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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0263

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i66

LÜNEBURG • KLOSTER LÜNE

ANHANG: SCHERBENBESTÄNDE
Bei der Brückensprengung vom 18. April 1945 (s. S. 134) war der reiche Bestand an mittelalterlichen Scheiben
in den Klausurgebäuden des Klosters durch den Luftdruck zerstört oder zumindest beträchtlich in Mitleidenschaft
gezogen worden. Ein großer Teil der Scherben wurde sorgsam geborgen und konnte 1960/61 bei der Wiederherstellung
durch den Glasmaler H. Mühlenbein, Hannover, wiederverwendet werden. Aus nicht mehr bekannten Gründen
wurden die Arbeiten jedoch abgebrochen, so daß die zahlreichen Fragmente von Architekturscheiben aus dem Nordflü-
gel des Kreuzgangs, die Petrusscheibe aus dem Ostflügel (Abb. 167, 274, 279) und die Ursulascheibe aus dem Nordflügel
(Abb. 275) unbearbeitet liegenblieben (zu den beiden letzteren s. S. iÖ4f.). Daß die Wiederherstellung auch dieser
Scheiben beabsichtigt war, belegen Ölkreidemarkierungen und -zahlen auf einem Teil der Stücke sowie die Tatsache,
daß H. Mühlenbein bei einem Teil der Scherben die rückseitigen Wettersteinschichten bereits abgetragen und die
freigelegten Flächen mit einem lackartigen Überzug versehen hatte (s. Abb. 265 oben und 267 oben).
Dankenswerterweise hat Äbtissin Luise Gößling 1984 den gesamten Scherbenbestand mit etwa 800 mittelalterlichen
Stücken dem Bearbeiter leihweise überlassen, so daß er ihn im Westfalischen Landesamt für Denkmalpflege ordnen,
sichern und photographieren konnte. Der reizvolle Versuch, die auseinandergerissenen Architekturkompositionen
des frühen 15. Jh. aus den Fenstern des nördlichen Kreuzgangflügels wieder zusammenzufügen und den ursprünglichen
Kontext wiederherzustellen, mußte freilich unterbleiben, doch gelang es immerhin, eindeutig zusammengehörige Scher-
benkomplexe zusammenzustellen und dadurch wenigstens in Teilbereichen eine ungefähre Vorstellung von diesen,
für die Lüneburger Glasmalerei des frühen 15. Jh. bedeutsamen Architekturscheiben zurückzugewinnen. Die Aufgabe,
sie eines Tages mit Hilfe der erhaltenen Fragmente, der bekannten Feldmaße und unter Heranziehung der intakten
Scheiben zu rekonstruieren, zu ergänzen und wieder an ihrem ursprünglichen Standort im Kreuzgang einzusetzen,
bleibt indes noch zu lösen.
1. Fragmente von Architekturscheiben aus dem Nordflügel des Kreuzgangs
Der umfangreiche Bestand an architektonischen Fragmenten (Abb. 265—272, 276, 278) läßt sich, wie folgt, ordnen:
1. Teile eines über die ganze Scheibenbreite reichenden, dreiseitig gebrochenen weißen Baldachins mit flachgedrücktem
Mittelbogen, darüber kleine, einbahnige genaste Fenster unter Deckprofil mit Maßwerkbrüstung (Abb. 265 oben).
2. Dreiseitiger weißer Mittel(?)-Turm mit Giebel und Kreuzblume, links anschließend — in von Horn erneuerter
Verbleiung — unter einem Maßwerkkamm weiße Bögen auf schlanken Säulchen mit Einblick in ein rosaviolettes
Rippengewölbe mit purpurvioletten Wandteilen (Abb. 265 unten).
3. Elf Teile eines Tabernakelturms (H. 56 cm, B. 36 cm) mit weißem, krabbenbesetztem und maßwerkgefülltem
Wimperg über genastem Bogen vor durchfenstertem Turm mit blauem Deckgesims, darüber beiderseits der Kreuz-
blume weiße Turmgeschosse. Die drei Wimpergstücke rechts der Mittelsenkrechten sind von Horn ergänzt; sie zeigen
silbergelbe Krabben und Maßwerkkehlen, während von den mittelalterlichen Teilen nur das große Rechteckstück
Silbergelb-Flecken aufweist. Der gerade obere Abschluß läßt vermuten, daß die Fragmente das Wimperggeschoß
3 b in einer über zwei Zeilen reichenden Architekturkomposition bildeten (Abb. 266).
4. Acht Stücke vom dreiseitigen, weißen Mittelteil eines Baldachingeschosses mit genasten, einbahnigen Fensterchen,
an den Ecken besetzt mit innen hellblauen, außen gelben Türmen, an die sich rechts roter Grund anschließt. Die
ehemalige Breite von 27 cm (mit links zu ergänzendem roten Grund) weist darauf hin, daß beiderseits weitere Türme
oder Architekturteile folgten (Abb. 267 oben).
5. Vier weiße Stücke vom Deckprofil eines dreiseitigen Baldachinturmes mit Maßwerkbrüstung und zinnenartig
gereihten Giebelhäuschen, die Biberschwanzdächer tragen (B. 25 cm). Das mittlere, untere Stück ist eine Ergänzung
von Horn (Abb. 267 unten).
6. Teile von blauen, gelben, grünen und purpurvioletten Türmchen mit Zinnenkränzen und teilweise zugehörigen
weißen, grünen, roten und purpurfarbenen Turmspitzen und Wimpergfragmenten, dabei rechts unten ein gelbes
Fragment mit Knauf und Ansatz einer Kreuzblume (Abb. 268).
 
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