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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
Textabb. 15, 16. Credozyklus; Jüngstes Gericht. Handschrift des Abts Hermann von Kastl. Pommersfelden, Kunstsammlungen der Grafen von
Schönborn, Schloßbibliothek, Cod. 215. Nürnberg (?), um 1340.
erhaltenen Glasmalereibestand in Franken aus der Mitte des 14. Jahrhunderts haben die bislang genannten Werke
nichts gemein. Sucht man nach den Stilquellen dieser hochkarätigen Werkstatt, dann ist man auf den überregionalen
Vergleich verwiesen. Das über 15 Meter hohe vierbahnige Fenster mit einem christologischen Zyklus in Medaillons,
flankiert von stehenden Propheten in den Außenbahnen, wurde bislang mit der Esslinger und der Konstanzer Glas-
malerei, mit der vorbildlichen Farbverglasung im Doppelkloster Königsfelden, aber auch mit näherliegenden schwä-
bisch-oberpfälzischen Fenstern in Augsburg und Regensburg in Verbindung gebracht (vgl. S. 417-419). Keiner der
Vergleiche wird dem eigenständigen Charakter des Rothenburger Fensters tatsächlich in vollem Umfang gerecht, son-
dern rückt vielmehr die zeittypischen formalen und ikonographischen Einwirkungen der westlichen, oberrheinisch-
schwäbischen Glasmalerei in den Vordergrund. Selbst die beiden nächstverwandten Werke - das ein bis zwei Jahr-
zehnte ältere Thron-Salomonis-Fenster im Augsburger Dom (Textabb. 12) und das wenig jüngere Passionsfenster der
Minoritenkirche in Regensburg (Textabb. 18) - offenbaren in der Systematik des architektonischen bzw. dekorativen
Aufbaus und in der konsequenten Beschränkung des ornamentalen Apparats eine wesentlich strengere Konzeption,
die der eher additiven Gesamtanlage des Rothenburger Fensters mit seiner unorthodoxen Kombination orthogonaler
und verräumlichter Tabernakel und seinem willkürlichen Wechsel von gespitzten und runden Paßmedaillons auf
Anhieb nur bedingt vergleichbar erscheint. Auch Stil und Typenschatz der Figuren sind trotz z.T. verblüffender Paral-
lelen nicht durchgehend vom gleichen Schlag. So überwiegt in Rothenburg ein naiveres Menschenbild, das in den
gedrängten Szenen der Medaillons auch den angemessenen Handlungsraum besitzt. Die Ornamentik, besonders der
Reichtum an Rankengründen, ist, wie Fritzsche zurecht hervorgehoben hat, bereits in der Esslinger und Konstanzer
Glasmalerei angelegt und findet sich um 1350 in vergleichbarer Fülle auch in einem der Langhausfenster des Regens-
burger Doms68. In Augsburg dagegen ist diese botanische Vielfalt ebensowenig anzutreffen wie im Achsenfenster der
Regensburger Minoritenkirche; dort werden statt dessen bevorzugt geometrische Muster verwendet. Charakteristi-
KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
Textabb. 15, 16. Credozyklus; Jüngstes Gericht. Handschrift des Abts Hermann von Kastl. Pommersfelden, Kunstsammlungen der Grafen von
Schönborn, Schloßbibliothek, Cod. 215. Nürnberg (?), um 1340.
erhaltenen Glasmalereibestand in Franken aus der Mitte des 14. Jahrhunderts haben die bislang genannten Werke
nichts gemein. Sucht man nach den Stilquellen dieser hochkarätigen Werkstatt, dann ist man auf den überregionalen
Vergleich verwiesen. Das über 15 Meter hohe vierbahnige Fenster mit einem christologischen Zyklus in Medaillons,
flankiert von stehenden Propheten in den Außenbahnen, wurde bislang mit der Esslinger und der Konstanzer Glas-
malerei, mit der vorbildlichen Farbverglasung im Doppelkloster Königsfelden, aber auch mit näherliegenden schwä-
bisch-oberpfälzischen Fenstern in Augsburg und Regensburg in Verbindung gebracht (vgl. S. 417-419). Keiner der
Vergleiche wird dem eigenständigen Charakter des Rothenburger Fensters tatsächlich in vollem Umfang gerecht, son-
dern rückt vielmehr die zeittypischen formalen und ikonographischen Einwirkungen der westlichen, oberrheinisch-
schwäbischen Glasmalerei in den Vordergrund. Selbst die beiden nächstverwandten Werke - das ein bis zwei Jahr-
zehnte ältere Thron-Salomonis-Fenster im Augsburger Dom (Textabb. 12) und das wenig jüngere Passionsfenster der
Minoritenkirche in Regensburg (Textabb. 18) - offenbaren in der Systematik des architektonischen bzw. dekorativen
Aufbaus und in der konsequenten Beschränkung des ornamentalen Apparats eine wesentlich strengere Konzeption,
die der eher additiven Gesamtanlage des Rothenburger Fensters mit seiner unorthodoxen Kombination orthogonaler
und verräumlichter Tabernakel und seinem willkürlichen Wechsel von gespitzten und runden Paßmedaillons auf
Anhieb nur bedingt vergleichbar erscheint. Auch Stil und Typenschatz der Figuren sind trotz z.T. verblüffender Paral-
lelen nicht durchgehend vom gleichen Schlag. So überwiegt in Rothenburg ein naiveres Menschenbild, das in den
gedrängten Szenen der Medaillons auch den angemessenen Handlungsraum besitzt. Die Ornamentik, besonders der
Reichtum an Rankengründen, ist, wie Fritzsche zurecht hervorgehoben hat, bereits in der Esslinger und Konstanzer
Glasmalerei angelegt und findet sich um 1350 in vergleichbarer Fülle auch in einem der Langhausfenster des Regens-
burger Doms68. In Augsburg dagegen ist diese botanische Vielfalt ebensowenig anzutreffen wie im Achsenfenster der
Regensburger Minoritenkirche; dort werden statt dessen bevorzugt geometrische Muster verwendet. Charakteristi-