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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0344

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OBERE KREUZGÄNGE

2JI

Ornament, Farbigkeit: Entspricht bis auf die grünen Trauben dem
Gegenstück, obwohl der Randstreifen bei konsequenter Durch-

führung der Farbverschränkung eigentlich rot hätte sein müssen.
CVMA T 6774; B 1231 (vor Rest.)

ANHANG: ABGEWANDERTE SCHEIBEN
SCHWERIN, STAATLICHES MUSEUM
HLL. ALEXANDER UND MAURITIUS
Textabb. izf., Taf. XXVIIIa, b, Abb. 295
Spitzbogenfeld. H. 55 cm, B. 55 cm. Inv. Nr. KG 5029.
Nach 1822 von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg
(1785-1837) in Lübeck für die Kapelle in Althof bei Doberan
erworben. 1844 bereits im Schweriner Museum, zuvor im Gro-
ßen Palais in Doberan.
Ehemals Wienhausen, Kloster, vermutlich in einem Fenster des
Glockenganges.
Bibliographie: H. Wentzel, Nordtyska glasmälningar, 1944,
S. 21, Abb. tof. (als einziges Überbleibsel der hochgotischen
Glasmalerei Lübecks bezeichnet und um 1300 datiert); M. Hasse,
1951, S. 90 (gotländischen Scheiben nahestehend); H. Wentzel,
Meisterwerke, 2i9J4, S. 41 (wie 1944); A. Andersson, CVMA
Skandinavien, 1964, S. 106 (widerspricht Wentzel, hält die
Scheibe für eine Kopie, das verlorene Original für ein sehr wahr-
scheinlich aus Wienhausen stammendes Werk des Meisters der
dortigen Abendmahlsscheibe); U.-D. Korn, Wienhausen, 1975,
S. 42—44 (weist die Zweifel an der Authentizität der vorzüglich
erhaltenen Scheibe zurück und sichert deren Herkunft aus Wien-
hausen durch formale, ikonographische und stilistische Argu-
mente); K.-J. Maercker, in: Mittelalterliche Glasmalerei in der
DDR, Berlin 1979, S. 228f., Abb. 58 (folgt Korn, nennt Lüne-
burg als mutmaßlichen Entstehungsort); K. Hegner, Mittelal-
terliche Kunst II (Kat. des Staatlichen Museums Schwerin),
Schwerin 1983, Nr. 272 (Angaben zur Geschichte der Scheibe);
G. Suckale-Redlefsen, Mauritius: Der heilige Mohr/The Black
Saint Maurice, Houston/München/Zürich 1987, S. 48, 152, tözf.
(dunklere Hautfarbe soll Mauritius als Neger charakterisieren).
Inschriften: Auf den Nimben in gotischen Majuskeln links AMIZ-
RICIVS und rechts ALLEXANDER •
Erhaltung: Durch die frühe museale Verwahrung hat die Scheibe
- im Gegensatz zu den in situ verbliebenen, erst seit 1988 durch
eine Außenschutzverglasung gesicherten Scheiben - einen gera-
dezu exzellenten, durch keine Verwitterungserscheinungen ge-
trübten Erhaltungszustand (Taf. XXVIIIa, b) bewahrt. Das na-
hezu völlige Fehlen der üblichen Verwitterungssymptome erklärt
auch Anderssons Fehlurteil. Ergänzungen beschränken sich auf
deutlich erkennbare, unbemalte Flickungen im Grund und in
den Gewändern beider Figuren. Verbleiung erneuert.
Ikonographie: Die dargestellten Heiligen stehen in einem engen
Bezug zu Wienhausen. Alexander ist neben der Muttergottes
der Hauptpatron des Klosters; die Gemeindekirche war ihm ge-
weiht. Mauritius wurde in Wienhausen wie in den benachbarten
Heideklöstern Ebstorf, Lüne und Walsrode besonders verehrt;
in Medingen war er sogar der Hauptpatron81. Einander zuge-
wandt nehmen beide daher als monumentale Wandbilder in zwei
Blendnischen in der Reihe der Heiligen im Nonnenchor einen
bevorzugten Platz ein82, der ihnen auch in dem zu Teilen erhalten

