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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0236

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KREUZGANG • NORDFLÜGEL 141
1. DIE GLASMALEREIEN DES FRÜHEN 15. JAHRHUNDERTS IM NORDFLÜGEL
DES KREUZGANGS
Die sieben Fenster sind dreibahnig mit gestaffelt angeordneten, ungenasten Lanzetten, unterteilt in drei bzw. vier
Zeilen mit spitz ausgezogenen Zwickelscheiben über den seitlichen Bahnen.
Fenster nord I ist heute leer, nord II, III und IV enthalten nur noch in den Zeilen 3 und 4 Tabernakelbekrönungen,
Reste von Standfiguren und — in den Zwickeln — Wappen. Fenster nord V zeigt in den Zeilen 2—4 die Verklärung
Christi, mit Wappenscheiben in den Zwickeln. Die Fenster nord VI und VII sind bis auf je eine Architekturscheibe
in der Spitze der mittleren Lanzette (4 b) blank verglast.
Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 2,30 m, B. ca. 1,65 m. Durchschnittliche Maße der Rechteckfelder: H. 50—56 cm, B.
47 cm, der Kopfscheiben in den Seitenbahnen H. 57 cm, B. 47 cm, in den Mittelbahnen H. 68 cm, B. 47 cm. Durch-
schnittliches Maß der Zwickelscheiben H. 70 cm, B. 34 cm.
Erhaltung : 1764 waren die Nordfenster noch relativ intakt erhalten und zeigten in Lebens Große allemahl drei Heilige
unter drey Thronhimmeln und darüber in jeder Ekke ein Wapenschild (s. Reg. Nr. 55, S. 395). Bis zur Mitte des 19. Jh.
waren vor allem bei den Figuren offensichtlich so große Verluste eingetreten, daß Horn 1850/51 nur das Verklärungsfen-
ster (Taf. XVII) vervollständigen konnte, im übrigen Bestand dagegen nur stark defekte Gläser auswechselte und
Fehlstellen schloß, mit Ausnahme der Halbfigur einer Hl. Ursula (ehemals in nord II, 2 b?), bei der er den gesamten
Grund erneuerte. Vermutlich acht Architekturfelder39 40 sind im April 1945 zugrunde gegangen. Ein großer Teil ihrer
Scherben wurde zwar geborgen, ließ sich aber 1960/61 wegen des Fehlens von Bildvorlagen nicht wieder zu Feldern
zusammensetzen und entsprechend vervollständigen.
Bereits um 1920 hatte außenseitige Verwitterung viele Scheiben dieses Flügels nahezu undurchsichtig gemacht^. Dieser
Zustand hat sich vor allem in den letzten Jahrzehnten weiter verschlechtert, wobei nicht feststeht, ob der Glasmaler
Mühlenbein 1960/61 — wie an den Kreuzgangsfenstern in Ebstorf — die außenseitigen Wettersteinkrusten abgenommen
hat, um die Transparenz der Scheiben zu verbessern. Die Korrosionsanfälligkeit der Gläser des frühen 15. Jh. schwankt
allerdings sehr stark. Einige Gläser zeigen scholligen oder flächig dichten Wettersteinbelag, andere dagegen — wie
das weiße Gewand Christi in nord V, 3 b — nur geringen Punktfraß. Im Gegensatz zu dem bedenklichen außenseitigen
Zustand der meisten alten Gläser ist ihre innenseitige Bemalung in der Regel bemerkenswert gut erhalten, wenngleich
auch sie durch Verwitterung stellenweise bereits verloren oder doch in ihrer Prägnanz gemindert ist. Um weiterem
Substanzverlust vorzubeugen, ist eine Sicherung der Scheiben gerade dieses Kreuzgangflügels durch eine Außenschutz-
verglasung dringend erforderlich41. Die Verbleiung ist vollständig erneuert.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die erhaltenen Architekturfelder in den Spitzen der Lanzetten
und die Beschreibung Gebhardis von 1764 lassen den Schluß zu, daß die Standfiguren in Tabernakeln standen,
die jeweils die ganze Bahn füllten. Lediglich das Verklärungsfenster (nord V) verzichtete - durch das Thema bedingt
— gänzlich auf eine architektonische Rahmung. In den Zwickeln werden Architektur und Figuren von paarweise
angeordneten Wappenfeldern flankiert. Außer den in nord II, IV und V vermutlich noch in situ befindlichen Wappen
dürften die heute in den Oculi der Fenster III und IV des Ostflügels eingesetzten beiden Semmelbecker-Wappen
— um 1920 werden sie hier erstmals erwähnt — zum ursprünglichen Bestand des Nordflügels gehören, da die Verglasung
des Ostflügels erst im Zusammenhang mit seiner Einwölbung im Jahre 15 20 erfolgt sein dürfte. Jedenfalls gehören
die beiden Wappen nach Glasart, Bemalung und Verwitterungszustand in das frühe 15. Jh. und lassen eine Stiftung
der Drude Semmelbecker erschließen, die 1415 und 1422 als Priorin in Lüne bezeugt ist. Ob sie im Nordflügel
einst mit den Gestalten der Hll. Brigida und Scholastica (1764 in nord II, heute in nord II, 3 b bzw. nord IV, 3 b)
verbunden waren, muß offenbleiben. Immerhin wäre die Stiftung eines Fensters mit diesen beiden weiblichen Heiligen,

39 Ihre genaue Anzahl ließ sich mangels präziser älterer Angaben nicht 41 Ein entsprechendes Gutachten des Bearbeiters wurde bereits am 7.
ermitteln. Januar 1973 vorgelegt.
40 Dies vermerkte bereits F. Krüger, Ms. (s. Anm. 37), S. 27.
 
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