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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 22.1925/​1926

DOI Heft:
Nr. 2 (November 1925)
DOI Artikel:
Hoffmann, Richard: Neues von der Asamkirche an der Sendlingerstrasse zu München
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NEUES VON DER ASAMKIRCHE AN DER SENDLINGERSTRASSE
ZU MÜNCHEN
Von RICHARD HOFFMANN
AX Tohl jede größere Stadt des katholischen deutschen Südens und der angrenzenden
* * österreichischen Lande besitzt eine oder gar mehrere Barockkirchen, die nach den Vor-
bildern im Lande der Geburt des Barock, in Italien, gestaltet sind. Aber keine von all diesen
Gotteshäusern vermag eine derartig phantastische Pracht aufzuweisen als die St. Jo-
hann Nepomuks-Kirche zu München. Dieses kirchliche Bauwerk, bekanntlich der
Schwanengesang des berühmten und genialen Brüderpaares Egid Quirin und Cosmas
Damian Asam, übertrifft alles, was an kirchlicher Kunst innerhalb dieser Periode ent-
standen: Grundriß und Fassadenaufbau, vor allem aber die Raumausstattung des Innern
bilden das Höchste in barocker Dekorationskunst. Ein Überbieten gibt es nicht mehr.
Triumphierender Jubel, prangende Festesstimmung durchbrausen den Raum; Kurve legt
sich an Kurve, konvexe Flächen wechseln ab mit konkaven, überall elegant geschwungene
Linien, ein Fortissimo in den Akkorden, ein Hochgesang im Rhythmus von Form und
Farbe. Wir fühlen uns förmlich berauscht von all dem Reichtum, der auf unsere Sinne
eindringt. Und unwillkürlich versuchen wir die Wirkung des Kirchenbaues und seines
Inneren im Zeitalter der Entstehung vor und nach Mitte des 18. Jahrhunderts uns vor-
zustellen. Viel von ehedem fällt da in der nüchternen Zeit der heutigen Tage gegen früher
ab. Die Sendlingerstraße hat ihre ehemalige Erscheinung geändert, manche der schmal-
brüstigen hohen Häuser mit ihren charakteristischen Aufzügen und den bunten Farben
des Anstriches mußten breithingelagerten modernen Mietskasernen oder neuen Pracht-
bauten weichen. Auch die niedliche Tracht der zierlichen Rokoko-Kostüme der Bürger
und Bürgerinnen, die diese verkehrsreichste Straße Altmünchens belebten, untermischt
da und dort von der goldstrotzenden Kleidung des Adels, ist dahingeschwunden. An Stelle
geschäftiger Lastfuhrwerke, schöner Karossen und eleganter Sänften durchrasselt heute
mit lautem Lärm die Elektrische oder durchsaust das Auto mit schrillen Signalen die
langgestreckte Straße, die ungeachtet mancher moderner Verbreiterung und Regulierung
heute immer noch in Kurven läuft. Trotzdem steht auch in der Gegenwart die Asam-
kirche in all den Veränderungen, welche die Zeit gebracht hat, wie eine Oase aus der
Vergangenheit da, umschlossen rechts von dem hochansteigenden Priesterhause und links
von der mit Stukkaturen reichgeschmückten Fassade des sogen. Asamhauses. Beide
Gebäude haben ihre ursprüngliche Frontdekoration unverändert beibehalten und bilden die
seit vielen Jahrzehnten gewohnte Umrahmung für St. Johann Nepomuk. Und erst im
Innern ! Da umgibt uns heute noch eine fremdartige altertümliche weit zurückliegende
Welt in all den gewölbten kühlen Fluren, den in gewundener Enge ansteigenden Stiegen,
den merkwürdig gebauten Zimmern, in all den geheimnisvollen Zugängen aus den Stock-
werken der beiden Häuser hinüber in das Innere der Johann Nepomuk-Kirche oder auf
ihre Galerie.
Das Raumbild unserer Asamkirche ist im Laufe der vielen Dezennien des Bestehens
von mancherlei Veränderungen und Zutaten im Geiste und im Geschmacke späterer Epochen
nicht verschont geblieben. Es wäre ein köstlicher Anblick, könnten wir noch die reiche
Polychromie des Innenraumes in der ursprünglichen Frische ihrer Töne aus der Zeit der
Künstler auf uns einwirken lassen. Die Stimmung muß eine geradezu feenhafte gewesen
sein: Die aparten Farbennuancen des Stuckmarmors, der nicht bloß die Säulen und
Pilaster erglänzen läßt, sondern auch ganze Wandflächen bekleidet, dann die Mengen des
auf Ornamente, Blumen- und Früchtefestons, Embleme und Allegorien verschwenderisch
gelegten Glanzgoldes, dann wiederum die Imitationen verschiedenfarbigen Marmors, die
elegante Tönung der Brokatierungen, die auch hier wieder phantasievollste Mannigfaltigkeit
zeigen und bald in leuchtendem Ocker mit Goldaufblitzung erglänzen, bald in zartblauen
und grünlichen Tönen wie in der die Galerie tragenden Hohlkehle schimmern, weiterhin

Die christliche Kunst. XXII November

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