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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0153

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EBSTORF • KLOSTER

Ärmelmanschette bei Jakob und ein Engelsflügel erneuert. Die
roten, rötvioletten und blauen Gläser zeigen starke außenseitige
Verwitterung. Dies betrifft partiell auch weiße und gelbe Stücke.
Ikonographie: Das Auf- und Absteigen der Engel auf der Leiter,
»die mit der Spitze auf den Himmel rührte« (Gen 28, 12) wird
im Speculum etwas vordergründig mit der Himmelfahrt Christi
in Parallele gesetzt. Das Ebstorfer Glasgemälde übernimmt im
wesentlichen das Kompositionsschema des Heilsspiegels196,
bringt es aber in spiegelbildlicher Anordnung. Die Figur des
schlafenden Jakob mit dem Kissen unter dem Kopf ist hier viel-
leicht angeregt durch das Bild von Nebukadnezars Traum in
X, 3 c (Abb. 53). Das würde das Weglassen des Steins, den nach
dem Bibeltext Jakob »zu seinen Häupten« legte, erklären.

Komposition, Farbigkeit: Jakob liegt in rot violettem Gewand, ein-
gehüllt in einen weißen, hellgrün gefütterten Mantel auf einem
hellgrünen Kopfkissen auf olivgrünem Boden; Inkarnat hellrot-
violett, nach Braungelb verfärbt. Die schräg nach links gestellte
Leiter mit drei darauf auf- und absteigenden Engeln ist weiß;
Flügel grün, gelb und rot, Wolken blau. In der Spitze über
dem obersten Engel sitzt ein unbemaltes blaues Glas mit starken
Rotschlieren. Die Büsche und Bäumchen um Jakobs Haupt sind
gelb und hellrotviolett an gelben Stämmen. Rankengrund rot.
Der Rahmen zeigt in allen Teilen die gleichen Farben wie 3 a.
Der lichte Gesamteindruck beruht auf dem hohen Anteil an wei-
ßem Glas und der Verwendung von zwei hellen Grüntönen.
WAfD 83/1319, 1331 (Detail); CVMA B 1091 (vor Rest.)

ANHANG: SCHERBENFUNDE

Befund: Bei Arbeiten auf dem Nonnenchor wurde im November 1979 hinter dem Chorgestühl im Bereich des
Fensters NORD IV (zweites Fenster von Westen) ein größerer Bestand an Glasscherben geborgen. 86 Stücke (Nr.
1—86) sind mittelalterlichen Ursprungs und bestehen überwiegend aus farbigem Hüttenglas mit Schwarzlotmalerei;
die größten zusammengehörigen Scherbenkomplexe erreichen Abmessungen von 17,8 cm in der Höhe und 11,3 cm
in der Breite und weisen eine Stärke von 1,5—3,$ mm auf. 67 Stücke (Nr. 159—-2.2.5) bestehen aus unbemaltem, grün-
lichweißem Glas in verschiedenen Tönungen ohne Bemalung. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Glaserabfall
aus nachmittelalterlicher Zeit. Ein weiterer Scherbenbestand von 72 Stücken (Nr. 87—158) fand sich lose in einem
Karton im Kloster197. Da diese Reste jedoch eindeutig dem späten 16. Jh. angehören, können sie hier weder behandelt
noch abgebildet werden198. Sämtliche Scherben wurden im Herbst 1979 gewaschen und — soweit nötig oder möglich
— von Mörtelkrusten und Kalkspritzern befreit. Zueinander gehörige Stücke wurden wieder miteinander verbunden,
entweder durch stumpfes Kleben der Bruchkanten mit UHU oder mit Tesafilm. Größere Flächen von Kalktünche
— zumeist an den Rändern — wurden belassen.
Der überwiegende Teil der Scherben — ausgenommen die unter gänzlich anderen Bedingungen aufbewahrten Stücke
Nr. 87—158 - zeigt auf einer oder beiden Seiten mehr oder minder starke Korrosionserscheinungen. Bei den Gläsern,
die aus mittelalterlichen Farbfenstern stammen, dürften sie ihre Ursache in der natürlichen Bewetterung haben, denen
sie in den Fenstern ausgesetzt waren. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Korrosion sich fortsetzte, als
sie hinter das Chorgestühl gerieten, da auch die Blankverglasungsreste Nr. 159—22$ deutliche Verwitterungsspuren
aufweisen; sie reichen von leicht fleckiger Trübung bis zu völliger Krakelur beider Seiten. Die Scherben Nr. 179—22$
sind Glaserabfall des 18./19. Jh. und rühren offensichtlich von Flickarbeiten an den Fenstern aus der Zeit vor 1852
her. Es handelt sich hierbei durchweg um dünnes, z.T. sehr feines, mit dem Diamanten geschnittenes Fensterglas
von wechselnder, leichter Grüntönung.
Da diese Abfallscherben nicht der Außenbewetterung ausgesetzt gewesen sein können, muß am Fundort unter dem
Gestühl des Nonnenchores eine relativ feuchte Atmosphäre bestanden haben — möglicherweise infolge aufsteigender
Mauerfeuchtigkeit —, die die Oberflächenverwitterung begünstigt hat. Das Fortschreiten vorhandener Korrosion je
nach Lagerbedingungen ist auch an den Scherben aus den mittelalterlichen Farbfenstern zu beobachten, wo zueinander
gehörige Partien und Scherben in unterschiedlichem Maße verwittert sind. Es sei daran erinnert, daß West- und
Südflügel des Kreuzgangs — letzterer unter dem Nonnenchor gelegen — bis zum Einbau der Schutzverglasung extrem
feucht waren. Neben aufsteigender Feuchtigkeit wird bei der Glaskorrosion in dem Scherbenbestand aber auch von
den Fenstern abtropfendes Schwitz- oder Regenwasser mitgewirkt haben, das durch die stark undichten und reparatur-
bedürftigen, seit 18 $ 2 nicht mehr restaurierten Fenster eingedrungen und über die Sohlbank nach unten hinter das
Gestühl gelaufen ist.
Zuordnung, Datierung: Von den im Bereich des Fensters NORD IV auf dem Nonnenchor gefundenen mittelalterli-
chen Scherben lassen sich die meisten der um 1390/1400 entstandenen Farbverglasung der Fenster NORD II—IV
zuweisen.
 
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