Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.774#0044
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

Der Zeustempel (Tafel VIII— XVII).

gelungen. Die Profilansicht freilich bietet durch das
schlecht angebrachte Bestreben, die ursprüngliche Ausguss-
rinne durch den vorgeschobenen Unterkiefer zu ersetzen,
ein wenig ansprechendes Bild. Für die Zeitbestimmung
bieten etwa die Löwen vom pergamenischen Giganten-
altar einen terminus polt quem. Viel später dürfte unser
Kopf wegen der Selbständigkeit und kecken Frische seiner
dekorativen Ausfassung den alten Muttern gegenüber auch
kaum fallen. Dass aber in der That schon in vorrömi-
scher Zeit einzelne Teile der Sima herabgestürzt waren
und also des Ersatzes bedurften, beweist die oben, S. 22,
von Dörpfeld angeführte Verbauung eines Geisonblockes
in der Grundmauer der Buleuterionvorhalle, deren An-
lage nach seiner Bemerkung in die Zeit vor der Errich-
tung des neronischen Triumphthores fallen muss.
In Bezug auf die übrige Masse der pentelischen
Köpfe bedarf es nur weniger Worte. Wir teilen sie
mit Botho Graef, je nachdem sie die alten Typen ent-
weder sorgfältiger, unvollkommener, oder endlich ganz
roh nachbilden, in drei Arten, die wir mit d, e und f
bezeichnen.
Typus d ist eine leidlich genaue Kopie des
alten Typus A. Vergl. No. 9 unserer Tafel.1) Nur
ganz vereinzelte Exemplare, von denen überdies nur
kleinere Bruchstücke übrig sind (Graef führt deren vier
unter 64 Fragmenten und heben besser erhaltenen Köpfen
an), nähern sich dem Typus B. Die schon von Graef
aufgeltellte Gleichung, Typus d verhalte sich zu A, wie
die pentelischen Eckfiguren ABU des Weltgiebels zu
den alten parischen Statuen beider Giebel, ist im Wesent-
lichen richtig, wenn sie auch jene Westgiebelkopieen in
ihrem künltlerischen Wert wohl etwas zu sehr herabsetzt
(vergl III, Tafel 33 und die Erläuterungen dazu). Denn
die Nachahmung der Gesamtform sowohl, wie der
Einzelheiten, z. B. der dreiteiligen Strähnen, ist ein
gutes Teil flauer und lebloser, als das Detail jener
Statuen. Die Stirnhaarpalmetten und Schläfenlocken
sind, wie Graef hervorhebt, falt zu selbständigen Zier-
formen erltarrt, die Augäpfel verssacht und mit ein-
geritzten Kreislinien für den Irisrand versehen, die
charakteriltischen Bildungen der Backenzähne durch
einförmige Zahnreihen ersetzt. Der Traufrinne selblt
fehlt die saubere Schärfe der Durchführung und Fügung.
Bezeichnend hierfür ist das Vorkommen einer ssauen,
geschwungenen Simaform auch schon bei dieser Art
und das gänzliche Fehlen der «raS-u^wT«?. Nach allen
solchen Anzeichen wird man die Entstehung dieses
Typus Sicherlich schon in die römische Kaiserzeit setzen
mussen.
Typus e bildet den Übergang von den Sorg-
fältigeren zu den ganz rohen Nachbildungen
des alten Typus. Erhalten sind verschiedene Ab-

l) Original in Berlin. Es war dicht an der SüdweStecke
des TempelStylobats in die byzantinische WeStmauer verbaut,
und zwar in der Nähe eines zweiten Exemplars derselben Art
und des unter No. 1 abgebildeten Löwenkopfes des Typus A.
Vergl. die Nachweise in Anm. 4 auf S. 23. Auch das Bruchstück
Expedition de Moree I, Tafel 74, 3, Scheint diesem Typus an-
zugehören.

