Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.774#0234
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2l6

Zusatz.

ist die Vorhalle gerade so tief, dass an jeder Seite 2 Achs-
weiten mit einer an die Cellawand angelehnten Halbsäule
angeordnet werden können.
Als Beweis für die Zugehörigkeit kann ausserdem
noch angeführt werden, dass die Säulen und Architrave
in der byzantinischen Westmauer neben denjenigen Stei-
nen vermauert waren, welche inschriftlich als zum Schatz-
hause der Megareer gehörig erwiesen sind.
Die Säulen mit starker Verjüngung (fast 4: 3) be-
sitzen ein sehr schön gezeichnetes, mit 4 Halseinschnitten
und ebenso vielen dreieckigen Ringen verziertes Kapitell,
das in seiner Form mit dem in der Stadt Terranova von
den Gebäuden des alten Gela noch übrig gebliebenen
Kapitell übereinstimmt. Der sehr hohe Architrav belitzt
Regulae ohne Tropfen; das Triglyphon, bedeutend nie-
driger als der Architrav, ist so abgeteilt, dass sich die
Triglyphe zur Metope wie 2:3 verhält; letztere ist genau
quadratisch. Das Geison ist verhältnismässig niedrig und
besitzt Viae ohne Tropfen. Ansteigende Giebelgeisa und
Tympanonquadern sind nicht gefunden worden, so dass
die Existenz eines Giebels nicht nachgewiesen werden
kann.
Neben den Bausteinen vom Schatzhause der Mega-
reer wurden aber in der byzantinischen Westmauer noch
zahlreiche Geisa und Tympanonblöcke gefunden, welche
besonders deshalb von ausserordentlicher Wichtigkeit
sind, weil sie mit vorgenagelten Terracottakästen be-
kleidet waren. Die Geisa zerfallen in 3 Sorten: die
Traufgesimse mit schräg ansteigender Oberssäche und
Löchern für die Sparren, die horizontalen Giebelgeisa
und die ansteigenden Tympanongesimse. Von den Terra-
cottakästen, welche an ihrer Vorderssäche mit einem
doppelten Flechtbande, an ihrer Unterseite mit einem
Mäander und ausserdem mit 4 Rundstäben dekoriert sind,
haben wir zahllose Stücke in derselben Festungsmauer
gefunden. Sie schliessen sich, wie man aus dem Profile
ersieht, genau der Form der Geisa an und waren an
ihrer vorderen und oberen Fläche vermittelst eiserner
Nägel an dem Steine befestigt. Letztere, ca. 5 mm
stark, sind noch an den meisten Steinen erhalten und
entsprechen in ihren Abständen genau den in den
Verkleidungsstücken vorhandenen Nagellöchern. Dass
die Geisasteine eine teilweise Bekleidung gehabt haben
mussen, erkennt man schon an der Bearbeitung ihrer
Oberssäche: diejenigen Teile, welche mit den Terra-
cotten verkleidet werden sollten, sind nur roh bearbeitet,
während die anderen vollständig geglättet sind und zum
Teil noch jetzt ihre ursprüngliche Färbung zeigen. Be-
sonders gut ist ein intensives Rot an der Unterssäche
einiger ansteigender Giebelgeisa erhalten.
Diese am Äusseren dorischer Bauten angewendete,
in Olympia zum ersten Male erkannte Bekleidungstechnik
ist in älterer griechischer Zeit vielfach üblich gewesen,
wie eine spezielle, im letzten Sommer vorgenommene
Untersuchung der älteren sizilianischen Bauten unwider-
leglich gezeigt hat; ähnliche Kastenstücke mit fast der-
selben Ornamentierung kommen in den meisten griechi-
schen Städten Siziliens und Grossgriechenlands vor.
Ist somit an der Thatsache, dass bei älteren dorischen
Bauten Steingesimse mit Terracotta verkleidet waren,

nicht zu zweifeln, so bleibt uns nur noch die Aufgabe,
eine kunsthistorische Erklärung für diese Technik zu
finden. Dass es dem Wesen des Steinbaues widerspricht,
wenn man Terracottaplatten mit Eisennägeln anheftet,
bedars keines Beweises; für einen Holzbau war eine
derartige Konstruktion dagegen nicht nur sehr vorteil-
haft, sondern geradezu notwendig. Die aus Holz her-
gestellten Säulen, Architrave und Triglyphen konnten
durch ein weit ausladendes Hauptgesims gegen die
direkten Einssüsse der Witterung einigermassen geschützt
werden, das Gesims selbst aber war besonders an seiner
Vorderssäche diesen zerstörenden Einwirkungen preis-
gegeben. Hier bot eine kastenförmige Bekleidung aus
gebranntem Thone den denkbar besten Schutz. Die
Kälten brauchten nur über die Enden der Sparren
hinübergeschoben und mit Nägeln befestigt zu werden,
um ein solides und zugleich schönes Hauptgesims zu
bilden. Da keine Holzbauten mehr erhalten sind, und
da man aus den Terracottastücken selbst nicht erkennen
kann, ob sie auf Holz oder Stein aufgenagelt waren,
so wird es zwar nie möglich sein, diese Hypothese ad
oculos zu beweisen; aber der Umstand, dass sich an
den Steinbauten diese Technik nur kurze Zeit erhält
und an den entwickelten dorischen Bauwerken schon
ausnahmslos durch die direkte Bemalung der Steingeisa
ersetzt ist, zeigt uns deutlich, dass wir es hier nur mit
einer Reminiscenz an den alten Holzbau zu thun haben.
Die in Selinus gefundenen und zwar dem Tempel C
zugehörigen Kastenstücke aus gebranntem Thone ent-
halten ausser dem Flechtbande an ihrem oberen Rande
ein dorisches Kyma und slehen somit den bemalten Stein-
gaisa, welche meist mit einem Kyma und darunter be-
findlichem Bande (gewöhnlich Mäander) dekoriert sind,
schon viel näher als die Terracotten Olympias, welche
kein Kyma besitzen.
Neben den Kastenstücken sind in der byzantinischen
Mauer auch die zugehörigen Simen gesunden worden
und zwar den drei Arten der Geisa entsprechend: Trauf-
simen mit röhrenförmigen Ausgüsfen, ansteigende Giebel-
simen mit dem allen derartigen Simen eigenen, kompli-
zierten Falz zum Übereinandergreifen der einzelnen Ziegel
und endlich horizontale Simen ohne Wasserspeier mit
spitz zulaufenden Endstücken, welche nur im Giebel-
dreieck über dem horizontalen Geison untergebracht wer-
den können.
Die Form dieser Sima: zu unterst ein die Stirnssäche
des Dachziegels darstellender vertikaler Streifen, der an
den einzelnen Seiten des Gebäudes mit verschiedenem
Ornamente (abwärts gerichteten Palmetten, Oblongen und
einfachen Linien) bemalt ist, darüber eine ägyptische Hohl-
kehle mit einem blattähnlichen geometrischen Ornamente
und als Bekrönung ein Mäander mit Rundstab, kommt
in Olympia an keinem Bauwerke in ganz derselben Weise
vor, während aus Gela und Syrakus ganz gleiche Simen
bekannt geworden sind.
Um das Gebäude ausfindig zu machen, welchem
die merkwürdigen, in der byzantinischen Westmauer ver-
bauten Geisa mit ihren Terracotten angehörten, war es
wichtig, die Gesamtlänge der gefundenen einzelnen Ge-
simsarten zu ermitteln. Da eine Messung sämtlicher Stücke
 
Annotationen