Textabb. i2f., Taf. XXVIIIa, b, Abb. 295
gebliebenen, vermutlich in den Fenstern des Glockenganges zu
lokalisierenden Heiligenzyklus zukam (zu dessen Rekonstruktion
vgl. S. 218 f.).
Wie Alexander trägt auch Mauritius keine Rüstung, sondern
über einem langen, im Schritt geschlitzten Gewand einen kostba-
ren, hermelingefütterten Mantel mit entsprechendem Koller. Als
Attribut hält er eine Lanze mit Kreuzwimpel, die ihn als Anfüh-
rer der Thebäischen Legion kennzeichnet, Alexander lediglich
einen Palmzweig als Zeichen seines Märtyrertums. Bemerkens-
wert sind auch die mit blütenbesetzten Rauten geschmückten
Schuhe83. Ob das rosaviolette Inkarnat Mauritius als Neger
kennzeichnen soll, ist fraglich, da der Unterschied zum Inkarnat
Alexanders nicht sehr groß ist84.
Farbigkeit: Vor hell- bis kobaltblauem Fiederrankengrund wird
der für alle Wienhausener Kreuzgangsscheiben charakteristische
Dreiklang Gelb/Rot/Grün in beiden Heiligen übers Kreuz ver-
schränkt und zugleich durch Brechungen modifiziert: Gewand
und Nimbus des Mauritius karminrot mit dunkelgrünen Borten,
Mantel und Schuhe ockergelb. Mantel Alexanders dunkelgrün,
Gewand und Schuhe ockergelb mit hellrosavioletten Borten,
Nimbus entsprechend getönt. Pelzteile sowie Attribute bei bei-
den Heiligen grünlichweiß, Kreuzfahne ockergelb. Inkarnat bei
Mauritius rosaviolett getönt, bei Alexander hellrosabraun. Baum
am rechten Bildrand gelb. Perlbandrahmen ockergelb, Randglä-
ser weiß.
Technik, Stil, Datierung: Gegen 1340. Die engen technischen und
stilistischen Übereinstimmungen der Schweriner Scheibe mit den
beiden ersten Scheiben des Passionszyklus in Wienhausen
(Abb. 228, 236) waren schon von A. Andersson erkannt wor-
den. Sie lassen nunmehr den Schluß zu, daß auch der Heiligenzy-
klus von den beiden an der Ausführung des Passionszyklus betei-
ligten Werkstattgruppen geschaffen worden ist (vgl. hierzu aus-
führlich S. 220—222).
Institut für Denkmalpflege, Schwerin (R. Schmidt)
81 Nach H. Appuhn, Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wien-
hausen, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 1, 1961, S. 78f.,
besaß Wienhausen seit dem 13. Jh. Reliquien vom Kopf des Hl. Mauri-
tius.
82 Vgl. hierzu wiederum W. Michler, 1967, S. 207—209, sowie dies.,
1968, Abb. S. 23, und H. Appuhn, Wienhausen, 2i986, Abb. 26.
83 Entsprechend geschmückte Schuhe trägt der Hl. Georg auf dem um
1340/50 in Braunschweig entstandenen Armreliquiar des Weifenschatzes.
Vgl. hierzu D. Kötzsche, Der Weifenschatz im Berliner Kunstgewerbe-
museum (Bilderhefte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz
20/21), Berlin 1973, Nr. 32.
84 Um den negroiden Charakter deutlicher zu machen, hätte dem Glas-
maler das im Esel des Einzugs Christi in Jerusalem (Farbtaf. II) verwen-
dete Grauviolett zur Verfügung gestanden. Ein entsprechendes Farbglas
war um 1280 für einen negroiden Schergen im Märtyrerfenster des Frei-
-burger Münsters verwendet worden. Vgl. I. Krummer-Schroth, Glas-
malereien aus dem Freiburger Münster, Freiburg i. Br. 2i978, Taf. VI.
 
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