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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0046
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28

Das Heraion (Tafel XVIII— XXIII).

Auf Tafel XXII ist eine grössere Anzahl der auf-
gefundenen Kapitelle der Ringhalle zusammengestellt.
Die Anordnung habe ich so gewählt, dass in der linken
Hälfte der Tafel die sämtlichen Kapitelle der Südseite
und eines der Westseite, in der rechten Hälfte dagegen
diejenigen der Nordseite dargestellt und. Neben den
Kapitellen, welche im Massstabe 1:20 gezeichnet sind,
ist jedesmal das Profil in grösserem Massstabe (1:5) ab-
gebildet. Da das Material aller Kapitelle der nicht sehr
wetterbeständige Porös ist, sind die feinen Profile viel-
fach sehr verwittert und konnten daher nicht mit der
Genauigkeit bestimmt werden, wie es bei Marmorbauten
möglich ist.
Tafel XXIII zeigt zu oberst noch zwei Kapitelle
von der Ostseite der Ringhalle und darunter drei kleinere
Kapitelle, welche wahrscheinlich dem Inneren der Cella
angehören. In der unteren Hälfte der Tafel ist die
Holzverkleidung der Parastaden und der Cellathür ver-
anschaulicht. Von dem Holze selbst ist allerdings nichts
gefunden worden, aber die Vorrichtungen zur Aufnahme
und Befestigung der hölzernen Bohlen und Querriegel sind
so gut erhalten, dass eine Wiederherstellung möglich war.

b. Baubeschreibung.
Der Platz, auf welchem der Tempel der Hera
erbaut ist, war von Natur nicht eben, sondern wurde
gebildet von dem nach Süden und Westen abfallenden
Fusse des Kronoshügels. Die ebene Fläche war dadurch
hergestellt worden, dass der Hügel selbst etwas an-
geschnitten, und die gewonnene Erde weiter südlich
ausgebreitet wurde. Der Fuss des Hügels war darauf
mit einer treppenförmigen Futtermauer gestützt worden.
Den Tempel hatte man so dicht an diese Mauer heran-
gerückt, dass nur ein sehr schmaler Umgang um denselben
blieb. Die griechischen Tempel pflegen sonst auf einem
freien, von allen Seiten sichtbaren Platze zu flehen.
Wenn dies beim Heraion nicht der Fall ist, so sind es
vermutlich religiöse Gründe gewesen, welche hier die
Wahl des Platzes entschieden haben. Vielleicht stand
an derselben Stelle schon früher irgend ein uraltes
Heiligtum, welches durch den noch vorhandenen Tempel
ersetzt wurde. Von einem älteren Tempel sind allerdings
keinerlei Reste gefunden, dagegen wurde durch Tief-
grabungen im Inneren des Baues festgestellt, dass in der
Nähe der Südwestecke schon vor Erbauung des Tempels
ein Altar gestanden haben muss, der wahrscheinlich später
durch den Altar ersetzt wurde, dessen spärliche Reste
vor dem weltlichen Ende der Südseite des Tempels
erhalten sind (vergleiche die Darlegungen A. Furtwänglers
über diesen Altar und die unter dem Heraion gemachten
Funde im IV. Bande dieses Werkes).
Die künstliche Herrichtung des Bauplatzes hatte zur
Folge, dass der nordöstliche Teil des Tempels einen
festen, der andere Teil dagegen einen schlechten Bau-
grund hatte. Um diese Verschiedenheit auszugleichen,
wurden die Fundamente der West- und Südseite tiefer
und zum Teil auch breiter gemacht als die übrigen.
Als Material zu diesen Mauern wurden Porosquadern

und Kieselsteine benutzt, erstere zu den oberen Teilen
letztere zu den tieferen Mauern in der Südwesthälfte
des Baues. Solche Fundamentierung aus grossen Kieseln
und anderen Steinbrocken, welche mit Lehm verbunden
sind, kommt bei den älteren Bauwerken Olympias häufig
vor, z. B. bei mehreren Schatzhäusern. Trotz der
Vorsicht, mit welcher die Fundamentierung ausgeführt
war, haben sich die weltlichen und südlichen Teile des
Tempels gesetzt. Wie stark sie gesunken sind, erkennt
man am besten aus den im Längenschnitt (Tafel XIX)
angegebenen Nivellementszahlen: der Weststylobat liegt
um 0,18 m tiefer als der Oststylobat. Ein ähnlicher, nur
etwas kleinerer Unterschied zeigt sich zwischen der Nord-
und Südseite.
Der Tempel hat nur eine einzige Stufe, weicht
also auch hierin von den meisten griechischen Tempel-
bauten ab. Thatsächlich sind allerdings an einigen Seiten
des Tempels zwei Stufen sichtbar gewesen, allein die
Dimensionen und die Bearbeitung der Unterstufe zeigen
dass sie keine eigentliche Stufe, sondern die Abgleichungs-
schicht des Fundaments sein sollte. Dieselbe Anordnung
findet man übrigens auch bei dem alten Athenatempel
und dem kimonischen Parthenon in Athen.
Der Fussboden rings um den Tempel änderte sich
im Laufe der Jahrhunderte so sehr, dass in späterer Zeit
im Süden zwei Stufen, im Norden aber gar keine mehr
zu sehen war. Als diese Veränderung schon eingetreten
war, wurden in den beiden äussersten Interkolumnien
der Südseite bequeme Eingänge zum Tempel dadurch
geschasfen, dass besondere Treppen vorgebaut wurden.
Im Südosten ist eine solche noch erhalten, im Südwesten
lässt sich ihre ehemalige Existenz beweisen.
Der Stylobat zeigt noch eine weitere Eigentümlich-
keit: Seine einzelnen Quadern haben eine verschiedene
Länge und ihre Stossfugen sind nicht regelmässig zu
den Säulenaxen verteilt, wie es bei den meisten Tempeln
der Fall ist. Auch hier können wir uns auf die beiden
vorher erwähnten Tempel in Athen als Beispiele für die-
selbe Unregelmässigkeit berufen.
Die Säulen slehen meist noch mehrere Meter hoch
rings um den Tempel aufrecht und bilden eine Ring-
halle, welche einst je sechs Säulen an den Fronten und
je sechszehn an den Traufseiten hatte. Obwohl sie alle
dorisch sind, unterscheiden sie sich doch in so vielen
Punkten von einander, dass man anfangs vergeblich
nach einem Grunde für die auffallenden Verschieden-
heiten sucht.
Verschieden sind zunächst die Durchmesser. Sie
schwanken zwischen 1,02 und 1,29 m. Ein Teil dieser
Disferenz ist allerdings dadurch verursacht, dass die
Durchmesser an den kurzen Fronten im Allgemeinen
grösser sind als diejenigen an den Langseiten. An den
Fronten messen sie 1,25 bis 1,29 m, an den Langseiten
1,02 bis 1,24 m. Den grösseren Durchmessern ent-
sprechend sind auch die Stylobate an den kurzen
Seiten breiter als an den langen, dort 1,43 m, hier
1,34 m, ein Beweis dafür, dass der Unterschied zwischen
den Säulen an den verschiedenen Seiten des Tempels ein
beabsichtigter ist. Aber von diesem Unterschiede abge-
sehen, ist die Difserenz zwischen den Durchmessern an
 
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