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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0345

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232

WIENHAUSEN • KLOSTER

3. DIE FARBVERGLASUNGEN DES NONNENCHORES

Bibliographie: Anonymus (s. Bibi.), 1819, S. 297 (erwähnt nur das Töbing-Fenster mit unzutreffenden ikonographi-
schen Angaben); H. W. H. Mithoff (s. Bibi.), 1853, S. 7, Taf. IV f. (genaue Bestandsangaben mit zeichnerischer Wieder-
gabe des Töbing-Fensters und einer Ornamentscheibe der hochgotischen Farbverglasung); ders., 1877, S. 276f. (präzi-
siert seine Bestandsangaben von 1853, verbindet die linke Bahn des Töbing-Fensters mit einer im Nekrolog überlieferten
Stiftung des »Hinricus tobyng« und identifiziert die rechte Bahn als Stiftung der Lüneburger Patrizierfamilie »de
Snewerdinge«); H. Schmitz, 1913, I, S. 83 (kommt, ausgehend von einer zweiten Fensterstiftung der Patrizierfamilie
Töbing, die er dem Meister des Wienhausener Fensters zuweisen möchte, zu einer unzutreffenden Bewertung der
Lüneburger Glasmalerei vor 1500); V.C. Habicht, Kunstkreis, 1930, S. 377^ (folgt in der Bewertung Schmitz);
H. Wentzel, Meisterwerke, 2i954, S. 70 (beiläufige Erwähnung im Rahmen einer Rekonstruktion der Lüneburger
Glasmalereiproduktion des späten 15. Jh.); H. Appuhn, Wienhausen, 1955, S. 19, 49 (Bestandsangaben zu den hoch-
und spätgotischen Scheiben; datiert die Fensterstiftung Töbing/Snewerding um 1470); K. Maier, Kdm. Wienhausen,
1970, S. 105 f., Abb. 107 (genaue Bestandsangaben; vermutet in dem vor dem Westfenster gefundenen Bruchstück
einer Anna Selbdritt einen Verglasungsrest dieses Fensters); U.-D. Korn, Wienhausen, 1975, S. 16—18, 46—51 (verweist
für die um 1330/40 angesetzten Ornamentscheiben auf verwandte Bildungen aus der Lübecker Franziskanerkirche
und dem Rostocker Heiligkreuzkloster; verbindet die Fensterstiftung des Heinrich Töbing mit der Einkleidung seiner
Schwester Mechthild in Wienhausen im Jahre 1471); H. Appuhn, Wienhausen, 2i986, S. 15L (Angaben entsprechen
der ersten Auflage von 1955).
Gegenwärtiger Bestand : In jeweils sechs Feldern haben die Fenster SÜD IX und SÜD X noch Reste der ursprüngli-
chen Ornamentverglasung der Zeit um 1330 bewahrt (Fig. 96f., Abb. 214b). In Fenster SÜD XI war diese um
1470 durch eine sechs Rechteckfelder umfassende figürliche Farbverglasung ersetzt worden, die vollständig, wenn
auch stark ergänzt, auf uns gekommen ist (Fig. 98, Farbtaf. X, Abb. 216—218). Fenster SÜD VIII enthält heute
eine moderne Blankverglasung aus Rechteckscheiben, das große Westfenster (WEST XII) eine farbig und formal
zurückhaltende neugotische Ornamentverglasung der Jahrhundertwende.
Geschichte des Baues und der Verglasung: Verband man früher den Bau des Nonnenchores (Fig. 80f., 94,
Taf. XXI—XXIII, XXIX) mit der Angabe der Chronik, ein in den Quellen nicht genannter Propst Conrad von
Here (1305/1306) haben den Jungfern Chor errichten lassen, so glaubt man seit den in den Jahren 1965-1970 durchgeführ-
ten dendrochronologischen Untersuchungen unumstößliche Argumente dafür gewonnen zu haben, daß der Nonnen-
chor erst nach 1325 errichtet worden sein kann85. Zwingende stilgeschichtliche Gründe für eine Ansetzung der
Nonnenchorausmalung gegen oder um 1330 haben schließlich die Vorstellung begünstigt, der Nonnenchor sei erst
nach Fertigstellung des Westflügels in Angriff genommen, dann aber in einem Zuge ausgeführt und ausgestattet
worden86. Dem widerspricht jedoch der baugeschichtliche Befund87.

85 Die bisherige Datierung des Nonnenchores in das erste Jahrzehnt
des 14. Jh. geht auf H.W.H. Mithoff (s. Bibi.), 1853, $• 4, 6, zurück,
der sich hierfür als erster auf die Chronik (H. Appuhn, 3i986, S. 46)
berufen hatte. Obwohl bereits H. Böttger anläßlich der Veröffentli-
chung des Nekrologs (in: Zs. des historischen Vereins für Niedersachsen
1855, S. 249) darauf hingewiesen hatte, daß der sowohl in der Chronik
als auch im Nekrolog mit dem Bau des Nonnenchores verbundene Propst
Conrad von Here in Urkunden nicht zu belegen ist, blieb diese zweifel-
hafte Überlieferung über hundert Jahre für die Datierung des Nonnen-
chores und seiner Ausstattung ausschlaggebend. Noch H. Appuhn,
Wienhausen, 1955, S. 38f., hielt trotz beträchtlicher Schwierigkeiten,
Quellenlage und Baubefund miteinander in Einklang zu bringen, daran
fest. Erst die Ergebnisse der dendrochronologischen Untersuchungen
(s. Anm. 11) hatten eine Umdatierung »nach 1325 « zur Folge.

86 Diese heute allgemein akzeptierte Ansicht findet sich erstmals bei
W. Michler, 1967, S. 138-149, die sich hierfür auf die baugeschichtli-
chen Forschungen von J. Michler (s. Anm. 39) stützen konnte. Gegen
ihre stilgeschichtlich begründete Datierung der Nonnenchorausmalung
in die Mitte des vierten Jahrzehnts des 14. Jh. (ebenda, S. 149—15 5) hatte
R. Kroos, Bildstickereien, 1970, S. 70, berechtigte Bedenken geäußert.
Ihr Datierungsvorschlag »um 1320« kann nach Abschluß der dendro-
chronologischen Untersuchungen nur »gegen oder um 1330« lauten.
Zur Problematik der stilgeschichtlichen Einordnung der Ausmalung vgl.
auch Anm. 91.
87 Für die nachfolgende Argumentation sei vor allem auf K. Maier,
Kdm. Wienhausen, 1970, S. 16—25 (dort vorzügliche Ansichten und
Schnitte), verwiesen.
 
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