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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0123
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Heroon und Theokoleon (Tafel LXXI und LXXII).

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einen reichen Stifter oder auf eine besondere Veranlassung
schliessen. Die Kunstformen selbst geben sich sofort als
spätgriechische Bauformen aus der Mitte des 2. Jahr-
hunderts n. Chr. zu erkennen, freilich etwas flüchtiger
gearbeitet als die an den marmornen Pilaster- oder
Säulenkapitellen von der Exedra, aber doch in der Stil-
fassung auf das Engste verwandt. Da wir nun aus
Pausanias willen, dass der Stifter der Exedra und der
neuen Hochquellleitung von Miraka her, der Sophist
Herodes Atticus im Demeter Chamyne-Tempel die alten
Standbilder der Demeter und Kora durch neue aus
penteliscbem Marmor ersetzt hat und es durch die
Weiheinschrift der Exedra feststeht, dass Herodes' Frau,
Annia Regula, das hohe Ehrenamt der Priesterin der
Demeter bei einem Feite bekleidete, so liegt die Ver-
mutung nahe, dass die marmornen Zwillingssttitzen aus

dem von uns nicht gefundenen Demeter-Tempel her-
rühren, den Herodes mit neuen Standbildern schmückte
und gleichzeitig reicher umbaute, als seine Gattin Prieste-
rin war. Zur Begründung der Annahme einer solchen
Provenienz lässt sich die Thatsache anführen, dass die
aufzeigenden Ranken an den Seitenssächen mehrfach mit
Mohnköpfen, Granatäpfeln und Oscillen dekoriert sind.
Solche Zwillingsstützen — meistens ohne Rankenschmuck
an den Flanken — sind vielfach angewendet worden an
attalidischen Hallenbauten in Athen wie in Pergamon,
an dem bekannten Grabe von Mylassa in Karien; auch
auf Corfu an der Kirche Madonna Palaeopoli in Cadac-
chio u. s. w. Für das Alter unserer Doppelstützen lässt
sich ein sicheres Datum durch den bestimmten Nachweis
gewinnen, dass die Annia Regula das Priesteramt bei der
Festfeier des Jahres 153 n. Chr. verwaltet hat.

XX. Heroon und Theokoleon.
Tafel LXXI und LXXII.
Erläutert von Paul Graef.

Nördlich von der byzantinischen Kirche liegen die
Rette einer Gebäudegruppe, die besonders für unsere
Kenntnis von griechischer Grundrissbildung von Wichtig-
keit sind. Zwei Gebäude, durch je eine Gasse von
einander wie von der Kirche getrennt. Örtlich ein
grösserer Bau, der im Laufe der Zeiten mannigfache Ver-
änderungen erfahren hat; er gilt für den von Pausanias
nur einmal (V, 15, 8) erwähnten Theokoleon, das
Wohnhaus der Priester. Weltlich ein kleineres Gebäude,
das nach dem Heroenaltar, der in seinem Innern ge-
funden wurde, den Namen Heroon erhalten hat; wahr-
scheinlich die Kapelle, welche Pausanias ebenda, als vor
dem Theokoleon slehend, anfuhrt.
Beide Gebäude sind stark zerstört, doch sind die
Grundrisse aus den Retten deutlich erkennbar, und auch
über den Aufbau geben die letzteren, zusammen mit
den in der Nähe gefundenen Architekturstücken einigen
Ausschluss.
Der Fundzustand ist auf Tafel LXXI in den Grund-
rissen, einer Ansicht und zwei Schnitten dargestellt. Beim
Theokoleon sind die älteren Mauern weiss gelassen, die
späteren durch Schrafsur getönt. Tafel LXXII giebt
oben die Bauglieder, unten die ergänzten Grundrisse in
ihrer Lage zur byzantinischen Kirche. Eine photogra-
phische Aufnahme der Theokoleonreste von Süden her
bietet die Abbildung a auf Tafel IV.
Das Heroon.
Den Kern des Heroon bildet ein kreisrunder Raum
von 8,04 m Durchmesser.1) Der ihn begrenzende Quader-

») Auf Tafel LXXI ist dieses Mass irrtümlich auf die
Grundmauer bezogen.

ring ist im Geviert von Mauern umschlossen; in der
Mitte der Westseite waren Ring und Mauer durch den
Eingang unterbrochen. Drei der Mauern setzen sich
über die Ecken des Quadrates fort; die östliche und
die weltliche nach Süden, um mit der (zu ergänzenden)
Südmauer einen zweiten Raum zu bilden, die Nord-
mauer nach Welten, als Seitenwand einer mit vier
Säulen geöfsneten Vorhalle.
In dem Kreisraume stand, dicht an der Wand nach
Süden hin, ein kleiner Erdaltar, der an der Vorderseite
die Aufschrift Heroor trug und damit den Zweck des
Gebäudes deutlich bezeichnete. (Siehe Band II. Altäre.)
In dem Nebengemach deuten Reste von Grundmauern
auf das einstige Vorhandensein eines grösseren Aufbaues,
sei es eines Altars oder eines Heerdes.
Die Quadern der Rundmauer fanden sich der Mehr-
zahl nach noch an ihrem alten Ort; ursprünglich waren
es neunzehn oder zwanzig, gefunden wurden dreizehn
und eine halbe. Ebenso flehen die meisten Steine
der Quadratmauer noch aufrecht. Auch die Ver-
längerung der Ostwand nach Süden hin ist in drei
Quadern erhalten, dagegen fehlt ihr Anschluss nach
Süden und die dortige Abschlussmauer gänzlich. Die
Lage der letzteren kann aber mit grosser Wahrschein-
lichkeit aus den Retten der Vorhalle bestimmt werden.
Von dieser ist die nordwestliche Hälfte ihrer Grund-
mauern erhalten und darauf ein Stück der Wand
mit dem Unterstein der nördlichen Ante, sowie auch
der Fussstein einer Säule, beide unzweifelhaft in der
alten Lage. Die Form des Antensteines lässt vermuten,
dass die Ante an ihrer Aussenseite schmaler war als
an der inneren. Halbiert man nun das Mass von
der Aussenkante der Ante bis zur Säulenmitte — für

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