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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0325

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214

WIENHAUSEN • KLOSTER

durch eine Maske mit dem Antlitz des Hades (?) scheinen Paralle-
len in der Michaels-Ikonographie der Zeit zu fehlen38. Unge-
wöhnlich ist auch der Reichtum der Ornamentborten im Gewand
des Erzengels.
Farbigkeit: Über purpurviolettem Gewand trägt der Drachentö-

ter einen gelblichweißen Mantel mit hellgrünem Futter, Schuhe
ockergelb. Inkarnat hellrosabraun, Haare blaßgelb, Nimbus rot,
Flügel innen hellblauviolett. Drache: Körper gelblichweiß, Flü-
gel blaßrot (verlaufender Überfang auf gelblichweißem Glas).
Grund ursprünglich graublau.
CVMA B 1225


Fig. 84. ES Allerheiligenkapelle n II, 1/2

38 Nur in einer auf eine Erfindung Jan van Eycks zurückgehenden
Zeichnung eines Hl. Michael als Drachentöter (London, British Museum
Inv. Nr. 1895-9-15-958) ist der hier ungleich zierlichere Rundschild mit
einer entsprechenden Gesichtsmaske bedeckt (F. Winkler, Einige Er-
gebnisse der van Eyck-Forschung, in: Actes du i8me Congres internatio-
nal d’histoire de l’art, Amsterdam 1952, Den Haag 1953, S. 243,
Abb. 3 f.). Die Vermutung, daß hier Hades, der Gott der Unterwelt,
dargestellt sein könnte, geht auf eine entsprechende Deutung der Schilde
mit menschlichem Antlitz in Kreuzigungsdarstellungen zurück, wie sie
A. Legner, Der Alabasteraltar aus Rimini, in: Städel-Jb. NF 2, 1969,
S. 116-121, Abb. 46, vorgeschlagen hat. Auch den Goliath beigegebenen
Schild im Psalter der Yolande de Soissons (O. Pacht, van Eyck. Die
Begründer der altniederländischen Malerei, München 1989, Abb. 92)
wird man so deuten dürfen. Die Handschrift, in der sich diese Darstel-
lung befindet, wurde um 1280/90 in Amiens (?) illuminiert, gehört also
in denselben Kunstkreis wie die mutmaßliche Bildvorlage für den Wien-
hausener Michael (vgl. hierzu S. 213). Die Übernahme des ungewöhnli-
chen Schildtypus bekräftigt den vermuteten Zusammenhang mit der
nordfranzösisch-englischen Kunst des späten 13. Jh.

2. DIE FARBVERGLASUNG DER OBEREN KREUZGÄNGE
Bibliographie: H.W.H. Mithoff (s. Bibi.), 1853, S. 5, 7 (erwähnt, daß der obere westliche Kreuzgang noch »bis
vor wenigen Jahren« mit Glasmalereien geschmückt gewesen war, und daß Verglasungsreste aus den Fenstern der
»ehemaligen Kreuzgänge« seit längerem deponiert seien); ders., 1877, S. 276 (»Glasmalereien herausgenommen,
theilweise aber noch vorhanden«); O. Vorlaender (s. Bibi.), 1902, S. 112, Abb. 3 (vermutet, daß die im Chorgang
eingesetzten Scheiben ursprünglich z.T. an anderer Stelle saßen); V.C. Habicht (s. Bibi.), 1930, S. 56f. (nimmt
ohne zeitliche oder stilistische Differenzierung eine Entstehung sämtlicher Kreuzgangscheiben Anfang des 14. Jh.
in Hildesheim an); ders., Kunstkreis, ‘.930, S. 375, Abb. 217 (präzisiert die Datierung unter Hinweis auf den Codex
Gisle auf »um 1300«, nennt als Entstehungsorte nun »Hildesheim oder Braunschweig«); ders., 1943, S. 75, 79—82,
87, 94, Abb. 46f. (versucht, mit Hilfe der Chorgangscheiben gotländische Glasmalereien als Hildesheimer Import
nachzuweisen); H. Wentzel, Nordtyska glasmälningar, 1944, S. 22 f., Abb.14—17 (unterscheidet mehrere, stilistisch
voneinander abweichende Gruppen, verweist für die Ornamentscheiben auf Parallelen aus Rostock und Wismar,
legt sich in der Datierung nicht fest und bleibt in der Frage des Entstehungsorts offen); ders., Meisterwerke, 2i9J4,
S. 41, 94h, Abb. 126 (schwankt in der Lokalisierung zwischen Lüneburg und Lübeck, datiert um 1320/30); H. Appuhn,
Wienhausen, 195 5, 19h, 49h, Abb. 43—45 (hebt den Einzug in Jerusalem und das Abendmahl als besondere Leistungen
hervor, folgt in der stilgeschichtlichen Bestimmung Wentzel); K. Maier, Kdm. Wienhausen, 1970, S. 103—105,
Abb. 98—106 (Bestandsangaben); J. Hayward, 1973, S. 103 f., Abb. 18—20 (betont die stilistischen Unterschiede inner-
halb der Chorgangscheiben und nimmt verschiedene Lüneburger Werkstätten an); U.-D. Korn, Wienhausen, 1975,
S. 14-16, 19—46 (datiert, Maiers baugeschichtlichen Klärungen folgend, die drei ornamentalen Rundscheiben im
westlichen Kreuzgangflügel um 1310, die Scheiben des Chorganges um 1330/40 — etwa gleichzeitig mit denen im
Nonnenchor); U. Blanchebarbe, Michael Welter (1808—1892). Ein Kölner Dekorationsmaler im 19. Jh., Köln 1984,
S. 215h, 582 (belegt eine um 1864/65 geplante, jedoch nicht ausgeführte Restaurierung sämtlicher Kreuzgangscheiben
mit aquarellierten Zeichnungen Welters); H. Appuhn, Wienhausen, 2i986, S. 15 f., Taf. 14-17 (folgt nun weitgehend
 
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