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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0072
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54

Das Schatzhaus von Gela (Tafel XXXIX —XLI).

Das Gebäude besteht aus zwei, zu verschiedenen
Zeiten erbauten Teilen. Den früher hierfür beigebrachten
Beweisen habe ich nichts Wesentliches hinzuzufügen.
Der älteste Teil des Baues war eine einfache Cella, die
zwischen der Altis und dem Stadion lag und im Ölten
und Welten mit je einem Giebel geschmückt war.
Vor ihrer südlichen Langseite wurde später eine Vor-
halle erbaut. Es musste früher unentschieden bleiben,
in welcher Weise das neue Dach sich an das alte an-
schloss. Ein neuer Fund hat diese Frage ihrer Lösung
näher gebracht; er ist zugleich eine vorzügliche Be-
stätigung für die Richtigkeit unserer Ergänzung des
ganzen Baues.
Unter den Steinen der byzantinischen Mauer fand
ich nämlich vor Kurzem ein Geison von der Trausseite
der Cella, an welches von unten in roher Weise eine
schräge Fläche angearbeitet ist. Diese kann meines
Erachtens nur dadurch erklärt werden, dass hier ein
zweites Dach unter rechtem Winkel an das Geison
anstiess. Gerade ein so abgeschrägtes Geison musste
beim Geloer Schatzhause entstehen, als man die Vor-
halle erbaute und mit dem neuen Dach das alte
Geison durchschnitt. Allerdings ist die Neigung der
angearbeiteten Schräge nur sehr gering, nämlich etwa
1:9, also nur halb so gross als die gewöhnliche Dach-
neigung ; aber das widerspricht unserer Annahme
nicht, man durfte eine solche Neigung sogar erwarten.
Denn erltens musste das Dach der Vorhalle möglichst
niedrig sein, damit es trotz seiner grösseren Breite
nicht höher wurde als dasjenige der Cella, und in
Folge dieser ungewöhnlich geringen Neigung konnte
es dann keinen Giebel erhalten; zweitens giebt uns jene
Schräge aber auch nur die Neigung der Dachziegel, und
die ist notwendigerweise immer etwas geringer als die
wirkliche Dachneigung. Wenn wir genau wüssten, an
welcher Stelle des Traufgesimses das abgeschrägte Geison
gesessen hat, so würden wir jetzt die relativen Höhen-
masse der beiden Dächer und damit auch die Art ihres
Zusammenstosses im Einzelnen bestimmen können; da
dies aber nicht der Fall ist, mussen wir uns damit be-
gnügen, im Allgemeinen die Richtigkeit der früheren
Ergänzung beitätigt zu haben.
Der älteste Teil des Baues, die Cella, ist aus-
schliesslich mit Quadern erbaut und zwar meist mit
solchen von Muschelkalk; nur einige Mergelkalksteine
sind zur Verwendung gekommen. Die Cellawände haben
Fundamente, welche nur eine oder zwei Quaderschichten
tief sind. Dass die drei Stufen, welche die Cella
auf drei Seiten umgeben, nicht zum ursprünglichen Bau
gehören, sondern eine spätere Zuthat sind, zeigt schon
ein Blick auf die Durchschnitte auf Tafel XXXIX. Sie
besitzen andere Schichthöhen als die Cellawand und
lind auch ohne genauen Fugenschluss angesetzt. Un-
begreiflich ist mir, weshalb die Stufen an den drei Seiten
der Cella, wie man aus dem Grundriss und aus den
Nivellementszahlen der Durchschnitte entnehmen kann,
nicht in gleicher Höhe liegen. Die Stufen der Vorhalle
können in Folge dessen höchstens an einer Seite mit
ihnen übereinstimmen. Wahrscheinlich passten sie sogar
nirgends zu einander, da die Stufen der Vorhalle in einer

anderen Höhe lagen und vermutlich auch andere Ab-
messungen hatten.
Der ganze Innenraum der Cella war mit einer
Quaderschicht aus Porös belegt, auf welcher sich in
der Mitte ein Aufbau von einer zweiten Schicht aus
Mergelkalkquadern befand. Obwohl von diesem Auf-
bau nur fünf Steine erhalten find, lassen sich seine
Abmessungen an den, auf der Unterschicht vorhandenen
Ausschnürungslinien feststellen; unbekannt ist aber, was
er getragen hat, da die Oberssäche der erhaltenen Steine
keine Standspuren zeigt. Ich habe früher die Vermutung
ausgesprochen, dass Innensäulen dort gestanden haben
vermag aber auch jetzt keinen Beweis für ihr ehe-
maliges Vorhandensein beizubringen. Überhaupt kann
man sich von dem älteren Bau ohne die südliche Vor-
halle kein vollständiges Bild machen, weil zu vieles
unbekannt ist. So weiss man nicht einmal, an welcher
Seite der Eingang lag, und ob nicht im Osten oder
Welten eine kleine Vorhalle vorhanden war. Ich hebe
ausdrücklich hervor, dass weder an der Ost- noch an
der Weltwand irgend welche Spuren einer Eingangsthür
zu erkennen sind.
Von den Gebälkltücken des älteren Baues sind
nur die Geisa und Tympanonsteine bekannt. Sie wurden
in sehr grosser Anzahl in der byzantinischen Weltmauer
gefunden und sind auf Tafel XLI abgebildet. Die
Gründe für ihre Zugehörigkeit zum Geloerschatzhause
sind schon früher eingehend dargelegt (»Ausgrabungen«V,
S. 34). Hier mögen daher nur einige Bemerkungen über
die Form der Geisa und ihre Verkleidung mit
Terrakotten genügen.
Wir haben drei Arten von Geisa zu unterscheiden:
1. die Traufgesimse von den Langseiten, 2. die wage-
rechten Giebelgesimse und 3. die ansteigenden Giebelgeisa.
Die beiden erlteren haben die gleiche Gliederung,
nämlich eine schräg nach unten ausladende Hängeplatte,
die als Wassernase diente, und darüber ein breites Band,
das ganz mit bemalten Terrakotten bekleidet war. Ver-
schieden ist nur ihre Oberssäche, welche beim Trauf-
gesimse der Dachneigung entsprechend ansteigt, beim
Giebelgeison dagegen wagerecht verläuft. Ganz anders
ist das dritte Geison, das ansteigende Giebelgesimse,
gestaltet; Hängeplatte und Band der anderen Arten
sind hier zu einem einzigen Gliede verbunden, dessen
ganze Vorderseite mit Terrakotten überdeckt war.
Bei allen drei Gesimsen sind diejenigen Teile, die
mit Thonplatten überzogen waren, nur roh bearbeitet,
während die ehemals sichtbaren Stellen nicht nur eine
sorgfältige Bearbeitung, sondern auch eine Bemalung
der Steinoberfläche aufweisen. Die Thonkasten, deren
Form und Bemalung man aus den Zeichnungen er-
kennen kann, waren mit Eisennägeln an den Stein an-
geheftet. Sowohl die Löcher in den Thonkasten, als
auch die Reite der eisernen Nägel an den Steingesimsen
kann man jetzt noch sehen. Jeder der etwa 0,59 m
langen Kalten war an beiden Enden mit je einem starken
Nagel befestigt, der in der Mitte der senkrechten Fläche
sass; ausserdem war auch der obere, nicht bemalte
Schenkel durch gleiche Eisennägel mit dem Stein ver-
bunden.
 
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