174), »Signal-
turm«.
So gut diese Bildung in Analogie etwa
zu ^pyaörqp, Arbeiter, EpyaöTppiov, Ort der
Arbeit, Werkstätte, Fabrik erscheinen mag:
öqpavnjp, Zeichengeber, ör|pavrf|prov, Ort des
Zeichengebers, Signalturm, so vergeblich war
eigentlich alles Bemühen, die Tatsächlich-
keit dieses Sprachgebrauchs, und speziell
des frühchristlichen, für Semanterium be-
legt zu erhalten. Thiersch selbst schrieb mir
freundlich, daß er nicht mehr in Erinnerung
habe, worauf sich seine Bemerkung stützte.
Alt-, mittel- und neugriechische Lexika ver-
sagten; ebensowenig brachten zahlreiche An-
fragen bei Fachautoritäten ein positives Er-
gebnis.
Auskünfte von Neugriechen wie Dr.
Aliwisatos Hadzidakis und des Kanonikers
Rhalles in Athen bestritten das Vorkommen
dieser Bedeutung sogar im Neugriechischen.
Heisenberg-München allerdings gab mir in
gefälliger Weise als Auskunft von Neugrie-
chen weiter, in der heutigen Vulgärsprache,
als Provinzialismus, komme <5r|pavTf|pi (Si-
77
Prof. Angermair entworfenen Renaissance-
architektur ein. Religiös und rein mensch-
lich gehört das Werk für mich zu einem
der wirkungsvollsten Andachtsbilder, die in
der letzten Zeit geschaffen worden sind.
Der Blick der Mutter Gottes, erfüllt von
Schmerz und doch von einer nicht zu schil-
dernden verheißungsvollen Milde, rührt auch
abgehärtete Herzen. v ■ , u-
Die modern geschaute und nach eigener
Auffassung behandelte Renaissance hat auch
die Kriegsgedächtnistafel für Klein-
hardorf bei Königshofen zum Stil (Abb.
S. 73). Die Tafel an einer Innenwand der
Kirche aus Holzmarmor, die Figur der
Mutter mit dem Kinde, das den Drachen
lötet — versinnbildlicht ist der Kampf mit
den bösen Mächten — Glanzgold. Das Pro-
blem des kämpfenden Gotteskindes beschäf-
tigt den Künstler gegenwärtig noch auf
einer Madonnensäule für die Pfarrkirche
seiner Heimat Aschach. Das Kind tötet die
Schlange, der Zwietracht, die sich um die
Erdkugel windet und vor der die Mutter
erschreckt flüchtet. Als Gegenstück zu einer
alten gotischen Totenleuchte wird die Säule
auf der Kirchenmauer einen nachhaltigen
Eindruck nicht verfehlen.
Die letzte Arbeit Prof. Schmitts stellte
den hl. Johannes den Täufer dar, der in
Holz geschnitzt als Bekrönung des Tauf-
steins der Kirche in Solln gedacht ist, wo be-
reits zwei Apostelfiguren stehen. Mit der
rechten Hand deutet der Täufer auf das
Lamm: »Ecce Agnus Dei« verkündet das
um den Stab geschlungene Spruchband.
DAS SEMANTERIUM,
DIE
FRÜHCHRISTLICHE HOLZGLOCKE
Von Dr. TH. DOMBART, Priv.-Dozent an der
Universität München
(Schluß)
EJür die kleinen Metall-Semanterien bietet
ein griechisch-liturgisches Papyros-Inven-
tarverzeichnis des 5. oder 6. Jahrhunderts der
koptischen Kirche apa Psoios bei dem heu-
tigen Dorf Ipion den Ausdruck »paßboc;
öibripa« (Didaskaleion L, Torino 1912, S. 33)
also »Eisenstangeri« und zwar 2 Stücke,
ein größeres und ein kleineres, wozu das
»crpodübppov« des Hier. Magius (1608) und
das »sacrum ferrum« Pellicia’s (1777) oder
die »ferrea lamina« der gleichen Quelle ge-
hören und vielleicht auch der auf der In-
schrift von 1060 im Exonarthex des Laura-
Katholikons auf dem Athos gebrauchte Aus-
druck für das in einer Art Glockenhaus auf-
gehängte Semanterium gehalten werden mag:
»bövcd; Aauxpöc«, »ein blanker Stab« (eigent-
lich »Rohrstengel«), wenn es sich nichb noch
um ein altes Blasinstrument handelt, nach-
dem in koptischen Klöstern statt der Glok-
ken auch Posaunen vom 4.—6. Jahrhun-
dert im Gebrauch waren. Das koptische
Inventar aus dem 8. Jahrhundert der Kirche
St. Theodor zu Aschmunaim (Flermopolis)
verzeichnet:
schomnt nschkelkil mnnevalysis
3 Signalinstrumente mit ihren Anhängekett-
chen,wobei man, wie mir Dyroff erklärte,nicht
ohne weiteres sagen kann, ob in dem Wort
»Schkelkil« der Begriff des Hängens oder der
Klangfarbe oder sonst etwas steckt, etwa le-
diglich eine onomatopoetische Wortprägung,
wie sie ja naheliegen könnte und namentlich
später für die Semanterien und ihre Nach-
folger geläufig wurden, wie : crepitaculum,
crecellae (crecelles), die spanische Matraka,
unsere Klappern, Rasseln, Ratschen usw.
Auf eine Sache muß aber zum Schluß
noch kurz eingegangen werden. Hermann
Thiersch hat in seinem Buch über den
»Pharos«, den Leuchtturm von Alexandria,
die Bemerkung (S. 100) einfließen lassen
(allerdings ohne Beleg) »die frühchristliche
Literatur« bezeichne die Kirchtürme als
öripavTripra, und er verwendet in der Folge
diese BezeichnungSemanterium schlechtweg
auch für »Kirchturm« (S. 174), »Signal-
turm«.
So gut diese Bildung in Analogie etwa
zu ^pyaörqp, Arbeiter, EpyaöTppiov, Ort der
Arbeit, Werkstätte, Fabrik erscheinen mag:
öqpavnjp, Zeichengeber, ör|pavrf|prov, Ort des
Zeichengebers, Signalturm, so vergeblich war
eigentlich alles Bemühen, die Tatsächlich-
keit dieses Sprachgebrauchs, und speziell
des frühchristlichen, für Semanterium be-
legt zu erhalten. Thiersch selbst schrieb mir
freundlich, daß er nicht mehr in Erinnerung
habe, worauf sich seine Bemerkung stützte.
Alt-, mittel- und neugriechische Lexika ver-
sagten; ebensowenig brachten zahlreiche An-
fragen bei Fachautoritäten ein positives Er-
gebnis.
Auskünfte von Neugriechen wie Dr.
Aliwisatos Hadzidakis und des Kanonikers
Rhalles in Athen bestritten das Vorkommen
dieser Bedeutung sogar im Neugriechischen.
Heisenberg-München allerdings gab mir in
gefälliger Weise als Auskunft von Neugrie-
chen weiter, in der heutigen Vulgärsprache,
als Provinzialismus, komme <5r|pavTf|pi (Si-