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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0414

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PUSCHENDORF • PFARRKIRCHE

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mittelalterlichen Verbleiung im Zentrum des Feldes süd II, ta - zum überwiegenden Teil von Pfann und Frenzei; nur
das Pirckheimersche Wappen wurde 1995 nochmals neuverbleit.
Eine Besonderheit der Puschendorfer Chorverglasung ist der von Gottfried Frenzel bekanntgemachte Sachverhalt,
daß große Teile der mittelalterlichen Butzenscheiben noch in ihrem originalen Bleinetz sitzen5. Die völlig farbstich-
freien »venedischen« Butzenscheiben, die tatsächlich aus Venedig importiert worden sein dürften, sind durchweg
unverwittert und zeigen lediglich Spuren oberflächlicher Irisierung. Dazwischen finden sich Butzen mit lebhaftem
Grünstich, die vermutlich heimischen Ursprungs sind und wohl bei allfälligen späteren Reparaturen eingeflickt wur-
den. Diese weisen, wie auch ein Teil der dreieckigen Zwickelgläser (Hornaffen), Korrosionsspuren mit Lochfraß,
Beläge und Transparenzeinbußen auf. Das mittelalterliche Bleinetz besitzt eine Bleiflankenbreite von durchgehend
4,5 mm und eine Kernhöhe von 5,6 mm. Das Verbleiungssystem zeigt tangierende (nicht überlappende) Ruten mit
Lötstellen von 28 mm Länge.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die Konzeption einer partiellen Farbverglasung mit Wappen
inmitten einer farblosen Butzenverglasung, wie sie im Chor von St. Wolfgang heute noch weitgehend ungestört über-
liefert ist6, zählt um 1500, nicht allein in Nürnberg, zu den Standardprogrammen der Glasmalerei7. Ähnliche, noch um
Standfiguren von Heiligen (zumeist Titelheilige und Namenspatrone der Stifter) erweiterte Programme sind im nähe-
ren mittelfränkischen Umfeld noch in der Pfarrkirche in Kalchreuth zu finden (vgl. S. 257E) oder etwa für die Fried-
hofskirche St. Johannis in Nürnberg anhand alter Beschreibungen zu rekonstruieren (vgl. S. 340-343). Inwieweit die
einzelnen Fensterstifter damit ihr Engagement für den gesamten Neubau der Kirche dokumentieren, ist nicht
bekannt. Daß das Wappen Pirckheimer mit Hausmarke h im südlichen Chorfenster (freilich nicht unbedingt an sei-
nem ursprünglichen Fensterplatz) aber auf den Prior der Nürnberger Kartause, Georg Pirckheimer, einen der Bau-
herrn, bezogen werden kann, geht daraus hervor, daß dieser zusammen mit Frater Andreas Tücher am 9. Februar 1489
eigenhändig den Grundriß vermaßt hatte8. Das gehäufte Auftreten von Hallerwappen erinnert zudem daran, daß dem
Nürnberger Patriziergeschlecht seit dem frühen 15. Jahrhundert (Martin Haller, 1414) als Lehensträger in Puschen-
dorf große Flächen Ackerland und auch ein Jagdschlößchen auf dem Burgstall gehört hatten, beides aber 1466 und
1469 an die Nürnberger Kartause Maria Zell verkauft worden war. Das ratsfähige Nürnberger Geschlecht der Wolff
von Wolffstal schließlich hatte im benachbarten Burgfarrnbach seinen Stammsitz.
Komposition, Ornament: In den Rechteckwappen der Puschendorfer Chorfenster manifestiert sich - aus heutiger
Sicht mit zum ersten Mal - jener für die Nürnberger Glasmalerei der Dürerzeit so charakteristische wie beständige
Gestaltungstypus für Wappenscheiben: Das immer wiederkehrende, außerordentlich konzentrierte Motiv-Repertoire
umfaßt einen schmalen nischenartigen Bildraum, in dem die Wappenbilder zu schweben scheinen. Diese werden in der
Bildebene durch einen Astwerkbaldachin oder -tabernakel gerahmt, in der Tiefe durch einen perspektivisch fluchten-
den Boden definiert und nach hinten durch die abstrakte Folie eines flächendeckenden Damastmusters abgeschlossen.
Unter den in Puschendorf verwendeten Ornamenten steht das überregional verbreitete Straßburger Muster A (X, 30)
in fünf von sechs Hintergründen an erster Stelle, wie überhaupt im gesamten CEuvre der Hirsvogel-Werkstatt, wäh-
rend das Hintergrundsmuster der sechsten Scheibe aufgrund falscher Ergänzungen nicht mehr eindeutig zu identifi-
zieren ist.
Farbigkeit: Die Farbpalette bleibt im wesentlichen auf den großflächigen Kontrast von Rot und Gelb (Wappen),
Hell- und Mittelblau (Damastgründe, Wappen) und Violett (Damastgrund), Weiß und Schwarz beschränkt, wobei die
wenigen gebrochenen Lokalfarben - das metallische Grau der Stechhelme, das Anthrazit in der Helmzier zweier Wap-

5 Frenzel, 1970/71, S. 109-112, mit Detailaufnahmen der mittelalter-
liehen Gläser, Bleiruten und Lötstellen.
6 Ob die Wappenzeile ehemals in der oberen Fensterzeile positioniert
war, um nicht durch den Hochaltar verdeckt zu werden, ist zumindest
für das Mittelfenster als Möglichkeit anzunehmen.
7 Frenzel, 1970/71, S. m, führt als weiteres intaktes Beispiel die
Schloßkapelle zu Blutenburg/München (bez. 1491) an und weist zu

Recht daraufhin, daß allein der Nürnberger Kirchenpfleger Sebald
Schreyer zwischen 1477 und 1517 eine größere Anzahl derartiger partiel-
ler Farbfenster aus »geprenntem glas« und »venedisch schewben« gestif-
tet hat (im Wortlaut mitgeteilt bei Gümbel, 1908 a, passim; zu Schwä-
bisch Gmünd vgl. auch CVMA Deutschland 1,2, 1986, S. 206f.).
8 Mitgeteilt bei Leyh, 1989, S. 4.
 
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