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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0070
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52

Das Schatzhaus von Megara (Tafel XXXVI — XXXVIII).

angeordnet sind, kommen auch jene in Fortfall.
Zugleich mit den Nagelplatten ist auch die Junktur
weggelassen, welche dieselben mit der Hängeplatte ver-
bindet; sie ist diagonal abgeschnitten (s. Tafel XXXVIII,
links). An der Langseite zeigt das Geison also nur die
mit einer Wassernase ausgestattete Hängeplatte. Für die
Entstehungsgeschichte des dorischen Baustils, und zwar
für seine Ableitung vom Holzbau, sind diese Einzelheiten
von sehr grossem Werte.
Ausserordentlich verwickelt ist die Art und Weise,
wie die verschiedenen Steine an der Ecke ineinander-
greifen. Beschreiben lässt sich der dort angewendete
seltsame Steinschnitt überhaupt nicht. Ich habe ihn des-
halb durch eine besondere Zeichnung auf der genannten
Tafel zu veranschaulichen gesucht. Die verwickelte An-
ordnung ist dadurch entstanden, dass die Lagerfugen an
den einzelnen Seiten der Ecke in verschiedenen Höhen
lagen, und weil man ausserdem bestrebt war, die ver-
schiedenen Stossfugen an der Ecke nicht zusammenfallen
zu lassen.
Die Tympanonwand besteht aus fünf Steinen,
die alle gefunden sind. Sie ermöglichen eine genaue
Bestimmung der Giebelmasse. Über diesen Blöcken lag
das ansteigende Giebelgeison, von dem wir leider kein
Stück mit voller Ausladung besitzen. Vor den Tym-
panonsteinen waren Platten aus Mergelkalk mit Reliefs
aufgestellt, welche den Giebelschmuck des Schatzhauses
bildeten. Im III. Bande dieses Werkes werden dieselben
von G. Treu besprochen werden.
Es ist besonders wertvoll, dass wir auch das innere
Gebälk und die hölzerne Decke des Pronaos wieder-
herstellen und sogar die Ornamente der Holzbalken
bestimmen können. Wie die hinter den Triglyphen und
den Geisa der Vorderseite befindlichen Löcher anzeigen,
wurde die Decke des Pronaos von acht Holzbalken
gebildet, welche von den Säulen bis zur Cellawand
hinüberreichten. Die Balken waren 0,20:0,27 m stark
und hatten eine Axentfernung von 0,60 m. Auf den
Seitenwänden des Pronaos lagen jedoch keine Holz-
balken, sondern die dort befindlichen sogenannten
Ortbalken bestanden aus Stein. Mehrere Stücke der
letzteren sind gefunden worden; sie trugen ein noch
deutlich zu erkennendes, aufgemaltes Ornament, welches
aus demselben auf- und abwärts gerichteten Palmetten-
friese besteht, der an der Sima vorkommt. Da es nun
nach der Lage dieser bemalten Steine keinem Zweifel
unterliegt, dass die Deckbalken aus Holz in derselben
Weise verziert sein mussten, so kennen wir also auch
die Ornamente der hölzernen Decke. Die Zwischen-
räume zwischen den Enden der Balken waren mit dünnen
Bohlen geschlossen, welche natürlich dieselbe Bemalung
besassen. Den an den Eckstein angearbeiteten Falz für
diese Bohle kann man auf der perspektivischen Innen-
ansicht der Ecke leicht erkennen. Die Decke des Pronaos
enthielt demnach neun nebeneinander liegende, lang-
gestreckte Felder von 0,40 m Breite und 3,44 m Länge,
die vermutlich mit je einer starken Bohle überdeckt
waren. Unter der hölzernen Decke lief als Wandgesims
ein wahrscheinlich bemaltes Band entlang, welches an der
Vorder- und Hinterwand mit dem Unterstein, an den

beiden Seitenwänden dagegen mit dem Ortbalken aus
einem Stein gearbeitet war.
Das aus Holz bestehende Dach wurde getragen
von einer starken Firstpfette, deren Lagerloch in dem
mittleren Tympanonblock zu messen ist, und bestand
wie wir vermuten dürfen, aus flehenden Sparren, Quer-
hölzern und einer Verschalung. Auf dieser lagen, jeden-
falls in Lehm gebettet, die Dachziegel aus gebranntem
Tnon, deren viele in Fragmenten erhalten sind. An der
Traufe hatten diese Ziegel keine Sima, sondern waren
nur mit Palmetten geschmückt, die in bekannter Weise
die Reihen der Deckziegel abschlossen. An den Giebeln
dagegen waren sie mit einer Kranzleiste (Sima) ausge-
stattet, welche, ebenfalls aus Terrakotta hergestellt, ihre
alte Bemalung noch vorzüglich bewahrt hat. Die Sima
endete beiderseits in Löwenköpfen, die in eigenartiger
Weise gearbeitet sind. Über diesen Löwenköpfen und
über der Mitte des Giebels waren Akroterien aufgestellt,
von denen wir nichts gefunden haben; wenigstens
lassen sich keine derartigen Stücke als zugehörig er-
weisen.
Die an dem Schatzhause vorkommenden Farben-
spuren und Ornamente sind schon gelegentlich er-
wähnt. Rote Farbe bemerkte ich an dem oberen Bande
des Architravs, an dem Bande unterhalb der Nagel-
platten des Geison und in den Zwischenräumen der
letzteren; dunkelblaue Farbenspuren waren noch deut-
lich an den Triglyphen und den Nagelplatten des Geison
zu erkennen. Ornamente ohne Farbenreste konnte man
auf den oben beschriebenen Ortbalken an der ver-
schiedenen Erhaltung der Oberfläche so gut wahr-
nehmen, dass sie durchgezeichnet werden konnten.
Auch an dem Kyma des Giebelgeison waren aufgemalte
Blätter zu sehen. An den Metopen und den Säulen-
kapitellen haben sich, wie ich ausdrücklich hervorhebe,
keinerlei Ornamentspuren erhalten. Die Sima dagegen,
die Traufziegel und die Stirnziegel haben ihre Farben
und Muster noch vorzüglich bewahrt; sie werden im
II. Bande dieses Werkes verösfentlicht werden.
An technischen Eigentümlichkeiten hebe ich
Folgendes hervor: die Steine des Oberbaues sind mit
I—iförmigen Eisenklammern verbunden; an dem Unter-
bau kommen keinerlei Klammern vor. In den Lager-
fugen berühren sich die Steine mit ganzer Fläche, in
den Stossfugen mit einem sauber bearbeiteten, ziemlich
breiten Rande. Zum Heben der Steine dienten vielfach
zwei auf der Oberfläche befindliche, schräg eingearbeitete
Löcher, in welche eine Hebezange hineingreifen konnte.
Einzelne Quadern scheinen auch mit dem sogenannten
Wolf versetzt worden zu sein. Wie an dem ganz aus
Muschelkalk hergestellten Bau die Giebelreliefs aus dem
feineren Mergelkalk gearbeitet sind, so ist dieses leichter
zu bearbeitende Material auch zu allerlei Ausbesserungen
und namentlich zur Herstellung der feineren Bauglieder
benutzt worden. So fanden wir aus Mergelkalk her-
gestellt und besonders eingesetzt: die Nagelleisten an
dem mittleren Architravblock, die Halseinschnitte an
einem der Säulenkapitelle und die sämtlichen Nagel-
köpfe an dem Geison der Vorderseite. Im letzteren
Falle sind die runden Köpfe teils mit einem Bleizapfen
 
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