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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0400

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POLLENFELD • PFARRKIRCHE

395

Technik: Sieht man ab vom besseren Zustand der Bema-
lung im Marienfenster (Chor süd II), so sind in der techni-
schen Ausführung keine weiteren Unterschiede festzustel-
len: Beiden Fenstern eignet das gleiche, sehr beschränkte
Farbglas-Sortiment, nur die Verteilung folgt im Einzelfall
besonderen Prinzipien. Die malerische Behandlung von
Köpfen und Gewändern wird - typisch für die Zeit um
1400 - in hohem Maße durch die negative Flächenmodel-
lierung von Halbtonlasuren dominiert. Lichter werden
mit dem Pinsel trocken die Form nachschreibend ausge-
wischt bzw. in Sonderfällen feiner ausradiert. Die Kontu-
rierung der Gewänder basiert auf Pinselzügen, die in der
Stärke ebenso wie in der Sättigung der Lotfarbe (Schwarz
bis wässrig Grau) variieren und die Volumina durch Licht-
und Schattenzonen unterstreichen. Die stärker deckenden
Konturen sind in der Regel locker, mitunter fahrig hinge-
schrieben. Ein zeichnerisches Merkmal sind in beiden
Fenstern die eigentümlich längsschraffierten, ösenförmi-
gen Faltenformen, die man vereinzelt auch in den wenig
jüngeren Chorfenstern des Ulmer Münsters wiederfinden
kann (Abb. 304)10 11. Vereinzelt, etwa im Mantel Marias in
der Anbetung der Könige, ist diese Schraffurtechnik noch
ergänzt um quergesetzte kurze Häkchen in sehr freier
Manier. In den Köpfen sind die hellen Zonen gleichfalls
mit dem Pinsel trocken ausgewischt, jedoch werden
Augen, Brauen, Nasenrücken und -flügel, Mund und
Haaransatz gewöhnlich kräftig deckend konturiert. Tech-
nische Besonderheiten wie Ausschliff aus Uberfanggläsern
oder Silbergelbmalerei sind nicht zu verzeichnen. Statt
dessen sind offenbar in den Architekturteilen des Marien-
fensters Reste rückseitig angelegte Vorzeichnungen »in
Form flüchtiger Konturen« erhalten geblieben12.
Stil, Datierung: Die in Pollenfeld bewahrten Farbfen-
ster sind wohl charakteristische Vertreter süddeutscher
Glasmalerei der Zeit um 1400, unterscheiden sich aber
durch ihr vergleichsweise hohes Anspruchsniveau von
einer ganzen Reihe zeitgleicher Werke, u.a. vom Gros der
Nürnberger Massenproduktion in und außerhalb der
10 Ein ganz entsprechendes Vorgehen offenbaren die Chorfenster des
Ulmer Münsters, insbesondere die ältesten Fenster der sog. »ersten
Chorfensterwerkstatt« (Scholz, CVMA Deutschland I, 3, 1994, S. 30,
Abb. 79 f., 108 f.), die zwar nicht im Hinblick auf den Umfang an origina-
ler Substanz, wohl aber in der Transparenz weit besser erhalten sind.
11 Vgl. CVMA Deutschland I, 3, 1994, Abb. 142.
12 Gemäß Restaurierungsdokumentation G. van Treeck: C 7511 und C
7662 (München, 24.03.1993); bei der Bestandsaufnahme in situ 2001 war
dieser Befund leider nicht nachzuprüfen. Zum Phänomen vgl. Stefan
Trümplbr, Rückseitige Vorzeichnungen auf Glasgemälden, in: Corpus
Vitrearum NewsLetter 45, Juli 1994, S. 36-39.


Fig. 282. Marienfenster. Chor s II, 4-8a-c. — Kat. S. 403 -407.
 
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