LÜNEBURG
EHEMALIGES BENEDIKTINERINNENKLOSTER LÜNE
Vorgänger des Benediktinerinnenkonvents in Lüne war seit etwa 1140 die Einsiedelei eines Benediktiners von St.
Michaelis in Lüneburg an einem heute nicht mehr genau lokalisierbaren Ort nordöstlich von Lüneburg jenseits
der Ilmenau, nahe der Fernstraße nach Artlenburg an der Elbe und Lübeck1. Sie wurde 1157 zu einer dem Hl.
Jacobus maior geweihten Kapelle ausgebaut.
1171 erlaubte Abt Berthold von St. Michaelis der Hildeswidis von Markboldestorp aus einem bei Harburg begüterten
Ministerialengeschlecht, mit ihren Begleiterinnen bei der Kapelle in Lüne eine geistliche Gemeinschaft zu gründen.
Der kleine Konvent soll aus dem nicht mehr bekannten Ort Nordburstold, später Heiligenrode genannt, gekommen
sein, wo Hildeswidis vermutlich auf Eigenbesitz die Gründung versucht hatte.
Die Stiftung des Konvents in Lüne mit dem Status eines Kanonissenstifts wurde mit Zustimmung Herzog Heinrichs
des Löwen 1172 von Bischof Hugo von Verden bestätigt. Der Übernahme der Benediktinerregel im 13. Jh., vielleicht
unter dem Einfluß des Michaelisklosters, folgte ein rasches Aufblühen des Konvents, der 1284 mehr als 60 sorores
zählte. Sie entstammten je zur Hälfte dem umsitzenden Adel und dem gehobenen Lüneburger Bürgertum. Der Propst
von Lüne gehörte seit 1229 zu den Sülzprälaten, die den Sodmeister, den höchsten Verwaltungsbeamten der Lüneburger
Saline zu wählen hatten.
Die ruhige und stetige Entwicklung des Klosters wurde 1370 durch die Wirren um die Besetzung der Klosterpropstei
und die Brandkatastrophe vom 30. April 1372 nachhaltig gestört. Unter dem tatkräftigen Propst Johannes Weigergang,
einem Bardowicker Chorherrn, erfolgte der Neubau des Klosters näher an der Stadt und an der Ilmenau. Mit diesem
Vorgang ist die Sage vom Klosteresel verbunden, der den Nonnen Mehl aus der Lüner Mühle in Lüneburg bringen
sollte. Auf dem Platz, an dem man ihn nach dem Brande fand, wurde das neue Kloster errichtet. Der Esel versorgte
den Konvent so lange täglich mit Mehl, bis ihm die Nonnen aus Dankbarkeit silberne Hufeisen aufschlugen, was
zugleich Zeichen ihres Wohlstandes war. Außerdem setzten sie sein Bild in eines der Kreuzgangfenster (s. Nordflügel
Fenster II, 4c)2. Propst Weigergang (1373—1412) mehrte Grundbesitz und Privilegien des Klosters; daneben war
er mehrfach als Schiedsmann bei Streitigkeiten zwischen dem Landesherrn, dem Rat der Stadt und geistlichen Institutio-
nen tätig. Seine Nachfolger Heinrich von Bodenstedt (1412—1432) und Cord van Tzerstede (1433—1440) trugen zur
Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Mit Propst Diedrich Schaper (1440-14 51), der als Wortführer
der sülzbegüterten geistlichen Institutionen in die revolutionären Wirren des »Prälatenkrieges« (1454—1462) geriet,
setzte eine Phase des Niedergangs ein, von dem das Kloster sich in der langen Amtszeit Nikolaus Graurocks (1457—1493)
nach vielerlei Querelen und Intrigen erst allmählich erholte.