Stufungen, von denen unSere Tafel unter No. 10 eine
wiedergiebt.2) Die schematisch viereckige Form der
Löwenmaske verdeckt jetzt regelmässig auch das obere
Kyma, welches durchgängig geradlinig gebildet wird.
Die Einzelformen von Haar, Ohren und Maul sind Schon
vollständig vernachlässigt und verroht. Nur in der Au»en-
bildung erhält sich noch ein Rest von Sorgfalt.
Typus/, die Löwenköpfe der rohesten Art
(No. 11—12 auf unserer Tafel)3). Sie geben Sich schon
aus der Ferne durch ihre ungeschlachte GröSse und die
völlig barbariSchen Mäuler zu erkennen. Mit Recht
betrachtet Graef die leblose Augenform — ein Steiler
unregelmäSsiger Bogen mit gerader Grundlinie — als
charakteristisch Sür dieSe äusserste Stufe der Verrohung.
Man giebt sich jetzt nicht einmal mehr Mühe, die Löwen-
maske und die Traufrinne an ihrer Vorderseite zu glätten
sondern meisselt beides nur aus dem Rohen. Eine Zeit-
bestimmung ist aus den Formen Solcher Steinmetzarbeiten
rohester Gattung natürlich nicht mehr zu gewinnen.
Allenfalls könnte sich eine Solche aus den Spätesten Mar-
ken der pentelischen Ersatzziegel ergeben, mit denen
jenes <p auf der Sima von No. 10 unserer Tafel (vergl.
Anm. 2) ziemlich gleichzeitig sein dürfte (Siehe Text-
band V zu Tafel 754).
Wir hätten also mindestens viermalige Ausbesse-
rungen der Traufrinne anzunehmen, von denen die eine
noch in vorrömische Zeit fiele. Vermutlich aber ist die
Sima noch häufiger gessickt worden, worauf insbesondere
die Verschiedenheit der Löwenköpfe in Klasse e hinweist.
Von dem Umfang der Reparaturen geben folgende von
Botho Graef ermittelte Zahlen einen Begriff. Von den
102 Löwenköpfen, die den Zeustempel einst schmückten,
sind nur 39 mehr oder weniger gut erhalten auf uns
gekommen. Davon gehören wiederum nur 14 Köpfe
den alten, 25 den Späteren ErSatztypen an. Das Ver-
hältnis ist alSo ungefähr wie 3:5. Von den 25 Köpfen
der späteren Arten rechnen zur Klasse c: 1 Kopf; zu d:
7 Köpfe; zu e: 9 Köpfe; zu/: 8 Köpfe.4) Diese Zahlen
lehren, dass die in vorrömischer Zeit vorgenommenen
Reparaturen jedenfalls ganz geringfügig waren. Gegen
ein halbes Jahrtausend also hat sich die alte Traufrinne,
bis auf jene vereinzelte Reparatur, die in späthellenisti-
Scher Zeit an der NordSeite vorgenommen wurde (Typusc),
nahezu unverSehrt erhalten. Der Umfang der in römischer

2) Vor der OstSeite des Tempels verbaut aufgefunden.
Marmor-Inv. I, No. 107. Auf der Vorderseite des unteren
Senkrechten Streifens ist ein * (als Versatzmarke?) eingegraben.
Abgebildet auch in den Ausgrabungen zu Olympia I1, Tafel 28B
und I2, Tafel 19, rechts oben, wo die Seitenansicht des Kopfes
nach einem Abgusse gegeben ist.
3) Gefunden im Nordwesten des Zeustempels bei der
dritten NordSäule. Vergl. HirSchfeld im Marmor-Inv. I, No. 96
und in den Ausgrabungen zu Olympia I1 zu Tafel 27 B = I1,
Tafel 19, links unten, wo unser Kopf abgebildet ist. Er ist
auch abgegossen. — Ein zweites Exemplar dieSes Typus unter
den Originalen in Berlin.
4) Die Zahlen der erhaltenen Bruchstücke giebt Graef
folgendermassen an. Von A und B Sind vorhanden 209 Bruch-
stücke; von c keines; von d 64; von e und f je 9. Dazu
einige unbeltimmbare Stücke. Insgesamt über 300 Fragmente.
 
Annotationen