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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0015

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EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN

legt zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differenzierung
und Modellierung des farbigen Lichtes und damit die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silicium), das bei etwa 700° miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmasse
(Fritte) werden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt) hinzugefügt, bei deren Oxydation eine bestimmte
Färbung erzielt wird. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren Überfängen;
hierzu wird der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wird in der Regel
als Überfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Hafenmischglas. Das
in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die im Spätmittelalter immerhin eine Fläche von einem
Viertel Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Dicke ungleich und mit Unreinheiten (Bläschen,
Buckeln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxydation der färbenden Metalle. Diese technischen
Unvollkommenheiten machen jedoch den besonderen Reiz mittelalterlicher Farbgläser aus.
Als Malfarbe kennt der Glasmaler des Mittelalters zunächst nur das Schwär^- oder Braunlot, das durch Aufbrennen
mit dem Farbglas verbunden wird. Hierzu wird der Farbzsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxyd) zerstoßenes
Bleiglas beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt und dadurch eine nachträgliche
Verbindung mit diesem ermöglicht. Das Schwarzlot wird als Kontur- und Über^ugsfarbe verwendet und vermag das
Grundglas nur in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases
verändert werden kann, sind erst Silbergelb und Eisenrot, die seit dem frühen 14. bzw. seit der Mitte des 15. Jh.
in Gebrauch kommen.
Die mittelalterlichen Bleiruten sind schmal und hochstegig und besitzen abgerundete Kuppen, durch die die Gläser
gehalten werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie jeden möglichen Glass^uschnitt nachvollziehen.
Die Arbeit des Glasmalers beginnt damit, daß er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer
weiß grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufreißt und damit die Größe der
einzelnen Gläser und den Bleiriß festgelegt. Als zweiter Arbeitsgang folgt die Zuschneidung der Gläser mit dem
Kröseleisen; mittelalterliche Farbgläser weisen daher stets unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht
in der Regel aus drei Schichten, einem flächenhaften Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton
und einer mehr oder weniger deckenden Kontur. Sie wird in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber
durch Bemalung auf der Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung kann der Glasmaler dadurch differenzieren,
daß er sie in negativer Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, dem Pinselstiel oder der Nadel durch
Wischen, Stupfen oder Radieren teilweise wieder entfernt. Danach werden die Gläser gebrannt und verbleit.
Über die Technik der mittelalterlichen Glasmalerei unterrichten noch immer am anschaulichsten F. Geiges, Der
alte Fensterschmuck des Freiburger Münsters, Freiburg i. Br. 1901, S. 154-200, und H. Oidtmann, Die rheinischen
Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jh., Düsseldorf 1912, S. 1—69. Die neueren Erkenntnisse auf diesem Gebiet
vermittelt am besten das Referat G. Frenzel/E. Frodl-Kraft auf der Tagung »Corpus Vitrearum Medii Aevi«,
Erfurt 1962, in: ÖZKD 17, 1963, S. 93-114, sowie E. Frodl-Kraft, Zur Frage der Werkstattpraxis in der mittelalterli-
chen Glasmalerei, in: Glaskonservierung. Historische Glasfenster und ihre Erhaltung (Arbeitshefte des Bayerischen
Landesamtes für Denkmalpflege 32), München 1985, S. 10-22, und zuletzt S. Strobl, Glastechnik des Mittelalters,
Stuttgart 1990.
Zum Erscheinungsbild farbiger Verglasungen : Die Entwicklung der mittelalterlichen Glasmalerei ist aufs engste
mit der Entwicklung der Architektur verbunden. In den relativ kleinen Fensteröffnungen romanischer Bauten waren
die Glasgemälde zugleich Lichtquelle. In den stark durchbrochenen gotischen Bauten werden sie zur raumabschließen-
den diaphanen Wand. Der Ausdehnung der Färb Verglasungen waren jedoch künstlerische und ökonomische Grenzen
gesetzt. So kam es in der Spätgotik zur Ausbildung partieller Farbverglasungen, in denen die farbigen Glasgemälde
nur noch einen Teil der Fenster füllten, während die übrigen Fensterflächen mit Butzen oder Rauten blankverglast
waren. Zuvor waren in der Hochgotik bereits figürliche Farbverglasungen mit mehr oder weniger farbigen Ornament-
verglasungen verbunden worden.
Die klassische Gliederungsform szenischer Glasmalereien ist das Medaillonfenster aus miteinander verbundenen oder
unverbundenen Kreisen, Rauten oder Paßformen (Vierpaß, Langpaß), die jeweils genau beschrieben und gegebenenfalls
 
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