1481 wurde Kloster Lüne von Ebstorf aus reformiert (s. S. 3). Der Ebstorfer Propst Matthias von dem Knesebeck
und andere Visitatoren setzten die Priorin und die Subpriorin ab; an ihre Stelle traten Ebstorfer Nonnen. Unter
den Priorinnen Sophia von Bodendike (1481—1504)3 und Mechtild Wilde (1504—1535) wurde die Reform nach Bursfelder
oder Windesheimer Regel durchgesetzt; unter beiden kam es zu einer Vertiefung des Klosterlebens und einer späten
Blüte des monastischen Gedankens mit strikter Einhaltung der gemeinsamen Mahlzeiten und des siebenmaligen Chor-
gebets. Zugleich wurde die vita activa neu belebt, sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch besonders in der
Fülle der erhaltenen Handarbeiten (Paramente, Teppiche und Banklaken), die zwischen 1492 und 1508 entstanden
und mit denen anscheinend die Stickerei-Tradition des 13. und 14. Jh. wiederaufgenommen wurde4.
1 Zur Klostergeschichte und ihren politischen Hintergründen vgl. zu-
sammenfassend Handbuch der historischen Stätten Deutschlands II: Nie-
dersachsen und Bremen, Stuttgart 1958, S. 263-267, und T. Knauf,
1974, S. 7—12, ausführlich zuletzt U. Reinhardt, in: Die Frauenklöster
in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen (Germania Benedic-
tina IX), St. Ottilien 1984, S. 377—402.
2 H. W. H. Mithoff, 1877, S. 130, und ergänzend hierzu Anonymus,
Der Lüner Klosteresel, in: Heimatkalender für die Lüneburger Heide
1953, S. j6f.
3 Sophia von Bodendike wurde bereits mit 23 Jahren als Priorin (Do-
mina) in Lüne eingesetzt. Sie verdankte dies gewiß auch dem Umstand,
daß sie eine Nichte des Verdener Bischofs Bertold von Landesberg
(1470—1502) war.
4 Vgl. hierzu H. Appuhn, Bildstickereien des Mittelalters in Kloster
EHEMALIGES BENEDIKTINERINNENKLOSTER LÜNE
Vorgänger des Benediktinerinnenkonvents in Lüne war seit etwa 1140 die Einsiedelei eines Benediktiners von St.
Michaelis in Lüneburg an einem heute nicht mehr genau lokalisierbaren Ort nordöstlich von Lüneburg jenseits
der Ilmenau, nahe der Fernstraße nach Artlenburg an der Elbe und Lübeck1. Sie wurde 1157 zu einer dem Hl.
Jacobus maior geweihten Kapelle ausgebaut.
1171 erlaubte Abt Berthold von St. Michaelis der Hildeswidis von Markboldestorp aus einem bei Harburg begüterten
Ministerialengeschlecht, mit ihren Begleiterinnen bei der Kapelle in Lüne eine geistliche Gemeinschaft zu gründen.
Der kleine Konvent soll aus dem nicht mehr bekannten Ort Nordburstold, später Heiligenrode genannt, gekommen
sein, wo Hildeswidis vermutlich auf Eigenbesitz die Gründung versucht hatte.
Die Stiftung des Konvents in Lüne mit dem Status eines Kanonissenstifts wurde mit Zustimmung Herzog Heinrichs
des Löwen 1172 von Bischof Hugo von Verden bestätigt. Der Übernahme der Benediktinerregel im 13. Jh., vielleicht
unter dem Einfluß des Michaelisklosters, folgte ein rasches Aufblühen des Konvents, der 1284 mehr als 60 sorores
zählte. Sie entstammten je zur Hälfte dem umsitzenden Adel und dem gehobenen Lüneburger Bürgertum. Der Propst
von Lüne gehörte seit 1229 zu den Sülzprälaten, die den Sodmeister, den höchsten Verwaltungsbeamten der Lüneburger
Saline zu wählen hatten.
