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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0024

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Aus verschiedenen Gründen lag es nahe, aus dem etwa 720 Scheiben umfassenden, auf 38 Standorte verteilten Gesamt-
bestand an bisher in Niedersachsen nachgewiesenen mittelalterlichen Glasmalereien letztendlich gerade jene 400 Schei-
ben herauszugreifen, die sich - dank besonderer historischer Umstände - in Lüneburg und den Heideklöstern Ebstorf,
Lüne, Walsrode und Wienhausen erhalten haben. In adelige Damenstifte umgewandelt, haben die genannten Nonnen-
klöster die Reformation überdauert und so vielfach ihren mittelalterlichen Baubestand und dessen reiche Ausstattung
bewahrt, darunter, was bisher viel zu wenig beachtet worden ist, auch ansehnliche Reste bedeutender Glasmalereizyklen.
Obwohl sich das am Nordrand der Lüneburger Heide gelegene ehemalige Stift Ramelsloh nur bedingt den auf
vielfältige Weise mit Lüneburg verbundenen Heideklöstern zuordnen läßt, wurde seine zu großen Teilen erhaltene
Chorverglasung mit aufgenommen, da sie nachweislich von Lüneburger Werkstätten geliefert worden war. In Lüneburg
selbst sind zwar in den Kirchen und Kapellen keine der hier einst in großer Zahl vorhandenen Farbverglasungen
erhalten geblieben, wohl aber im Rathaus. Die Tatsache, daß Lüneburg im 17. Jh. zu einer politisch bedeutungslosen
Landstadt herabgesunken war, hat sicher dazu beigetragen, daß gerade sein von vergangener wirtschaftlicher Prosperität
und politischer Selbständigkeit kündender weitläufiger Rathauskomplex aus dem Spätmittelalter einzigartige Glasmale-
reizyklen in seinen Fensteröffnungen bewahrt hat. Die ältesten der hier behandelten, mit Lüneburg zu verbindenden
Glasmalereien stammen aus der Zeit um 1300, die jüngsten aus den Jahren vor Einführung der Reformation, die
in Lüneburg um 1530 einsetzte und zumindest die für Kirchen und Klöster bestimmte Glasmalereiproduktion —
von Wappenscheiben abgesehen — weitestgehend zum Erliegen gebracht hat.
So ist es in diesem Band ausnahmsweise einmal möglich, einen im wesentlichen auf ein Kunstzentrum, die ehemalige
Hansestadt Lüneburg, bezogenen Scheibenbestand vorzustellen, dessen Schwerpunkte in die Zeit von etwa 1300
bis 1340, 1380 bis 1430 und 1480 bis 15 30 fallen. Aus dem späten 15. und frühen 16. Jh. kommt noch eine ungewöhnlich
große Zahl verlorener Farbverglasungen hinzu, von denen gelegentlich die Themen, häufig die Standorte und die
ausführenden Glasmaler, fast immer aber die Kosten überliefert sind. Sofern sich diese Erwähnungen auf die in
diesem Band erfaßten Standorte innerhalb Niedersachsens beziehen, werden sie in Anhängen behandelt und in die
Regesten aufgenommen. Darüber hinaus werden sie fallweise in den nachfolgenden Erörterungen berücksichtigt,
ihre Quellen in den Anmerkungen aufgeführt. Dennoch soll und kann der vorliegende Band keine Geschichte der
Lüneburger Glasmalerei des Mittelalters ersetzen, sondern allenfalls — gemäß den international verbindlichen Richtlinien
des CVMA — Materialien hierzu liefern.

Stand der Forschung
Grundlage unserer Kenntnis der erhaltenen wie der verlorenen mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und
den Heideklöstern sind die Angaben zu deren Bestand und Überlieferung, die der Hannoveraner Oberbaurat H. W. H.
Mithoff für den 1877 erschienenen vierten Band der »Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen« in
den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jh. zusammengetragen hatte1. Dank ihrer antiquarischen und historischen
Verläßlichkeit blieben diese Angaben nahezu ein Jahrhundert die einzige Quelle für allgemeine Darstellungen. In
dem 1906 erschienenen, der Stadt Lüneburg gewidmeten Band III der »Kunstdenkmäler der Provinz Hannover«
haben der Lüneburger Architekt F. Krüger und der dortige Stadtarchivar W. Reinecke diese Tradition fortgeführt
und vertieft2. Was weiterhin fehlte, waren brauchbare Einzelaufnahmen der Glasmalereizyklen, wie sie für stilkritische

1 H.W.H. Mithoff, 1877, S. 64—68, 109, 128-131, 184—189, 230, 267,
276—280. Den Wienhausener Scheibenbestand hatte er bereits in: Archiv
für Niedersachsens Kunstgeschichte II (1853), S. 4—7, Taf. IV f., im Rah-
men einer mit eigenen Zeichnungen reich illustrierten Monographie über
Kloster Wienhausen bekannt gemacht.

2 Antiquarische Arbeiten haben in Lüneburg eine bis in das späte 16. Jh.
zurückreichende Tradition, durch die manche Strukturen und Zusam-
menhänge dieses spezifischen Gemeinwesens überliefert und damit leben-
dig geblieben sind. Zusammenfassend hierzu E. Michael, 1984, S. XI f.
An erster Stelle sind hier im Hinblick auf Glasmalereien die fünfzehn
 
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