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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0225
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Längenprofile durch das Ausgrabungsfeld (Tafel CXXV— CXXVIII).

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beiden Richtungen hin am meisten abweichen, dürfen
wir demnach von vornherein für die alterten halten;
diejenigen mit einer mittleren Höhe werden dagegen
die jüngeren sein. Die Erbauung der letzteren ist ver-
mutlich zugleich mit der Anlage der Terrasse oder noch
später erfolgt. Hiernach stellen sich die Schatzhäuser II,
VII, VIII und XII als die alterten heraus. Der Stifter
des II. Schatzhauses ist unbekannt; die drei anderen
Schatzha'user sind von den Städten Sybaris, Kyrene und
Gela geweiht.
Noch ein anderes Mittel, das Alter der einzelnen
Thesauren unabhängig von der geschichtlichen Über-
lieferung zu bestimmen, fleht uns zu Gebote, nämlich
eine Vergleichung der horizontalen Abstände der ein-
zelnen Bauten. Anfänglich, als noch wenige Schatzha'user
errichtet waren, dachte man naturgemäss nicht daran,
die Gebäude dicht aneinander zu schieben, sondern
ordnete sie mit grösseren Zwischenräumen an. Je grösser
aber ihre Zahl wurde, und je weniger Raum zur Ver-
fügung stand, um so kleiner wurden die Abstände.
Wenn man nun die mittleren Abstände der zwischen
XII und VIII vorhandenen Bauten genauer betrachtet und
folgende Werte findet:
XII — XI = 3,90 m
XI— X = "1,60 »
X — IX — 0,70 »
IX—VIII = 0,70 »,
so kann es nicht zweifelhaft sein, dass zwischen den
beiden Grenzen XII und VIII zuerst XI mit einem sehr
weiten Abstände (3,90 m) erbaut sein wird. Das etwas
später errichtete Schatzhaus X wurde schon näher an XI
herangerückt (Abstand 1,60 m), und schliesslich wurde
No. IX zwischen X und VIII hineingezwängt mit beider-
seitigen Zwischenräumen von nur 0,70 m. Dazu passt
vorzüglich, dass der Abstand zwischen VIII und VII etwa
2,80 m beträgt, also nicht daran zu denken ist, dass VIII
später als IX erbaut sein kann.
In ähnlicher Weise nehmen die Grössen der Zwischen-
räume ab, wenn wir von VIII nach Welten bis zu II
fortschreiten. Wir finden dort etwa:
VIII — VII = 2,80 m
VII — VI = 2,80 »
VI — V = 2,00 »
V— IV = 1,30 »
IV — III = 0,80 »
III— II = 0,60 ».
Zuerst sind VII und VI in gleichmässigen Abständen
(2,80) von VIII und voneinander erbaut. Bei V wurde der
Abstand schon auf 2,00 m und bei IV auf 1,30 m herab-
gesetzt, und schliesslich musste das Schatzhaus III (ebenso
wie IX) zwischen seine Nachbarn eingezwängt werden.
Vereinzelt fleht schliesslich das Schatzhaus der Sikyonier
(No. I) da, welches mit gleichmässigen Abständen von
etwa 1,50 m zwischen zwei anderen Bauten, die beide
tiefer lagen, errichtet wurde.
Bestätigt wird diese Reihenfolge innerhalb der beiden
Gruppen durch die Thatsache, dass die jüngeren Schatz-
häuler im allgemeinen dieselbe mittlere Höhenlage haben
und daher wohl erst nach der Regulierung der ganzen
Terrasse erbaut worden sind.

Ob eine der beiden Gruppen älter ist als die andere,
lässt sich, soweit ich sehe, nicht mit Bestimmtheit sagen;
dagegen darf das einzelne Schatzhaus (No. I) aus anderen
Gründen mit einiger Wahrscheinlichkeit als das jüngste
oder wenigstens als eins der jüngsten bezeichnet werden.
Wenn wir daher annehmen, dass beide Gruppen ziemlich
gleichzeitig nebeneinander erbaut worden sind, so erhalten
wir als chronologische Reihenfolge folgende Liste:
1. älteste Schatzhäuser XII, VIII, VII, II;
2. jüngere XI, VI, X, V;
3. jüngste IV, IX, III, I;
oder wenn wir die Namen der Städte einsetzen:
1. Gela, Kyrene, Sybaris, No. II;
2. Megara, Byzanz, Metapont, Epidamnos;
3. Syrakus, Selinus, No. III, Sikyon.
Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass diese
Liste nicht den Anspruch erhebt, die wirkliche Reihen-
folge anzugeben, in der die Schatzhäuser erbaut sind;
aber dem Archäologen und auch dem Historiker wird
es lieb sein, die Resultate kennen zu lernen, welche sich
aus der Untersuchung der Schatzhäuser in Bezug auf
ihre Höhenlage und ihre Abstände für ihre Erbauungs-
zeiten ergeben. Es mag aber noch hinzugefügt werden,
dass die litterarische Überlieferung und die architektoni-
sche Untersuchung der einzelnen Schatzhäuser mit der
Liste einigermassen übereinstimmen, wenn wir die älteste
Gruppe etwa in die erste, die mittlere in die zweite
Hälfte des 6. Jahrhunderts setzen und die jüngste dem
5. Jahrhundert zuschreiben.
Dass die Schatzhäuser II und III wahrscheinlich in
römischer Zeit abgebrochen und über ihnen ein Weg
zum Kronoshügel und ein römischer Ziegelbau angelegt
worden sind, ist oben S. 45 gesagt und lässt sich auch
auf dem Längenschnitte auf unserer Tafel erkennen.
Die beiden auf derselben Tafel abgebildeten Quer-
schnitte, zu denen sich noch als dritter der Querschnitt
auf Tafel XXXI geseilt, zeigen übereinstimmend links
den Kronoshügel mit einer hohen Stützmauer, durch
welche die Thesaurenterasse gegen den Berg abge-
schlossen war. Die Mauer ist aus Quadern erbaut und
mit starken Strebepfeilern gestützt, die in gleichmässigen
Abständen angeordnet sind. Die oberen Teile dieser
Strebepfeiler sind im 2. Jahrhundert abgebrochen worden,
als die grosse Wasserleitung, welche in den Querschnitten
gezeichnet ist, zur Exedra geführt wurde. Damals muss
die Mauer schon fast in ganzer Höhe durch Erdmassen,
die vom Kronoshügel heruntergespült waren, verschüttet
gewesen sein.
In Bezug auf die Fundamentierung der Schatzhäuser
kann ferner in allen Querschnitten die wichtige Thatsache
beobachtet werden, dass die dem Kronoshügel näher
liegenden Mauern weniger tief fundamentiert sind, als
die anderen. Besonders tiefe Fundamente, meist aus
Kieseln bestehend, weisen die südlichen Vordermauern
auf, welche die Säulen der Vorhallen getragen haben.
Diese Anordnung entsprach der Neigung des festen Bau-
grundes.
Der überwölbte Eingang zum Stadion, welcher auf
dem oberen Querprofil neben dem Schatzhause von Gela
zu sehen ist, slammt unzweifelhaft aus jüngerer Zeit als
 
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