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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0064

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EBSTORF • EHEMALIGES BENEDIKTINERINNENKLOSTER

Um ii$o stiftete Volrad von Bodwede, der erste Graf von Dannenberg, ein Lehnsmann Heinrichs des Löwen, in
Ebstorf ein Kloster. Nach der Klosterchronik soll es zunächst ein Augustiner-Chorherrenstift gewesen sein; das
Mauritius-Patrozinium deutet auf eine Verbindung zum Erzstift Magdeburg1. Nach einem Brand besetzte Heinrich
von Bodwede, der Sohn des Stifters, das Kloster neu mit Benediktinerinnen aus dem benachbarten Walsrode. Die
erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1197. Das wohldotierte Kloster entwickelte sich zu einem berühmten Wallfahrts-
ort mit einer wundertätigen Marienfigur, der Reliquie des Heiligen Öles und drei Märtyrergräbern, die die Sage
mit den von den Normannen im Jahre 880 getöteten Herzögen, Bischöfen und Soldaten verknüpfte2.
Der Propst des Klosters war nach 1300 zugleich Archidiakon des Domstifts zu Verden, nachdem das Archidiakonat
von Holdenstedt nach Ebstorf verlegt worden war. Ob Gervasius von Tilbury (f 1235), den Kaiser Otto IV. zum
Marschall im Arelat bestellte, von ihm auch als Propst von Ebstorf eingesetzt worden ist, bleibt umstritten3. Seine
Weltbeschreibung in den Otia imperialia, die er Otto IV. widmete, liegt jedenfalls der um 1300 entstandenen Ebstorfer
Weltkarte zugrunde4.
Seit dem frühen 14. Jh. erfreute sich das Kloster offenbar des Schutzes und der Fürsorge des braunschweig-lüneburgi-
schen Herzogshauses; die Pröpste entstammten überwiegend der herzoglichen Kanzlei. Im Jahre 1330 trugen Propst
Nikolaus, die Priorin Elisabeth und der Konvent zu Ebstorf Herzog Otto III. von Braunschweig und Lüneburg
für den ihnen erwiesenen Schutz die Bruderschaft und die Teilnahme an allen guten Werken an, ebenso der Herzogin
Mechtild und der domicella Mechtildis. Die Herzöge Magnus d. Ä. (1318—1369) und sein Sohn Magnus II. Torquatus
von Braunschweig-Göttingen schenkten dem Kloster einen kostbaren Kelch mit ihrem Wappen; die Söhne des letzte-
ren, Herzog Friedrich (f 1400) und Herzog Bernhard I. (J 1434) kommen als Stifter eines Fensters im Nonnenchor
in Frage.
Propst Matthias von dem Knesebeck (1464—1493) reformierte das Kloster 1469 nach den Regeln der Bursfelder
Kongregation, ließ 1485 die große Mauer um das Kloster errichten und als Zeichen strenger Klausur in der Eingangs-
halle ein Sprechgitter anbringen. 1486 erbaute er westlich des Klausurviertels den sogenannten Herrenflügel.
Der von Ernst dem Bekenner, Herzog von Lüneburg-Celle (1521-1546), seit 1527 mit Entschiedenheit betriebenen
Einführung des lutherischen Bekenntnisses setzten die lüneburgischen Klöster beharrlichen Widerstand entgegen,
zumal da der Herzog die Reformation seines Landes auch als Gelegenheit ansah, die drückende Schuldenlast des
Fürstentums zu mildern5. Schon 1525 hatte Ernst die Ebstorfer Propstei an sich ziehen können, als Propst Heino
von dem Werder, zugleich Dekan des Hildesheimer Domkapitels, wegen einer Schuld des Kapitels, für die er sich
verbürgt hatte, gefangengesetzt wurde. In den folgenden Jahren verstärkte Herzog Ernst mit Hilfe von Urbanus
Regius den Druck auf die Frauenklöster, um lutherische Prediger einzusetzen und die alten gottesdienstlichen Gebräu-
che abzuschaffen. Die Konvente wurden indes nicht aufgelöst, sondern allmählich in adlige Damenstifte umgewandelt.
Dabei blieben die Gebäude und ihre reiche Ausstattung an Kunstschätzen weitgehend erhalten.
In Ebstorf hat sich die Reformation erst mit Amtseintritt der Priorin Barbara von Appel (1565—15 76) ganz durchgesetzt.
Aus dem reichen Besitz der eingezogenen Propstei entstand das Amt Ebstorf, das der herzoglichen Kammer unterstellt

1 Zur Klostergeschichte vgl. H.W. H. Mithoff, 1877, S. 63 h, C.
Borchling, Die Gründung des Klosters Ebstorf, in: Zs. des Histori-
schen Vereins für Niedersachsen 1905, S. 500-509, F. Wichmann, Nach-
träge hierzu, ebenda, S. 259-268, und neuerdings zusammenfassend K.
Jaitner, in: Germania Benedictina XI, St. Ottilien 1984, S. 165-192.
2 Zur Ebstorfer Märtyrerlegende zuletzt E. Heyken, Die Ebstorfer
Märtyrerlegende nach der Dresdner Handschrift des Chronicon Episco-
porum Verdensium aus der Zeit um 1331, in: Niedersächsisches Jb.
für Landesgeschichte 46/47, 1975, S. 1—22.
3 Vgl. hierzu H.-J. Schulze, ebenda 33, 1961, S. 239-244.

4 Ihre Datierung ist kontrovers: K. Jaitner (s. Anm. 1), 1984, S. 187,
erwägt neuerdings eine Entstehung in der 1. Hälfte des 14. Jh. - Das
im Kloster aufgefundene Original verbrannte 1943 im Staatsarchiv Han-
nover; 1952 wurde eine Nachbildung angefertigt, die im Kloster ver-
wahrt wird. Zu den Fragen der Überlieferung wie der Datierung vgl.
demnächst die von H. Kugler herausgegebenen Beiträge eines interdis-
ziplinären Colloquiums: Ein Weltbild vor Columbus. Die Ebstorfer
Weltkarte, Weinheim 1991.
5 Vgl. B. Lohse, in: Reformation vor 450 Jahren. Eine lüneburgische
Gedenkschrift, Lüneburg 1980, S. 9—18, und D. Brosius, ebenda, S. 95-
 
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