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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0320

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NÜRNBERG (wÖHRD) • ST. BARTHOLOMÄUS

315

CHORFENSTER nord II

Fig. 188-196, Abb. 207-214, 225-227

Rundbogiges Fenster von zwei Bahnen und sechs Zeilen einschließlich der 1964 nach Entwürfen von Theo Reichart in
der Nürnberger Werkstatt Hans Ammer modern verglasten Bogenfelder (gestiftet von Emil Buschor, Nürnberg). In
den Rechteckfeldern der ersten Zeile sitzen jeweils in historistischen Architekturrahmungen von 1886 Dreipässe mit
Wappenallianzen der Nürnberger Patrizierfamilie Tetzel (vgl. Anm. 1).

2a LETZTES ABENDMAHL (FRAGMENT)
Fig. 188, Abb. 209
Durchmesser (innerhalb des violetten Rahmens) 35,5-36 cm.
Vor 1835 in Lhs. nord VIII untergebracht; danach nicht mehr
nachgewiesen (vgl. Reg. Nr. 76).
Erhaltung: Im Innern der Kreisform sind einzelne alte, z.T. kor-
rodierte Fragmente zusammengefügt; Umgebung vollständig 19.
Jh. (1886). Eine Skizze des fragmentierten Rechteckfelds in
einem Schreiben Heideloffs an den Rat der Stadt Nürnberg vom
22. Februar 1828 zeigt wenigstens noch fünf erhaltene Apostel-
figuren (vgl. Reg. Nr. 75).
Ikonographie, Komposition: Die Fragmente der Halbrückenfigur
und der Holzbank rechts unten gehörten einst - wie eine Erst-
ausführung desselben Entwurfs in musealem Besitz in London
belegen kann - zur Szene des Letzten Abendmahls (vgl. Text-
abb. 45)10. Sie besetzten dort das vordere linke Eck, gegenüber
dem Verräter Judas.
Farbigkeit: Im Kreisrund: Apostel mit hellgrünem Mantel über
blauvioletter Tunika; Nimbus, Haare, Bart und Becher auf wei-
ßem Tischtuch silbergelb. Unterhalb des Figurenfragments rotes
Gewandstück; rechts und links diverse Teile gelben Mobiliars.
Technik, Stil, Datierung: Die metallisch glatte Ausführung des
Gewandes, die saubere Silbergelbmalerei und die sehr weiche,
malerische Halbtonmodellierung des Kopfes paßt stilistisch aus-
gezeichnet zur datierten Fuß Waschung (5 a), dem zugehörigen
Gegenstück. Nürnberg, 1511.
CVMA A 12243


Fig. 188. ES Chor n II, 2a.

2b GEBURT CHRISTI Fig. 189, Abb. 210, 225
H. 82-83,5 cm> B- 62-63,5 cm.
Vor 1835 in Chor süd III, 3a; 1886 nach Chor nord II, 3b ver-
setzt11; seit 1964 am jetzigen Standort.
Erhaltung: Seitlich und oben minimal beschnitten. Trotz des ver-
gleichsweise geringen Umfangs an Ergänzungen, die außer Rah-
mung und Hintergrund vor allem den im 19. Jh. erneuerten Kopf
Marias und das bereits nach Mitte des 16. Jh. getilgte, durch ein

Fig. 189. ES Chor n II, 2b.


exakt eingepaßtes Gewandstück ersetzte Wappen betreffen, ist
die Scheibe durch zahlreiche doublierte Sprünge und teils massi-
ven Abrieb der Bemalung in den Köpfen, im Gewand Marias
und in der Astwerkrahmung nachhaltig geschädigt. In den Rah-
menpfosten sind auf der Innenseite drei ältere Trockendoublie-
rungen aufgebleit. Bleinetz von Frenzei erneuert.
Ikonographie, Komposition: Für die kompakte Komposition, die
noch wenig von der Großzügigkeit und dem spannungvollen
Gegenüber der Hauptfiguren der Geburt im Löffelholz-Fenster
zeigt, hat Knappe zurecht auf das Vorbild Dürers, genauer auf
die Geburtsdarstellungen der kleinen Andachtsbuch-Serien
(D.46, D.47 und D.i) verwiesen12. Als bekannt vorauszusetzen
sind außerdem auch die über Jahrzehnte hinaus vorbildlichen
Formulierungen der beiden Schongauerstiche (L.4 und L.5).
Eine wörtliche Zweitausführung des Entwurfs (ohne Wappenen-
gel und mit veränderter Rahmung) aus dem Jahr 1520 befindet
sich heute in der Kunstsammlung Heylshof in Worms13.

10 London, Victoria and Albert Museum, Inv. C 409-1919, Maße: 87,6 x
45,8 cm; vgl. Knappe, London, 1962, S. 355-362. - Besagte Erstausfüh-
rung in London verrät in Komposition, Typenschatz und feinzeichneri-
scher Ausführung eindeutig den zugrundeliegenden Entwurf von der
Hand Baldungs und besitzt zudem alle Merkmale einer frühen Entste-
hung; die mutmaßliche Herkunft der Scheibe aus dem ehemaligen Nürn-
berger Augustinerkloster St. Veit stützt sich auf eine Überlieferung
Sebald Schreyers, der laut eigener Aussage im Jahr 1504 ein dreibahniges
Fenster im Chor der Augustinereremitenkirche mit den Rechteckfeldern
des »abentessens Jhesu Cristi mit seinen jüngeren« und zweier Wappen-
scheiben inmitten einer Blankverglasung mit Butzen gestiftet hatte
(Gümbel, 1908,8. 121).
11 Schwemmer, 1933, S- 41! vgl- Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
12 Knappe, Baldung, 1963, S. 59; vgl. Dodgson, 1909.
13 Scholz, Werkstattpraxis, 1991, S. 244; vgl. Georg Swarzenski, Die
Kunstsammlung im Heylshof zu Worms. Beschreibender Katalog,
Frankfurt/M. 1927, Nr. 182.
 
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