Die ruhige und stetige Entwicklung des Klosters wurde 1370 durch die Wirren um die Besetzung der Klosterpropstei
und die Brandkatastrophe vom 30. April 1372 nachhaltig gestört. Unter dem tatkräftigen Propst Johannes Weigergang,
einem Bardowicker Chorherrn, erfolgte der Neubau des Klosters näher an der Stadt und an der Ilmenau. Mit diesem
Vorgang ist die Sage vom Klosteresel verbunden, der den Nonnen Mehl aus der Lüner Mühle in Lüneburg bringen
sollte. Auf dem Platz, an dem man ihn nach dem Brande fand, wurde das neue Kloster errichtet. Der Esel versorgte
den Konvent so lange täglich mit Mehl, bis ihm die Nonnen aus Dankbarkeit silberne Hufeisen aufschlugen, was
zugleich Zeichen ihres Wohlstandes war. Außerdem setzten sie sein Bild in eines der Kreuzgangfenster (s. Nordflügel
Fenster II, 4c)2. Propst Weigergang (1373—1412) mehrte Grundbesitz und Privilegien des Klosters; daneben war
er mehrfach als Schiedsmann bei Streitigkeiten zwischen dem Landesherrn, dem Rat der Stadt und geistlichen Institutio-
nen tätig. Seine Nachfolger Heinrich von Bodenstedt (1412—1432) und Cord van Tzerstede (1433—1440) trugen zur
Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Mit Propst Diedrich Schaper (1440-14 51), der als Wortführer
der sülzbegüterten geistlichen Institutionen in die revolutionären Wirren des »Prälatenkrieges« (1454—1462) geriet,
setzte eine Phase des Niedergangs ein, von dem das Kloster sich in der langen Amtszeit Nikolaus Graurocks (1457—1493)
nach vielerlei Querelen und Intrigen erst allmählich erholte.
1481 wurde Kloster Lüne von Ebstorf aus reformiert (s. S. 3). Der Ebstorfer Propst Matthias von dem Knesebeck
und andere Visitatoren setzten die Priorin und die Subpriorin ab; an ihre Stelle traten Ebstorfer Nonnen. Unter
den Priorinnen Sophia von Bodendike (1481—1504)3 und Mechtild Wilde (1504—1535) wurde die Reform nach Bursfelder
oder Windesheimer Regel durchgesetzt; unter beiden kam es zu einer Vertiefung des Klosterlebens und einer späten
Blüte des monastischen Gedankens mit strikter Einhaltung der gemeinsamen Mahlzeiten und des siebenmaligen Chor-
gebets. Zugleich wurde die vita activa neu belebt, sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch besonders in der
Fülle der erhaltenen Handarbeiten (Paramente, Teppiche und Banklaken), die zwischen 1492 und 1508 entstanden
und mit denen anscheinend die Stickerei-Tradition des 13. und 14. Jh. wiederaufgenommen wurde4.
1 Zur Klostergeschichte und ihren politischen Hintergründen vgl. zu-
sammenfassend Handbuch der historischen Stätten Deutschlands II: Nie-
dersachsen und Bremen, Stuttgart 1958, S. 263-267, und T. Knauf,
1974, S. 7—12, ausführlich zuletzt U. Reinhardt, in: Die Frauenklöster
in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen (Germania Benedic-
tina IX), St. Ottilien 1984, S. 377—402.
2 H. W. H. Mithoff, 1877, S. 130, und ergänzend hierzu Anonymus,
Der Lüner Klosteresel, in: Heimatkalender für die Lüneburger Heide
1953, S. j6f.
3 Sophia von Bodendike wurde bereits mit 23 Jahren als Priorin (Do-
mina) in Lüne eingesetzt. Sie verdankte dies gewiß auch dem Umstand,
daß sie eine Nichte des Verdener Bischofs Bertold von Landesberg
(1470—1502) war.
4 Vgl. hierzu H. Appuhn, Bildstickereien des Mittelalters in Kloster