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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0213

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LÜNEBURG ■ RATHAUS

3. DIE WAPPENSCHEIBENFRAGMENTE IM KÄMMEREIFLÜGEL
Bibliographie: W.F. Volger; Zusätze und Berichtigungen zu J.W. Albers, 1843, in: Die Alterthümer der Stadt
Lüneburg und des Klosters Lüne, Lüneburg 1856, S. 14E (erwähnt in den Fenstern des oberen Vorplatzes »noch
einige Wappen, die offenbar dem XIV. oder XV. Jh. angehören und neuen Rahmen eingefügt sind«); F. Krüger/W.
Reinecke, Kdm. Lüneburg, 1906, S. 287 (genaue Beschreibung der in das nordöstliche Fenster eingefügten Wappen
und Helmzierden); W. Reinecke, 1925, S. 95 (»zwei der hohen Nordfenster zeigen alte gemalte Wappenscheiben
in Bleiverglasung«).
Gegenwärtiger Bestand: Im Obergeschoß des Kämmereiflügels befinden sich - nicht an ursprünglicher Stelle
- insgesamt acht Wappenscheiben bzw. Fragmente hiervon: Das zum Amtszimmer des Stadtkämmerers gehörige
Fenster enthält vier bürgerliche Wappen des späten 15. Jh. (Fig. 42, Abb. 114-116, 123), das zum Treppenhaus gehörige
vier Fragmente einer Wappenallianz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aus dem frühen 16. Jh. (Fig. 43,
Abb. i24f., 13 3 f.), jeweils in einer modernen Rechteckverglasung.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts : Obwohl zahlreiche verlorene Farbverglasungen in den verschiedensten
Räumen des Rathauses in den Quellen vermerkt oder durch spätere Erwähnungen bezeugt sind (s. S. 128), ist es
einstweilen nicht möglich, die vermutlich seit dem frühen 19. Jh. in zwei Fenstern des Kämmereiflügels eingesetzten
Wappen mit einem der erwähnten Bestände zu verbinden. Zumindest bei den bürgerlichen Wappen ist daher zu
erwägen, ob sie nicht erst im 19. Jh. in das Rathaus gekommen sind.
Rekonstruktion, Ikonographie, Komposition, Farbigkeit: Alle vier bürgerlichen Wappen in Fenster NORD I
zeigen den aus den Kreuzgängen der Klöster Lüne (Abb. 175—183) und Wienhausen (Abb. 253) oder der Pfarrkirche
in Veerßen bekannten Typus der stets isoliert in Blankverglasungen eingefügten Lüneburger Wappenscheibe des
späten 15. und frühen 16. Jh. mit einem gelehnten Wappenschild, umschlossen von zwei am Fuß des Wappens
überkreuzten und an der Spitze in einer Krone wieder zusammengeführten Ästen, die mit Blättern und Früchten
besetzt sind. Die stets mi-parti geteilten Äste werden wie die Blätter und Früchte wechselnd blau, rotviolett oder
gelb gefaßt. Ein Spruchband mit dem Namen des Wappenträgers wird meist am Fuß des Wappens mit den überkreuzten
Ästen verbunden.
Abweichend von den genannten Beispielen rahmt kein mit Eicheln besetztes Eichenlaub, sondern Weinlaub mit
Trauben die im Amtszimmer des Stadtkämmerers befindlichen Wappen. Die übereinstimmende Bildung ihrer Rahmung
wie der rhythmisierte Farbwechsel der Äste, Blätter, Früchte und Kronen deuten darauf hin, daß sie ursprünglich
Teile eines umfangreicheren Zyklus waren. Von den Wappenträgern konnte bisher nur einer als Bürger Lüneburgs
nachgewiesen werden; keiner von ihnen dürfte jedoch dem Patriziat angehört haben. Vielleicht mag dieser Umstand
einmal zur Ermittlung des ursprünglichen Standorts dieser Wappen beitragen.
Obwohl die Reste einer Wappenallianz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, in ihre einzelnen Bestandteile
zerlegt, in Fenster NORD II — wie die bürgerlichen Wappen in NORD I — in eine Blankverglasung eingefügt sind,
dürften diese, miteinander verbunden, als Teile einer figürlichen Farbverglasung monumentalen Zuschnitts einem
ganz anders gearteten Kontext entstammen. Dies läßt sich aus den in die Helmzierden eingeflickten Scherben roter,
blauer und gelber Gewänder mit entsprechender Zeichnung noch erschließen und dürfte für das Rathaus als ursprüngli-
chen Standort sprechen, obwohl die Stadt ihre Zugehörigkeit zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg zuvor stets
ohne die von ihrem Landesherrn seit 1369 im Wappen geführten braunschweigischen Löwen dokumentiert hatte130.
Technik, Stil, Datierung: Die Ausführung der für Lüneburg typischen Form der isolierten Wappenscheibe war
vermutlich bis in die Stilisierung der Blätter und Früchte hinein durch Vorlagen festgelegt. Dennoch überraschen
130 Vgl. hierzu U.-D. Korn, in: Kat. Ausst. Braunschweig 1985, I,
S. 148.
 
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